Wenn ein Produkt aus Österreich „Gemischter Satz“ heißt und es sich dabei nicht um Wein handelt, lohnt sich per se ein zweiter (neugieriger) Blick. In diesem Fall heißt das neue CD-Projekt des gefeierten Bassisten Günther Groissböck tatsächlich genau so – Verwechslung ausgeschlossen, großes Erstaunen nicht. Es handelt sich nämlich um eine der berührendsten und entzückendsten Aufnahmen von Wiener Liedern der letzten Jahre.

Genauer gesagt haben sich Günther Groissböck, der Tenor Karl-Michael Ebner, langjähriges Mitglied der Volksoper Wien, sowie Österreichs prominentester Musiktheaterdramaturg Christoph Wagner-Trenkwitz zusammengetan, die traditionsreiche Wiener Philharmonia Schrammeln um sich versammelt und zwei CDs voller Duette, Lieder und Mundartgedichte aufgenommen. „Vier verschiedene Lautäußerungen des Wienerischen“ nennen es die Macher treffenderweise.

Dass die mutmaßlich weinselige Projektidee von Ebner und Groissböck – man lernte sich 2020 bei der Berliner „Rosenkavalier“-Produktion von André Heller kennen und schätzen – tatsächlich im Dezember 2021 das Licht der Welt erblickt, ist der Corona-Pandemie zu verdanken, die selbst Terminkalender weltweit gefragter Solisten ins Wanken brachte.

Insgesamt 16 Sololieder und Duette finden sich auf CD 1, eine bunte Mischung aus populären und unbekannten Stücken. Günther Groissböck veredelt bekannte Gassenhauer wie „Stellt’s meine Roß in’ Stall“ oder „Mei Muatterl war a Wienerin“ mit schmeichelnd sonorem Basstimbre und besticht durch authentischen Wiener Akzent. Als ebenbürtig-passender Charaktertenor-Partner überzeugt Karl-Michael Ebner (ehemaliger Wiener Sängerknabe im Übrigen) in Duetten wie „Unser Vater is a Hausherr“ oder der patriotischen Hymne „Was Österreich is’“ von Hans Schrammel und in Solostücken. „Weil i a alter Draher bin“ ist wohl das Bekannteste davon.

Charmant im Klang und weitaus mehr als „Begleitorchester“: die Philharmonia Schrammeln. Wer hier Lust auf mehr bekommen hat, legt CD 2 ein – und hört Wiener Schrammelmusik im Originalklang: zwei Geigen, eine Klarinette in Hoch-G, eine Alt-Wiener Knöpflharmonika und eine Kontragitarre. Die Instrumentalisten der Aufnahme Johannes Tomböck, Dominik Hellsberg, Stefan Neubauer, Günter Haumer und Heinz Hromada treten in die Fußstapfen von Instrumentalisten prominenter Wiener Orchester, die seit bereits 50 Jahren das Repertoire der legendären Brüder Schrammel auf Originalinstrumenten pflegen. Titel wie „Bei Sang und Klang“ oder der „Gartenfest-Galopp“ sind zwar nur Insidern ein Begriff, in Verschiedenartigkeit und Temporeichtum laden sie aber auch „ungeübte Hörer“ dieser Musik zum Hinhören und Entdecken ein.

Apropos hinhören: Das sollte man hier sowieso ganz genau – allein aus ganz praktischen Gründen. Eine Auswahl an Mundartdichtung demonstriert der „restlichen Welt“ die Komplexität Wiener Dialekte und komplettiert die Instrumentalmusik als direkte Gegenüberstellung von musikalischer und dichterischer Sprache der Stadt. Vorgetragen in bekannt-verschmitzer und sehr wienerischer Art von Christoph Wagner-Trenkwitz, der sich als Moderator und Conférencier beim Wiener Opernball auch über Österreich hinaus einen Namen gemacht hat.

Für bekennende Wien-Fans und Exil-Wiener ist dieses musikalische Kleinod ein absolutes Muss. Allen anderen sei wärmstens empfohlen, dem vielzitierten „Wiener Schmäh“ in der bestechenden Echtheit und Originalität dieser Aufnahme nachzuspüren. Es lohnt sich!

Iris Steiner

EMPFEHLUNG

Günther Groissböck (Bass), Karl-Michael Ebner (Tenor), Christoph Wagner-Trenkwitz (Rezitation) und Philharmonia Schrammeln: „Gemischter Satz“
2 CDs, Gramola