Sie ist stahlblond, eisenhart, kaltblütig und perfekt gestylt: Xonga Miller, genannt Mrs. X oder „Xonga Stalin“. Auf LP hatte diese personifizierte Teufelin des Turbokapitalismus die Stimme der Brecht-Diseuse Gisela May. Im Schillertheater macht jetzt Christoph Marti mit seiner unnachahmlichen Persönlichkeit alle Autorenwünsche wahr – für den genderdemokratischen Zeitgeist von heute.

„In Frisco ist der Teufel los“ erlebte die Endfassungs-Uraufführung 1962, war bis zur Wiedervereinigung in der DDR mit über 60 Inszenierungen ein Repertoire-Hit, verschwand dann wie vieles andere und triumphiert jetzt als „Weihnachtsoperette“ der Komischen Oper Berlin. Die behutsame Aktualisierung durch Martin G. Berger und den Dirigenten Kai Tietje ist mit plausiblen Einwänden gegen frühere Rollenklischees noch bizarrer als alle DDR-Visionen über den bösen Klassenfeind. Nur gerät die „Frisco“-Feuertaufe zu Weihnachten 2025 weitaus witziger als jede Theorie-Manifestation zum „Sozialistischen Realismus“. Das DDR-Schaffen klingt gar nicht hausbacken und fetzt. Der Sound des 1914 im heutigen Tschechien geborenen Guido Masanetz ist mit heutigen Hörerwartungen bestens kompatibel. Die Bezüge zu „West Side Story“ und Gershwins „Rhapsody“-Saxophonlauf halten sich in geschmackssicheren Grenzen.

Die Kostüme von Esther Bialas sorgen für eine quasi balladeske, fantastische und präzisierende Ko-Regie: Wenn Sophia Euskirchen als Bar-Bedienung und Matrosenprinzessin Virginia mehr freche Lebenserfahrung spielt als das „frische Ostmädel“, wird die raffinierte Haltung der Produktion beglückend deutlich. Martin G. Berger setzt Fantasie ohne Cancel-Ambitionen und bewahrt den Entstehungsort DDR als die Dekoration bereichernde Hintergrund-Ebene. Alexander von Hugo bringt als positiver Held Anatol Brown ein bisschen „Fluch der Karibik“-Flair in seine moralisch richtige Haltung. Videoprojektionen zeigen den Alex, den Kanal bei Friedrichshain und Nobelhotels der DDR, damit die Assoziationen dem jüngeren Publikum klar werden.

Prachtvolle Figuren setzt das Ensemble mit der in knapper Probenzeit perfektionierten Choreografie von Martina Borroni und Marie-Christin Zeisset (Stepptanz). Tobias Joch ist als Matrose Kay ein bisschen smart, aber auch ein bisschen „Querelle“. Alma Sadé – was für eine Übereinstimmung von Plot und New Yorker Oberbürgermeisterwahl – gibt als Chica eine wunderbare Gewerkschaftsvertretung. Christoph Späth als korrupter Kapital-Exekutive Ben Benson und Hans Gröning als für den Altersruhesitz reife Arbeitsleiche Jonas agieren im Sinne des Stücks mit pikantem Aktualitätsbezug, der alte Operette frisch hält.

Das Orchester der Komischen Oper unterzieht die einfallsreiche Partitur einer superben Verschlankung – mit gepfefferten Bläsersätzen und prima Choreinwürfen (Leitung: Inga Diestel) auch beim Kampf-Saufen um den Oppositions-Hotspot Hotel Nevada. Ohne Berührungsängste gewinnt die bisher ambivalent betrachtete Werknische reelle Repertoire-Chancen. Ovationen und laute Begeisterung.

Roland H. Dippel

„In Frisco ist der Teufel los“ (1962) // Operette von Guido Masanetz in einer Einrichtung von Martin G. Berger und Kai Tietje, Libretto-Neufassung von Maurycy Janowski

Infos und Termine auf der Website der Komischen Oper Berlin