Camille Saint-Saëns hat ein enormes Œuvre hinterlassen, doch populär sind nur wenige Stücke, wie die Suite „Karneval der Tiere“ und die Dalila-Arie aus „Samson et Dalila“. Um das Interesse am Schaffen des Komponisten anzukurbeln, richtet das Forschungsteam vom Palazetto Bru Zane anlässlich seines 100. Todestags im Dezember 2021 in den kommenden Monaten einen vielseitigen Zyklus aus. Auftakt ist die Einspielung des ersten großen Bühnenwerks „Le Timbre d’argent“, die 2017 nach Vorstellungen in Paris entstand. Die Oper thematisiert Fieberfantasien des Malers Konrad, die sich um einen Pakt mit dem Teufel, eine Geld- und Tod-bringende Silberglocke sowie die Obsession zu einer Tänzerin ranken. Das musikalisch und szenisch effektvolle Künstlerdrama weist Parallelen zu Offenbachs „Hoffmann“ auf, einiges erinnert auch an die „Faust“-Vertonungen von Berlioz und Gounod. „Le Timbre d’argent“ hatte 1877 Premiere, die weiteren Aufführungen bis zur letzten Fassung 1914 waren durch widrige Bedingungen und etliche Umarbeitungen geprägt, so dass Saint-Saëns resümierte: „Es ist keine Oper, es ist ein Alptraum.“ Nicht so das Revival, das der Dirigent François-Xavier Roth mit seinem Orchester Les Siècles, dem Chor accentus und einem vorzüglichen Gesangsquintett zu einem lustvollen Musikfest werden lässt. Eröffnet wird der kurzweilige Mix aus romantischem Gesang, Operettenesprit, Chören und Balletteinlagen von einer ausgedehnten Ouvertüre. Die beiden Tenöre, der jugendlich-heldische Edgaras Montvidas und der lyrisch-geschmeidige Yu Shao, harmonieren perfekt miteinander, ebenso die Sopranpartien, die innige Hélène Guilmette und die bezaubernd klare Jodie Devos. Als Teufel zieht Tassis Christoyannis alle stimmlichen Register, seine Gestaltung des Bösen ist elegant und ungemein subtil.

Karin Coper

INFOS ZUR CD

Camille Saint-Saëns: „Le Timbre d’argent“ (1877)
Guilmette, Devos, Montvidas, Shao, Christoyannis
Les Siècles, accentus – François-Xavier Roth
2 CDs, Bru Zane