Diese beiden Sichtweisen möchten wir Ihnen nicht vorenthalten: Unsere Kinderredakteurin Carla Bastuck und Dr. Wolf-Dieter Peter haben sich unabhängig voneinander den „Karneval der Tiere“ in der BR Mediathek angesehen – und kamen zu recht unterschiedlichen Einschätzungen …

„Der Karneval der Tiere“ ist ein berühmtes Werk des französischen Komponisten Camille Saint-Saëns, in dem verschiedene Tiere, angefangen vom Löwen über Hühner, Schildkröten, Esel, Elefant, Fische, Vögel bis hin zum Schwan musikalisch dargestellt werden. Dieses Stück wurde jetzt, wo es ja keine Konzerte gibt, von Musikern des Münchner Rundfunkorchesters in einem Studio aufgeführt. Den Film dieser Aufführung kann man sich auf der Website des Bayerischen Rundfunks ansehen.

Das Besondere an dieser Aufführung ist, dass ein Papiertheater mitwirkt und jedes einzelne Tierstück sozusagen auf der Bühne dieses Theaters erklärt wird. Dabei schneiden die Theaterspieler vor jedem Stück aus einem großen weißen Papierbogen Formen aus, die etwas mit dem jeweiligen Tier zu tun haben. Manchmal ist es die Form des Tieres selbst, manchmal aber auch eine Bühne, auf der sich Papiertiere bewegen. In vielen Stücken haben die Musiker die Tiere des jeweiligen Stücks auch in Papierform auf dem Kopf oder an ihrem Notenpult. Die meisten Erklärungen spricht die französische Dirigentin Marie Jacquot. Sie spricht sehr deutlich und mit einer vollen Stimme und einem lustigen französischen Akzent, so dass man ihr sehr gerne zuhört.

Diese Darstellung von Musikern mit Papiertheater ist sehr kunstvoll, und ich finde es auch gut, dass man dabei seine Fantasie anstrengen muss. Die ganze Vorführung ist aber auch sehr streng und mit der Zeit etwas eintönig. Für Kinder könnte die Darstellung fröhlicher und vor allem bunter sein, kurz: etwas mehr Pepp haben. Deshalb könnte es sein, dass Kinder nach einer Weile müde werden und das Interesse verlieren.

Ich würde diese Darstellung eher für Kinder ab vielleicht acht Jahren empfehlen, die schon viel über Musik wissen und auch selbst ein Instrument spielen – und die natürlich Tiere lieben. Mir hat besonders das Stück über die Schildkröten gefallen, weil ich in diesem Sommer eine Schildkröte bekommen werde.

Carla Bastuck, 11 Jahre

Dr. Wolf-Dieter Peter

Die Nachrichten sind voll von Problemen mit dem Digitalunterricht und überfordert abstürzenden Videosystemen. Doch es gibt auch animierend Funktionierendes. Denn der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat nicht nur jahrzehntelange Erfahrung mit Telekollegs aller Art, er zeichnet ja seit Langem auf und überträgt schon immer. So zeigt die BR Mediathek ab jetzt eine neue, kurze „Musikstunde“ der besonderen Art.

Musikredakteurin Meret Forster und Hannah Gröschl vom Rundfunkorchester haben den Titel „Klassik zum Staunen“ fröhlich ernst genommen. So wurde zu den elf Musikern des Münchner Rundfunkorchesters auch das Nürnberger Papiertheater mit Uta Sailer und Johannes Volkmann eingeladen. Alle zusammen animierten Dirigentin Marie Jacquot, die erste Kapellmeisterin der Deutschen Oper am Rhein, an die Isar zu kommen und „mitzuspielen“. So taucht sie schon mit einer kleinen Papierkrone im weißen Papierleinwand-Ausschnitt auf und ihr „Frahnsösisch“-Akzent verzaubert gleich alles lehrreich Erklärende ins Amüsante: den Dirigierstab, die einzelnen Instrumente, dann mal Marsch, Galopp, Cancan und Tonleiter-Auf-und-Ab. Johannes Volkmann führt zwischen den einzelnen Tierauftritten die vielfältigen Reize des Papiertheaters vor. Da gibt es verschiedene Bühnenformate im wechselnden Ausschnitt aus einer weißen Fläche; da ergibt ein gefaltetes Papier schnipp-schnapp gleich drei Pferde, die zwar langsam sind im Vergleich mit Wanderfalken oder Gepard, aber im kleinen Orchester-Tutti doch losgaloppieren – ganz im Kontrast zur gelassenen Langsamkeit der Schildkröten. Die diskutieren dann darüber, ob Saint-Saëns die Melodie von Jacques Offenbachs Cancan „ausleihen“ und dessen Rasanz in „Lento“ verändern durfte, was die Musiker hörbar machen. Die Gangart des Kängurus führt ganz nebenbei zur Hör-Erklärung von „staccato“ neben „legato“. Zum klanglich exakten „I-Ah“ des „Esels“ tragen die Musiker auch alle papierne Eselsohren. Eine Überraschung bieten dann die nass gestrichenen Glasränder, die akustisch die eingeblendeten blauen Aquarell-Wirbel von Saint-Saëns „Aquarium“ beschwören – und kurze Einblicke in das seltene Instrument der „Glasharmonika“ bieten. Da wird auch noch kurz über Üben und Spielen gestritten und mit dem Stethoskop werden schwarze „Fossilien“-Flecken auf dem weißen Papier zum Klingen gebracht. Dann bezaubert die Cellistin Rabia Aydin mit dem Gleiten und Beinahe-Schweben des „Schwans“, ehe im Triller-Tutti-Taumel alles zum Finale zusammenfindet. Was, die vierzig Minuten sind schon um? Kompliment an alle und Filmautor Hans Hadulla – das ist die hoch amüsante, ein paar Mal zauberhafte, in jedem Fall kurzweiligste Musikstunde, die derzeit zu finden ist.

Dr. Wolf-Dieter Peter

INFOS ZUM FILM

Camille Saint-Saëns: „Der Karneval der Tiere“ (Suite für Kammerorchester)
Ani und Nia Sulkhanishvili, Klavier-Duo
Uta Sailer und Johannes Volkmann, Darsteller/Sprecher
Münchner Rundfunkorchester
Leitung: Marie Jacquot
Der Film ist in der BR Mediathek zeitlich unbegrenzt verfügbar.