Vicente Martín i Soler ist ein Sohn Valencias. Dank seiner Erfolge in Europa nannte man ihn bald Il Valenziano, doch lediglich der Name des kleinen Theatersaals innerhalb des famosen Opernkomplexes Calatravas erinnert noch an ihn. „Il tutore burlato“ („Der verspottete Vormund“) ist seine einzige in Spanien komponierte Oper. Wenn man völlig unvorbereitet die ersten Takte hört, denkt man: „Mozart – den kennen und erkennen wir sofort!“ Und doch ist es jemand anderes, uns völlig unbekannt, der im gleichen italienischen Stil und mit großem Talent ausgestattet seinen Weg begann, bis er laut Da Ponte, mit dem er drei Opern schrieb, zum Autor der „süßen Melodien wurde, die die Seele erreichen, die aber nur wenige nachzuahmen wissen“ und sogar den Freund und Konkurrenten Mozart in Wien an Beliebtheit übertraf. Il Valenziano war nicht nur dort ein Superstar, er arbeitete an fast allen wichtigen Häusern in Europa und starb 1806 in Sankt Petersburg. Er hinterließ ein riesiges Werk.

Filippo Livignis Libretto zu diesem „Dramma giocoso“ basiert auf der literarischen Vorlage von Carlo Goldonis „La finta semplice“. Die Story handelt von geltenden Konventionen, aus denen sich Frauen zu befreien beginnen. Der Kavalier Lelio möchte die schöne Violante heiraten und wendet sich an seinen Freund Fabrizio. Der ist Vormund der jungen Frau und beansprucht sie für sich, um ihr Vermögen zu behalten. Violante weist alle Bewerber ab. So auch den Schäfer Pippo, bis sich herausstellt, dass sie beide aus dem Dorf Frascati stammen. Fabrizio lässt sich ob des neuen Rivalen einige Intrigen einfallen und sperrt Violante in ein abgelegenes Haus. Doch seine Tochter Menica hilft dem Paar per Rollentausch und bereitet so den Weg zum Happy End.

Die Inszenierung von Jaume Policarpo ist spritzig-frisch, ebenso die farbenfrohen Kostüme von José María Adame. Dazu passt ein frecher Carlos Sanchis, der schon mal von seinem Flügel aufspringt, um kurz die Szene aufzumischen, ansonsten die Rezitative mit den Sängern wie kleine Juwele zum Leuchten bringt. Die jungen Sänger überzeugen mit ihren Stimmen, großer Spielfreude und Flexibilität, denn sie müssen die eigene Marionette choreographisch in ihr Spiel einbeziehen – allen voran Aida Gimeno als Violante. Ihr lyrischer Sopran mit feinem pianissimo und ihre Bühnenpräsenz empfehlen sie für höhere Aufgaben. Oleh Lebedyev (Fabrizio) und David Ferri Durá als Il Cavaliere machen ihre Sache in den undankbaren Rollen ordentlich. Omar Lara als Pippo punktet mit ausdrucksstarkem Bariton und Ezgi Alhuda als Menica mit frischem Kanarien-Mezzo. Sie legt auch einen tollen Flamenco auf die Bühne, wenn die Musik zum Triumph der Liebe diesen Rhythmus anklingen lässt.

Das kleine Orchester spielt unter Cristobal Soler makellos und klangschön. Die Partitur kommentiert das Geschehen schwungvoll, mit eingängigen Melodien, die Lust auf mehr machen. Wenn das Erstlingswerk Vicente Martín i Solers bereits diese Reife zeigt, wie großartig müssen dann die späteren Opern und Ballettmusiken sein. Man kann nur auf eine Renaissance des Komponisten hoffen.

Reinhard Eschenbach

„Il tutore burlato“ (1775) // Dramma giocoso von Vicente Martín i Soler