Trotz eines angesichts sinkender Inzidenzen mittlerweile gelockerten mediterran-sanften Lockdowns gönnen sich die Amigos Canarios de la Ópera von Februar bis Juni ein ansehnliches Programm ihrer 54. Opernsaison von Gran Canaria mit Eigenproduktionen von Verdis „Il trovatore“, Cileas „Adriana Lecouvreur“, Rossinis „La Cenerentola“, Mascagnis „Cavalleria rusticana“ und Verdis „Macbeth“. In höchster Disziplin stellt sich das Publikum mit seinen infektionsfrei elektronisch gekauften Karten in Reih’ und Glied vor dem mondänen Auditorio Alfredo Kraus am Strand von Las Palmas an und lässt mit stoischer Ruhe die Temperatur-Messung über sich ergehen. Vor dem Haus „wacht“ eine Riesenstatue aus Bronze von Alfredo Kraus mit Blick aufs weite rauschende Meer über das Geschehen. Obwohl es auf der Insel ein wunderschönes Opernhaus gibt, das Teatro Pérez Galdós, wählte man das Auditorio, um mehr Zuschauer in der Corona-Krise unterbringen zu können – insgesamt etwa 650. Ähnlich wie im Teatro Real in Madrid hat man das Orchester auseinandergezogen, mit Nebenpodesten links und rechts für Harfe, Schlagwerk und einige andere Instrumente. Die Akustik im Saal war gleichwohl gut.

Carlo Antonio de Lucia inszenierte diesen „Trovatore“ in klassisch traditioneller Ästhetik mit ebensolchen Kostümen von Claudio Martín. Carlos Santos schuf ein einfaches, den Gegebenheiten des Auditoriums entsprechendes statisches Bühnenbild aus dreifach abfallenden Mauern zu beiden Seiten der Szene. Der eigentliche inszenatorische und damit gestalterische Effekt ergab sich durch das fantasievolle und stets zur jeweiligen Szene und Stimmung passende Videodesign von Graffmapping auf diesen Mauern und dem Szenenhintergrund, sowie aus der bestens abgestimmten Beleuchtung von Iban Negrín. Die stehenden Videos waren in der Tat oft sehr eindrucksvoll und wurden in zentralen Momenten auch bewegt, um die Intensität der Szene zu erhöhen – so bei den lodernden Flammen zu Manricos Stretta. Eine Personenregie gab es jedoch kaum, allenfalls eine stereotype. Die Sänger traten zu ihren jeweiligen Nummern noch nummernartiger auf und ab als sonst, und allzu oft kam es auch noch zu eigentlich unnötigem Rampensingen.

Arturo Chacón-Cruz, weithin bekannter mexikanischer Tenor, sang den Troubadour zunächst noch mit leichten Aufwärmschwierigkeiten, lief im weiteren Verlauf aber sowohl stimmlich wie darstellerisch zu starker und souveräner Form bei hoher Musikalität auf. So forderte das generell sehr beurteilungssichere Publikum eine Wiederholung der Stretta – er sang sie mit starkem und lang angehaltenem C – und bekam sie auch! Seit ihrem Auftritt als Odabella in „Attila“ bei der Saisoneröffnung der Mailänder Scala 2018 ist Saioa Hernández kein unbeschriebenes Blatt mehr. Mit einem leuchtenden, kraftvoll vorgetragenen Sopran meisterte sie fast alle Klippen der Leonora, abgesehen von einem Spitzenton in der ersten Arie „Tacea la notte placida“. Am schönsten und emotionalsten gelang ihr die Arie „D’amor sull’ali rosee“ zu Beginn des vierten Akts. Der italienische Bariton Massimo Cavalletti sang den Grafen Luna mit warm timbriertem Ausdruck und guter szenischer Präsenz. Erstklassig war aber die stimmliche Leistung der Mezzosopranistin Nancy Fabiola Herrera, die alle nur denkbaren vokalen und darstellerischen Dimensionen der Azucena eindrucksvoll ausleuchtete. Eine Weltklasse-Leistung, die auch mit dem größten Applaus bedacht wurde. Die weiteren Rollen waren ebenso gut besetzt, wie der von Olga Santana einstudierte Chor sang. Jordi Bernàcer dirigierte das Orquesta Filarmónica de Gran Canaria mit sicherer Verdi-Hand.

Klaus Billand

„Il trovatore“ („Der Troubadour“) (1853) // Dramma lirico von Giuseppe Verdi