München / Gärtnerplatztheater (März 2021) Dan Goggins hochmusikalische Nonnen erobern mit „Non(n)sense“ die Bühne
Nein, es müssen weder Mahalia Jackson oder Aretha Franklin aus dem Gospelhimmel herabsteigen noch Whoopi Goldberg „Sister Act“ wiederbeleben. Im Stream des Gärtnerplatztheaters erwies es sich jetzt nämlich als höchst unterhaltsam, gleichsam die Mütter dieser „sisters“ zu erleben. Dan Goggin hat viele Einzelideen und Songs 1985 zu einem Broadway-Revuetheater zusammengefügt, aus dem ein jahrelanger Dauerbrenner wurde und der dann letztlich den Filmhit anschob. „Dies Wort in Gottes Ohr: Nonnen haben auch Humor!“, lautet der Grundtenor – äääh, -sopran. Den müssen sie „herauslassen“, denn eine Schwester hat mit ihrer Bouillabaisse fast das ganze Kloster vergiftet. Es war eben nicht mehr das „jüngste“ Gericht … Vier tote Schwestern lagern nun in der Kühltruhe, weil das Geld für die Beerdigung nicht reicht – eine Benefizveranstaltung soll es richten.
Dafür haben „Vestiarischwester“ Judith Leikauf und „Klosterbaumeister“ Karl Fehringer einen hybriden Barockaltar auf die Bühne gestellt. Doch Amoretten sind schon nackte, halb mit Tüchern bedeckte Showgirls. Oben auf der Empore hat ein fünfköpfiger „Hortus musicus“ in Nonnentracht Platz genommen, angeführt von „Klosterkantor“ Andreas Partilla – und die lassen allerlei irdisch-fetzige Klangwölkchen sich auftürmen, dann auch die Sinne umsäuseln und die Füße mitwippen. Der Tabernakel ist ein von bunten Lämpchen umrahmtes Zirkus-Entrée, aus dem erstaunliche „Wunder“ auftreten, denn auch die Altarbilder links und rechts sind wundersam drehbar und wechseln von Heiligenbildchen zum muskulösen Bodybuilder Steve Reeves. Dass Farblichter-Ketten auch die Proszeniumslogen verdecken, signalisiert schon „Buntes“ …
Das folgt dann auch für zwei Stunden vom „Theatralischen Liturgen“ Josef E. Köpplinger, der die laienhafte Selbstdarstellungslust der fünf übrig gebliebenen Nonnen, ihre verborgenen Talente, aber auch Eifersüchteleien mal nuancenreich, mal deftig inszeniert. Dass die reife Oberin Regina (Dagmar Hellberg) und ihre Vize Maria Hubert (Tracey Adele Cooper) locker mithalten, wenn die jüngeren Schwestern Robert Anne, Maria Amnesia und Maria Leo eine gekonnt kleine Steppnummer hinlegen, ist dem natürlich „sittsamen“ Training von Ricarda Regina Ludigkeit zu verdanken, die auch die sonstigen Tanztalente der be-rock!-ten Schwestern amüsant entwickelt hat. Über alle mal herrlich schräg-unbedarfte, mal sehnsüchtig tiefverborgene, jetzt losbrechende „Showstar“-Anbetung hinter Klostermauern sind die komödiantischen Talente der „Schwestern“ Florine Schnitzel, Julia Sturzlbaum und Frances Lucey zu bestaunen. Ein Wirbel von „Elvis lebt“ über „Die sterbende Nonne“ zu „Wege zur unbefleckten Empfängnis“ und Zarah Leanders „Du sollst der Kaiser meiner Seele sein“ samt Koloraturbrillanz – dafür kein „Pinguin“-Nonnenwitz, aber von „Winnetous Schwester“ über „Heidi“ zu „Sternenkrieg-Prinzessin Leia“ und „Jurassic Park“ viel Wortwitziges (Textbearbeitung ebenfalls „Liturg“ Köpplinger). Die finanzielle Rettung am Ende kommt nicht vom Filmprojekt „Nonnendämmerung“, nicht vom Schwestern-Kochbuch „BJM-Backen mit Jungfrau Maria“ samt Rezepten für „Sauce Catholique“, „Schlesisches Himmelreich“, „Rostbratwurst Hlg. Johanna“ und Nachspeise „Judasküsschen“, sondern von – nein, das sei noch nicht verraten! Diese Nonnen bieten allerlei reizend-weibliche Überraschungen, die das hoffentlich kommende „volle Haus“ toben lassen wird. Der theatralisch-heilige Geist war mit Euch!
Wolf-Dieter Peter
„Nunsense“ („Non(n)sense“) (1985) // Musical Comedy von Dan Goggin
Die Inszenierung ist als Stream bis zum 3. April 2021 über die Website des Theaters abrufbar.