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George Humphreys

„Die rechte Braut“ am Lied erkannt

Salzburg / Salzburger Landestheater (Mai 2021)
Alma Deutschers „Cinderella“ als Augen- und Ohrenschmaus

Salzburg / Salzburger Landestheater (Mai 2021)
Alma Deutschers „Cinderella“ als Augen- und Ohrenschmaus

Talent verpflichtet – gerade in Sachen Musik ist Teilen Ehrensache. Das spürte die Britin Alma Deutscher (*2005) bereits im Kindesalter. Inspiriert vom Grimm’schen Märchen, komponierte sie als Achtjährige ihre erste abendfüllende Märchenoper „Cinderella“ und avancierte bei der Uraufführung 2016 (Orchesterversion) in Wien ad hoc zum Shootingstar. „Töne schweben um mich herum. Sie zaubern ein Lied für mich!“, schwärmt Deutschers Cinderella im ersten Akt. Sie selbst fing die Töne ein, schuf aus ihrem inneren Klangzauber ein vieraktiges Werk in der Tradition der komischen Oper. Nach entbehrungsvoller Corona-Stille feierte „Cinderella“ in der Inszenierung von Carl Philip von Maldeghem und unter musikalischer Leitung von Gabriel Venzago nun eine rauschende Premiere.

Dass der Abend im besten Wortsinn etwas Märchenhaftes hat, liegt gewiss nicht am harten Kulturentzug. Die wohltuend belebende, zauberhaft berührende und mit feingeschliffener Situationskomik gewürzte „Cinderella“ wurde am Ende verdient mit Standing Ovations geehrt. Deutscher verlegt die Handlung in die Welt der Musik: In einem Opernhaus, ehemals von Cinderellas Vater geführt, herrscht die intrigante Stiefmutter (Anne-Fleur Werner). Cinderella, eine begabte Komponistin, trägt wunderschöne Melodien in sich, für die sie, statt Anerkennung und Förderung, Spott und Missgunst erntet. Die beiden Stiefschwestern (Laura Nicorescu und Olivia Cosío) sind Meisterinnen im Nerven und Mobben, talentfrei, hübsch, aber auf lächerliche Art divenhaft. Weil der gesundheitlich angeschlagene König des Regierens müde ist, soll der Prinz auf Brautschau gehen. Doch der lässige Thronfolger im Holzfällerhemd will nicht unbedingt eine Standesgemäße. Seine große Liebe, „die rechte Braut“ also, soll musisch veranlagt sein – er selbst ist ein begabter Dichter. Nicht am passenden Schuh, sondern an der zu seinem Gedicht passenden Melodie will er sie beim schrill-schrägen Maskenball mit Gesangswettbewerb „erkennen“. Eine gute Fee (Maria Polańska) macht’s möglich, dass auch Cinderella ihre Chance bekommt. So nimmt, wenn auch auf Umwegen, das (Liebes-)Glück seinen Lauf.

Mehr als glücklich auch der „Lauf“ der Operninszenierung: Charakter- und stimmungsvolle musikalische Ideen mit eingängigen Melodien in den Gesangspartien entfalten in Topbesetzung volle Wirkung, das Mozarteumorchester Salzburg überzeugt bei höchster Virtuosität und präzisem Zusammenspiel, das Libretto ist voller Witz, hat aber trotzdem Tiefgang. Ein stylisches, auf der Drehbühne in zwei Räume (Königsgemächer und Opernhaus) geteiltes Bühnenbild (Stefanie Seitz) macht den modernen Märchenplot zum Augenschmaus. Laura Incko gibt eine selbstbewusste Cinderella, überzeugt mühelos in allen Tonlagen und sprühender Präsenz. Der Prinz (Luke Sinclair), locker-lässig und grundsympathisch, aalt sich mit geschmeidigem Tenor in seiner Rolle. Dass er mit dem königlichen Vater (George Humphreys) und dessen Minister (Alexander Hüttner) seine liebe Not hat, wie auch das Gebaren der beiden Stiefschwestern als Möchtegern-Operndiven, die sich in trillernd-schillernden Duetten duellieren, ergänzt das Märchenhafte um weitere komische Momente.

Kirsten Benekam

„Cinderella“ // Märchenoper von Alma Deutscher; Erstaufführung der erweiterten und überarbeiteten Salzburger Fassung

Infos und Termine zur Produktion auf der Website des Theaters

Glänzender Hörgenuss im optischen Fluss?

Salzburg / Salzburger Landestheater (März 2021)
Chancen und Risiken einer gestreamten „Zauberflöte“

Salzburg / Salzburger Landestheater (März 2021)
Chancen und Risiken einer gestreamten „Zauberflöte“

Opernpremieren per Stream sind verdienstvolle und ermutigende Vorhaben sowohl für das Ensemble als auch für das Publikum – so auch die „Zauberflöten“-Premiere des Salzburger Landestheaters. In der Regie von Christiane Lutz und unter der musikalischen Leitung von Leslie Suganandarajah agiert ein Ensemble, das sich vor allem hören lassen kann. Allen voran Alina Wunderlin, die mit wunderbarer Stimme und virtuosen Koloraturen die Königin der Nacht zwischen verzweifelter Mutterangst und vom Zorn übermannter Rachegöttin gestaltet. Laura Incko als Pamina und David Fischer als Tamino bringen als edles Liebespaar eine gute Mischung aus belcantischem Schmelz und schlanker Stimmführung mit. Laura Barthel mimt und singt mit koboldhaftem Charme die Papagena und George Humphreys kostet das komödiantische Potential der Papageno-Rolle stimmlich und darstellerisch mit Vergnügen aus. Die drei stimmschön singenden Damen Julia Moorman, Olivia Cosio und Verena Gunz fügen sich zu fein abgestimmtem Triogesang zusammen. Kammersänger Franz Supper verleiht dem Monostatos gefährliche, aber auch mitleidsvolle Töne. Sein Dienstherr Sarastro bekommt durch Andreas Hörl sonor klingende priesterliche Weihe. Und die Rollen der drei Knaben übernehmen tonsicher Mitglieder des Salzburger Festspiele und Theater Kinderchors.

Die Regie vermittelt den interessanten Eindruck, dass es sich bei der Auseinandersetzung zwischen der Königin der Nacht und Sarastro um einen höfischen Machtkampf im Palast oder Tempel der Sarastro-Fraktion handelt. Es gibt zwar in dem sparsamen, gleichwohl variablen Bühnenbild von Christian Andrè Tabakoff Ausweitungen der Raumgestaltung. Aber letztlich konzentriert sich das Spiel um eine Art Planetenglobus, zentral im Tempelraum auf einer Stele stehend. Um diese Mitte herum entwickelt Christiane Lutz mit einer Menge kreativer Ideen ihre Vorstellungen des Werkes. Aber letztlich will sich das Ganze in der filmischen Umsetzung noch nicht zu einer Einheit fügen. Einerseits setzen die unterschiedlichen schauspielerischen Möglichkeiten des Ensembles der Umsetzung des Regiekonzepts Grenzen. Und die vielen Halbtotalen und Großaufnahmen der Kameras behindern den optischen Fluss des Gesamtgeschehens. Außerdem erfordern Großaufnahmen ein anderes Agieren der Darstellenden als Aufnahmen aus der Distanz. Nicht jeder, der auf der Bühne live überzeugend agiert, ist für das Spielen direkt vor der Kamera ausgebildet. Und die Großaufnahme legt das unerbittlich offen. So lange es Streams gibt, sollte sich die Videoregie darauf einstellen und mehr Distanz wahren. Oder aber camera-acting gehört zukünftig zur Opernausbildung.

Einige Koordinationsprobleme zwischen Orchester und Bühne mögen der Premieren-Anspannung geschuldet sein. Ansonsten spielte das Mozarteumorchester Salzburg gewohnt kenntnisreich mit einem Anflug von historisch orientierter Spielpraxis.

Insgesamt Respekt vor dieser Inszenierung, die im Vorfeld und bei der Durchführung sicher viele Pandemie-Probleme bewältigen musste.

Claus-Ulrich Heinke

„Die Zauberflöte“ (1791) // Oper von Wolfgang Amadeus Mozart