Mönchengladbach / Theater Krefeld Mönchengladbach (Oktober 2020) Von der „Meisterklasse“ bekehrt
Bin ich zu spät, um Maria-Callas-Fan zu werden? Die Divina, die Primadonna assoluta, das letzte Märchen*, die Callas. Natürlich wusste ich um sie, kannte sie, als das Vorbild vieler SängerInnen oder aus Debatten um den Sinn der „Fach“-Spezialisierung. Ich kannte auch einige scheppernde Aufnahmen mit großem Prunk und der Callas in dieser zarten Selbstumarmung. Nun fragen Sie mich nicht, wie ich einst ohne die Liebe zu Maria Callas ausgekommen bin, denn nach dem Abend am Theaters Krefeld Mönchengladbach sage ich Ihnen ehrlich: Ich weiß es nicht. Seit der Ovation des Theater-Opernhybrids „Meisterklasse“ von Terrence McNally an die einzige Person, die rechtmäßig die Bühne in diesen Jahrzehnten betreten hat*, wollte ich einige Abende mit Maria Callas` Stimme und Worten von und über sie verbringen. Ausgelöst hat das wohl nicht nur die Sängerin, sondern vor allem der Mensch Maria Callas, der mir an diesem Abend begegnet: Sie stolziert unablässig von Flügel zu Kristallkaraffe durch den Korrepetitionsraum mit Kronleuchter (Bühne: Dietlind Konold), lehrt poetisch-pathetisch, reglementiert den Pianisten und überhaupt ihr ganzes Umfeld, bittet unaufhörlich um deutlichere Aussprache und präsentiert sich; nicht im Singen, aber in feurigen Anekdoten. Eva Spott, sie ist es, die das Schmunzeln, das Schaudern und die Überraschungen über den Menschen Maria Callas ins volle und warm beleuchtete Mönchengladbacher Haus bringt. Sie ist keine Callas zum Verwechseln, nein, aber sie teilt etwas mit Maria Callas, was sie im Spiel selbst von ihren Gesangsstudierenden fordert: „das gewisse Etwas“, ihre Ausstrahlung. Das hier ist ein Danke an Eva Spotts großartiges Schauspielen, die wohlinformierte Inszenierung von Petra Luisa Meyer und Kostümierung on point von Dietlind Konold aus Chanel-Täschchen, Seidentuch und klimpernder Kette, die mir in Sein und Emotionen die Callas klarer gezeichnet haben, als jede Skizze noch lebender Sängerinnen und Sänger. Obwohl ich die Inszenierung in konstanter Temperatur erwarte, erkühlt sie in den Momenten der Zerbrechlichkeit, wie wir sie aus Callas` berühmtem, tränenreichem „O mio babbino caro“ kennen, und den Augenblicken der Melancholie, mit Schwarz-Weiß-Aufnahmen der lachenden Maria und zahlreichen sich hebenden Vorhängen am Ende des Abends.
Die Person Maria Callas singt an diesem Abend schon nicht mehr, aber Maya Blaustein, Boshana Milkov, David Esteban erfüllen den (kleinen!) Opernanspruch dieses Stückes. Dass hier zum Großteil Mitgliederinnen und Mitglieder des Opernstudios Niederrhein singen, merkt man nur daran, dass sie, an der Rampe stehend, mit Mikrofonen verstärkt sind. Ansonsten singen sie alle wundervoll, als wären sie tatsächlich von der Callas-Schule perfektioniert, bis sie zeitweise von Callas-Originalaufnahmen abgelöst werden. Und sie alle erfüllen das, was (gerade in der heutigen Zeit) wohl der wichtigste Gedanke der Terrence-Callas ist: „… ich muss daran glauben können, dass wir diese Welt zu einem besseren Ort gemacht haben. Dass sie an Reichtum und Weisheit gewonnen hat, weil wir uns für die Kunst entschieden haben.“
* Ingeborg Bachmann („Hommage à Maria Callas“)
Maike Graf
„Meisterklasse“ („Master Class“) (1995) // Terence McNally