Gioachino Rossini: „Matilde di Shabran“ & Gaetano Donizetti: „Il Paria“
„Die Frauen sind geboren, um zu siegen und zu herrschen.“ So die utopische und nicht ganz ernst zu nehmende Quintessenz der Titelheldin am Ende von Gioachino Rossinis 1821 für Rom komponierter Semiseria „Matilde di Shabran“. Sie hat den Fürsten Corradino mit Witz und Charme und unter Überwindung von mancherlei Gefahren von seinem Hass auf alles Weibliche bekehrt. Verzweigt ist die Handlung und mit abstruser Dramatik überfrachtet, doch die Musik dazu ist köstlich. Vor allem die Ketten-Ensembles funkeln und sprudeln, gerade auch im Mitschnitt vom Wildbader Belcanto-Festival 2019. Die Gesangscrew bietet überschäumende Vokalakrobatik und Zungenfertigkeit in den irrwitzig schnellen Passagen und was Dirigent José Miguel Pérez-Sierra aus dem Krakauer Passionart Orchestra an Drive, klug aufgebauter Dynamik und Feinabstimmung herausholt, ist einfach mitreißend. Als Corradino tritt Michele Angelini in die Fußstapfen von Juan Diego Flórez, der mit dieser Rolle 1996 in Pesaro den Grundstein für seine Karriere legte. Angelini singt die monströse Partie mit ähnlich verblüffender Agilität, Tonschönheit und müheloser Attacke der Spitzennoten. Die Matilde von Sara Blanch sprüht vor Keckheit und bezaubert mit makellosem Ziergesang, der das Fürstenherz ohne Zweifel erweichen muss. Victoria Yarovaya in der Hosenrolle des Ritters Edoardo beglückt mit Mezzosamt, das tiefstimmige Männerquartett bietet eine wohldosierte Mischung aus Buffokomik und kantablem Gesang. Ein dreistündiges Rossini-Fest!
Während in Wildbad die Rossini-Pflege im Zentrum steht, ist Gaetano Donizetti einer der Hausgötter beim Label Opera Rara. Für die jüngste Ausgrabung hat man sich dessen Melodram „Il Paria“ vorgenommen und kritisch ediert auf CD gebannt. Es erzählt von der verbotenen Liebe der indischen Priesterin Neala zum gesellschaftlich ausgegrenzten „Paria“ („Unberührbaren“) Idamore. Als man dessen Herkunft entdeckt, wird er mit seinem Vater, der ihn zur Flucht bewegen wollte, zum Tode verurteilt. Neala bleibt gebrochen zurück. „Il Paria“ war bei der Uraufführung 1829 kein Erfolg, trotz Mitwirkung dreier Gesangsstars dieser Zeit. Allerdings sind demzufolge die Vokalpartien sehr anspruchsvoll geraten. Besonders der Tenor Idamore muss ständig höchste Lagen erklimmen und dort auch noch dynamische Finessen und Ornamente aller Art bewältigen. Wie René Barbera diese Anforderungen meistert, ist staunenswert. Er phrasiert stilgerecht, durchmisst die halsbrecherischen Fiorituren gewandt und peilt die oberen Töne sicher an. Auch Albina Shagimuratova als Neala zeigt alle Vorzüge ihres Koloratursoprans. Gesponnene Kantilenen, virtuose Verzierungen und überstrahlende Topnoten machen sie zu einer überzeugenden Interpretin. Als Zarete punktet Misha Kiria nicht nur mit gewichtigem Bariton, sondern auch mit psychologischer Differenziertheit, insbesondere im großen Solo des zweiten Akts. Dirigent Sir Mark Elder spornt die Britten Sinfonia zu einem stilistisch gelungenen Opernromantik-Debüt und den Opera Rara Chor zur schon gewohnten Klangkultur an.
Karin Coper
INFOS ZU DEN CDs
Gioachino Rossini: „Matilde di Shabran“ (1821)
Angelini, Blanch, Yarovaya u.a.
Passionart Orchestra, Górecki Chamber Choir – José Miguel Pérez-Sierra
3 CDs, Naxos
Gaetano Donizetti: „Il Paria“ (1829)
Shagimuratova, Barbera, Kiria u.a.
Britten Sonfonia, Opera Rara Chor – Sir Mark Elder
2 CDs, Opera Rara