Wie steht es um die Kunstfreiheit in Zeiten der Pandemie? Christian Gerhaher, prominenter Kopf der Initiative „Aufstehen für die Kunst“, beklagt „das offensichtlich geringe Interesse an den Künsten vonseiten der Politik“ und hat zusammen mit seinen drei Kollegen Wolfgang Ablinger-Sperrhacke, Hansjörg Albrecht und Kevin Conners sowie der renommierten Berliner Kanzlei Raue den Kampf aufgenommen: gegen das derzeitige Kultur-Totalverbot und ein mutmaßlich verfassungswidriges Handeln des Staates. „Macht das Tor zur Kultur auf. In Euren Köpfen“, wütet auch Schriftsteller Gert Heidenreich am 27. Februar in der FAZ. Ist nun die Zeit des „Erduldens“ endgültig vorüber? Wir haben nachgefragt beim österreichischen Charaktertenor Wolfgang Ablinger-Sperrhacke. Man darf hoffen …

Interview Iris Steiner

Was möchten Sie mit Ihrer Initiative erreichen?
Das große Ziel ist eine rechtliche Klärung, inwieweit die grundgesetzlich äußerst stark geschützte Kunstfreiheit „einfach so“ seit einem Jahr außer Kraft gesetzt werden kann. Wir sind seit März 2020 in verschiedenen Formen des Lockdowns, was zu Beginn auch durchaus gerechtfertigt war. Durch diverse Feldversuche im Laufe des Jahres – etwa bei den Salzburger Festspielen – wurde bewiesen, dass Kultur mit Hygienemaßnahmen durchaus stattfinden kann. Auch die Öffnungen der Häuser im September und Oktober liefen völlig problemlos. Nichtsdestotrotz wurde seit November alles komplett und ohne stichhaltige Begründung geschlossen, während gleichzeitig Gotteshäuser fast ohne Einschränkungen durchgehend geöffnet blieben.

Warum glauben Sie, dass ausgerechnet der Kunst- und Kulturbereich anscheinend grundlos so starken und dauerhaften Total-Verboten unterlegen ist?
Unser Kunstbetrieb wird hauptsächlich von staatlicher Seite finanziert, was eine Schließung recht einfach macht. Thomas Hengelbrock wurde beispielsweise auf Nachfrage von zwei Ministerpräsidenten und einem regierenden Bürgermeister mitgeteilt, dass die Bevölkerung diese Verbote akzeptiert und man sie deshalb auch durchzieht. Das ist insgesamt unser Problem: Klagen müssen die Künstler, weil etwa Intendanten als Angestellte von Kommune oder Staat kein Klagerecht hätten. Die Rechtsträger hingegen werden ja nicht gegen sich selber klagen. Auf Anstrengung der Staatskapelle Dresden gibt es jetzt zum Beispiel einen Prozess beim Arbeitsgericht Chemnitz, auch um ein Statement zu setzen, dass Kurzarbeitergeld alleine monatelanges quasi Berufsverbot nicht ausgleichen kann.

Was würden Sie Bundeskanzlerin Merkel oder Ministerpräsident Söder gerne sagen?
Kunst ist ein Lebensmittel. Sie definiert das Erbe der Menschheit und wenn man sieht, was von der übrig geblieben ist über die Jahrtausende, sind es immer Kunstwerke und Bauten. Keiner weiß, wer vor 100 Jahren bayerischer Ministerpräsident war, aber jeder kennt Goethe und Shakespeare. Das zum einen. Zum anderen haben gerade Deutschland und Österreich aufgrund ihrer Geschichte eine besondere Verantwortung gegenüber der Kunstfreiheit, die ja bekanntlich während der NS-Zeit aufs Schärfste unterdrückt wurde. Ein schlimmes Erbe, da müsste viel mehr historische Sensibilität walten. Die Kultur bei der schrittweisen Öffnung als letztes zu berücksichtigen, wie jüngst in einem Vorschlag des Berliner Oberbürgermeisters Müller geschehen, ist in mehrerlei Hinsicht ein Unding. Nach einem Jahr Pandemie sollte man endlich kapiert haben, dass man jedes Theater hinsichtlich Publikumskapazität und Hygienekonzept einzeln betrachten muss. Viele Studien haben der Kultur mit das geringste Innenraumrisiko überhaupt attestiert.

Wie ist das genaue weitere Vorgehen der Initiative geplant? Ihr im November angekündigter Weg eines Eilantrags auf Wiederöffnung wurde bisher ja nicht beschritten …
Es gab bereits jetzt – pikanterweise noch Tage vor der vereinbarten nächsten Ministerpräsidentenkonferenz am 3. März – eine offizielle Stellungnahme des Ministeriums, dass alle Theater bis zum 31. März geschlossen bleiben sollen. Dies wurde den Mitarbeitern der Häuser bereits mitgeteilt, basiert jedoch zum jetzigen Zeitpunkt auf keiner Rechtsgrundlage. Sobald sich diese Ankündigung durch eine offizielle Verordnung bestätigt, werden wir am 6. oder 7. März dagegen Klage einreichen.

Wer kann sich daran beteiligen – und wie?
Wir freuen uns über jede Unterstützung, mit Ausnahme von „Querdenkern“ aller Art, von denen wir uns ausdrücklich distanzieren, da unser Eilantrag auf Maskenpflicht, Testungen und Hygienekonzepten beruht. Wir brauchen vor allem finanzielle Hilfe für Medienarbeit und die ebenfalls nicht gerade kostengünstige Klage. Jeder kann uns über unsere Website eine Spende zukommen lassen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist nicht klar, ob wir nicht letztendlich bis zum Bundesverfassungsgericht gehen müssen. Allerdings gibt es einen ganz gesunden Optimismus, was den Erfolg unseres Eilantrags betrifft. Sollten die Spendeneinnahmen dann die Ausgaben übersteigen, werden wir das Geld an durch die Pandemie mittellos gewordene Künstler weiterreichen.

www.aufstehenfuerdiekunst.de