Nachdem das Herausgebertrio in seiner Vorgängerpublikation, dem Reiseführer „Wandrer heißt mich die Welt“, alle 200 Orte in 15 Ländern in Wort und Bild dargestellt hat, die Wagner in seinem Leben besuchte, schließen sie nun ihre Tetralogie (deren erste Bände das Bayreuther Festspielhaus und das Wohnhaus Wagner in Bayreuth, Wahnfried betrafen) ab. Damit ist eine Lücke geschlossen.

An keinen Orten außerhalb Bayreuths sind die authentischen Bauten, in denen Wagner gewohnt, gelebt und gewirkt hat, noch heute so zahl­reich vorhanden wie in Luzern, Tribschen, Zürich und Venedig. Wagner hatte ohne Zweifel eine besondere Beziehung zur gebauten Umgebung bzw. zur Architektur. Was Loge im „Rheingold“ mit seinem „ironisch-despektierlichen Ausdruck für die Luxus­immobilie Walhall“ sagt – „Das Prachtgemäuer prüft ich selbst“ –, gilt wohl auch für den Komponisten Richard Wagner, der lebenslang diverse in Frage kommende Objekte seines Weilens in Augenschein nahm.

In diesem Buch werden erstmals alle Wohn- und Wirkungsstätten Wagners in Zürich, Luzern, Tribschen und Venedig in Wort und Bild (damals und heute) ausführlich dokumentiert und beschrieben. In seinem „Zürcher Exil“ 1849-1858 (in den drei ehemaligen Wagner-Wohnungen am Zeltweg und in einem Neben­haus der Villa Wesendonck) „konnte Wagner ausprobieren und experimentieren, wohin seine ästhetischen, theoretischen und musikalischen Visionen führen würden“. Zürich war „eine Wagnerstadt von globaler Strahlkraft par excel­lence“, wie die Autoren betonen. Bedauerlicherweise habe die Stadt dieser Tatsache „bis heute nie dauerhaft sichtbare Rechnung getragen“. „Gemessen an Aufenthaltsdauer, Vorhandensein der authentischen Gebäude und Werkschaffung ist Zürich sogar die Wagnerstadt neben Bay­reuth.“ Oberhalb des Sees, mit Blick auf die Berge, wollte Wagner ursprünglich sogar sein Festspielhaus errichten.

In Tribschen, wo Wagner 1866 nach seiner Flucht aus München die Meister­singer, den letzten „Siegfried“-Akt und das „Siegfried-Idyll“ komponierte, erlebte er mit Cosima die glücklichste, auch ruhigste Zeit seines Lebens. In Luzern vollendete Wagner 1859 im Hotel Schweizerhof seinen „Tristan“ und heirate am 28. August 1870 Cosima von Bülow, geborene Liszt. In Venedig residierte er seit 1858 viermal bis zu seinem dortigen Tod 1883. Alle Städte werden akribisch beschrieben, Wagners Wirken dort minutiös geschildert und in bril­lianten, oft atemberaubend schönen historischen wie heutigen Fotos abgebildet, zum Teil zum ersten Mal. Manche der kenntnis- wie aufschluss­reichen Texte, u.a. von Nike Wagner, Dagny Beidler und Antoine Wagner, sind Erstver­öffentlichungen. Das abschlie­ßende Kapitel von Markus Kiesel „Alles was ist, endet“ fasst juristisch akkurat die Bayreuther Festspiel­geschichte nach Wagners Tod bis heute zusam­men, der durchaus kritische Schlusspunkt einer Publikation, die ein Standardwerk werden wird.

Dieter David Scholz

INFOS ZUM BUCH

Christian Bührle, Markus Kiesel, Joachim Mildner (Hrsg.): „Prachtgemäuer. Wagner-Orte in Zürich, Luzern, Tribschen und Venedig“
288 Seiten, ConBrio