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Beiträge 2023/04

Verflochtene Welt

Das Staatstheater Darmstadt setzt der Komponistin Ethel Smyth mit „The Prison“ ein tönendes Denkmal

Das Staatstheater Darmstadt setzt der Komponistin Ethel Smyth mit „The Prison“ ein tönendes Denkmal

von Dr. Michael Demel

Vor dem verschlossenen Zuschauerraum des Staatstheaters Darmstadt haben sich die Premierenbesucher eingefunden und warten auf Einlass. Die Anfangszeit der angekündigten Aufführung ist bereits verstrichen und eine Mischung aus gespannter Erwartung und Ratlosigkeit ist auf den Gesichtern der Gäste zu lesen. Da ertönt aus dem Foyer von ferne der Gesang von hohen Stimmen. Er wird lauter, und es nähert sich den Wartenden eine kleine Prozession von vier Sängerinnen des hauseigenen Kinderchores. Nun sind auch die Worte zu verstehen: „Shout, shout, up with your song! Cry with the wind for the dawn is breaking! March, march, swing you along! Wide blows our banner and hope is ­waking.“ Es ist der „March of the Women“, eine Hymne der Frauen­bewegung, welche die Komponistin Ethel Smyth im Jahr 1910 nach einem Volkslied aus den Abruzzen komponiert und auch selbst mit einem kämpferischen Text versehen hat. Die Sängerinnen tragen eine Büste der Komponistin feierlich vor sich her, die schließlich auf einem Sockel vor dem Eingang des Zuschauerraums postiert wird. Mit dieser Eröffnungsaktion ehrt das Produktionsteam eine schillernde Persönlichkeit.

Eine Kämpfernatur

Die einschlägigen Nachschlagewerke kennen Ethel Smyth auch als Schriftstellerin, Journalistin und Frauenrechtlerin. Seit einigen Jahren hat zudem die LGBTQIA+-Bewegung sie als eine der ihren entdeckt. Vor allem aber war sie eine zu Lebzeiten weit über ihr Geburtsland Großbritannien hinaus geachtete Musikerin.

Ethel Smyth, Kreidezeichnung von 1901 (John Singer Sargent, National Portrait Gallery London) (Wikimedia Commons)

Am 23. April 1858 kam sie als viertes von acht Kindern eines britischen Offiziers zur Welt. Ein Musikstudium am Konservatorium in Leipzig erkämpfte sie sich im Alter von 19 Jahren gegen den entschiedenen Widerstand ihres Vaters. Dort kam sie in Kontakt mit wichtigen Persönlichkeiten des Musiklebens, darunter Clara Schumann, ­Edvard Grieg und Johannes Brahms. Der Brahms-Epigone Heinrich von Herzogenberg wurde in Leipzig ihr wichtigster Lehrer. Zu seiner Frau Elisabeth entwickelte sie ein Liebesverhältnis. Bis 1887 schrieb sie ausschließlich Kammermusik. Kein geringerer als Pjotr I. ­Tschaikowski gab ihr schließlich den Impuls, sich der Komposition von Orchesterwerken zuzuwenden. Einen ersten öffentlichen Erfolg erlebte sie 1893 mit der Uraufführung ihrer „Messe in D“ in der Londoner Royal Albert Hall. In den folgenden Jahren wandte sie sich dem Musiktheater zu. Damit ihre Opern überhaupt zur Aufführung gelangen konnten, musste sie zeit- und kraftraubende Reisen unternehmen, um mit ihrer Hartnäckigkeit einflussreiche Persönlichkeiten von ihren Werken zu überzeugen. Bedeutende Fürsprecher hatte sie in den Dirigenten Bruno Walter und ­Thomas ­Beecham. Einer größeren Verbreitung standen aber insbesondere zeitbedingte Vorurteile gegenüber einer komponierenden Frau entgegen. So ist von ­Hermann Levy, dem ­Bayreuther Uraufführungsdirigenten von Wagners „Parsifal“, die Bemerkung überliefert „Ich hätte nie geglaubt, dass eine Frau so etwas geschrieben hat“, woraufhin die Komponistin ­erwiderte: „Nein, und mehr noch: Sie werden es auch in einer ­Woche noch nicht glauben.“

Trotz ihres Kampfes um Anerkennung als eigenständige Künstlerin in einer männerdominierten Gesellschaft hielt sie lange Abstand zu der gerade in Großbritannien erstarkenden Frauenbewegung. Erst im Alter von 52 Jahren wurde sie Mitglied der „Women’s Social and Political Union“ und schloss sich als Suffragette dem Kampf um das Frauenwahlrecht an. Für ihre Beteiligung an einer Protestaktion, bei welcher am 12. März 1912 rund um die Londoner Oxford Street zahlreiche Fensterscheiben eingeschlagen worden waren, musste sie eine Gefängnisstrafe verbüßen.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Ethel Smyth einer größeren Öffentlichkeit als Autorin erfolgreicher autobiografischer Schriften bekannt, was auch ihrer Anerkennung als Komponistin förderlich war. So erfuhr sie in den 1920er Jahren späte Achtung mit der Verleihung mehrerer Ehrendoktorwürden und der Ernennung zu einer „Dame Commander“ des „Order of the British Empire“. Bei der Uraufführung ihres letzten großen Werkes, der Chorsymphonie „The Prison“ im Jahr 1930, war sie bereits vollständig ertaubt. Danach widmete sie sich bis zu ihrem Tod im Jahr 1944 nur noch ihrer Tätigkeit als Schriftstellerin.

Starke Musik und rätselhafte Bilder

Zu dieser letzten großen Komposition hat sich das Darmstädter Produktionsteam um Regisseurin ­Franziska ­Angerer nun an einer szenischen Belebung versucht. Das ist heikel, denn das etwa einstündige Werk enthält keine äußere Handlung. Ein namenloser Gefangener sitzt in seiner Zelle und wartet auf seine Hinrichtung. Er reflektiert seine Situation und tritt in ein Zwiegespräch mit seiner Seele über die menschliche Existenz, die Vergänglichkeit und den Übergang in ein ewiges Leben ein. Die Musik dazu bleibt der spätromantischen Tradition verhaftet und ist von herber Schönheit. In Chorpassagen und einem einmontierten Choralvorspiel erkennt man die Leipziger Tradition von Bach bis Mendelssohn, mit impressionistischer Instrumentationskunst werden daneben stimmungsvolle Naturbilder heraufbeschworen. Die Verwendung von zwei altgriechischen Modalmelodien sorgt für einen Moment von Archaik. Das Staatsorchester Darmstadt entfaltet die abwechslungsreiche Partitur unter der Leitung von Johannes Zahn mit großer Sorgfalt und bringt ihr breites Spektrum an Klangfarben gut zur Geltung.

Georg Festl als Prisoner (Foto Eike Walkenhorst)

Szenisch stehen zunächst die Orchestermusiker auf der Hauptbühne im Mittelpunkt der Aufführung. Der Zuschauerraum hinter ihnen bleibt leer. Die Besucherplätze wurden auf der Hinterbühne errichtet. Zwischen Orchester und Publikum sitzt Georg Festl und knüpft ohne Unterlass Fäden zusammen, schon Minuten bevor die Musik mit einem Orgelpunkt auf dem tiefen C einsetzt. Dazu erhebt er dann mit kernigem Bassbariton und klarer Diktion die Stimme, um vom Zerrinnen seines Lebens und der Sehnsucht nach Freiheit zu singen. Von Ferne antwortet mit hellem Sopran Jana ­Baumeister als die Stimme seiner Seele, dann auch ein Chor, der den Übergang in die Unsterblichkeit verheißt. Das ist in der szenischen Konzentration und der Nutzung des Raumklanges ein starker Beginn, nicht zuletzt wegen der enormen Bühnenpräsenz von Georg Festl. Die Musik entfaltet auf diese Weise schnell eine große Sogkraft.

Der Fokus verschiebt sich im Laufe der Aufführung aber immer stärker zugunsten rätselhafter Bühnenaktionen und schemenhafter Projektionen auf einem semitransparenten Zwischenvorhang. So entfalten Bühnenarbeiter gewaltige rote Stoffbahnen, die im Schnürboden aufgehängt werden, bis herunter zur Bühne reichen, mit Knoten versehen werden und allmählich ein immer dichteres Netz bilden. Das hat als abstraktes Kunstwerk durchaus einen ästhetischen Reiz. Den Sinn dahinter erschließt jedoch erst die Lektüre des Programmhefts. Dort gibt es zunächst allgemeine Hinweise auf ein „Verflochtensein“ der modernen Welt, neuronale und soziale Netzwerke. Genannt werden bildende Künstler als Referenzpunkte für Rauminstallationen zur Visualisierung von Vernetzungen, aber auch von „dreidimensionaler Lyrik“ in Anknüpfung an eine präkolumbianische Knotenschrift. Schließlich wird auch ein Bezug zum Feminismus der Komponistin hergestellt mit dem Verweis auf das Weben als „weibliche Kulturpraxis“. Reichlich verkopft, das Ganze. Auch dass die Zuschauer ornithologisch so versiert sind, den immer wieder als Videoprojektion auftauchenden Umriss eines Vogels konkret einem Uhu zuzuordnen und dann auch noch über das Wissen verfügen, dass es sich dabei um den mythologischen „Trauer- und Totenvogel“ der Antike handelt, dürfte reines Wunschdenken des Produktionsteams sein.

Um im zentralen Bild der Aufführung zu bleiben: Die Verknüpfung der unterschiedlichen Stränge von Symphonie und Live-Installation misslingt. Auch der Versuch, dem zugrundeliegenden metaphysischen Text von Henry Bennet Brewster einen szenisch plausiblen Bezug zum politischen Engagement der Komponistin oder zu aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen abzugewinnen, ist nicht geglückt. Der starke musikalische Eindruck aber, den dieser Abend hinterlässt, macht neugierig auf die genuinen Bühnenwerke von Ethel Smyth.

„The Prison“ (1930)
Symphony for Soprano and Bass-­Baritone Soli, Chorus and Orchestra von Ethel Smyth
Weiterer Termin: 13. Juli
www.staatstheater-darmstadt.de

Dieser Artikel ist eine Leseprobe aus unserer Ausgabe Juli/August 2023

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Der Prinz aus der Wüste

Namibias erste und einzige Oper „Chief Hijangua“ feiert ihre Europa-Premiere in Berlin

Namibias erste und einzige Oper „Chief Hijangua“ feiert ihre Europa-Premiere in Berlin

von Antje Rößler

Mitte September kann das Berliner Publikum die erste namibische Oper überhaupt erleben. Genau genommen handelt es sich um eine deutsch-namibische Oper: „Chief Hijangua“ erzählt eine Geschichte aus dem kolonialen Deutsch-Südwestafrika. Der Komponist heißt Eslon Hindundu. Regie führt Kim Mira Meyer, die als Geschäftsführerin der Münchner Momentbühne das Projekt in die Wege leitete. Gesungen wird auf Otjiherero und Deutsch, auf der Bühne stehen Sängerinnen und Sänger verschiedener Hautfarben – aus Namibia, Südafrika und Deutschland.

Die Saat für diese einzigartige Produktion wurde 2019 beim Immling Festival im Chiemgau gelegt. Hier war Kim Mira Meyer als Regieassistentin tätig und ­Eslon Hindundu als Chorleiter aktiv. Die beiden hatten die Idee für ein gemeinsames Opernprojekt. „Das war eigentlich eine ziemlich verrückte Idee, denn Oper ist auf dem afrikanischen Kontinent eine Seltenheit“, erzählt Hindundu. „Wenn ein Namibier eine Oper erleben will, muss er ins südafrikanische Kapstadt reisen. Meine Motivation war es, meinen Landsleuten die klassische europäische Musik zu zeigen und neue Möglichkeiten für namibische Musiker zu schaffen. Es gibt hier so viel musikalisches Talent, das aber verloren geht.“

Ein weiteres Ziel: das musikalische Erbe Namibias zu bewahren. „Unsere Musik ist nicht gut erforscht und dokumentiert“, erklärt der Komponist. „In letzter Zeit verliert sie an Bedeutung. In Schulen und im öffentlichen Leben werden die alten Volkslieder nicht mehr gesungen. Es besteht die Gefahr, dass wir dieses kulturelle Erbe verlieren. Mit der Komposition einer Oper wollte ich auch einen Teil unserer Musikgeschichte ­bewahren.“

Von Windhoek nach Berlin

Die Pandemie legte dem Projekt Steine in den Weg, doch schließlich ging im September 2022 die Uraufführung von „Chief Hijangua“ im ausverkauften Nationaltheater von Namibias Hauptstadt Windhoek über die Bühne. Es musizierte das semi-professionelle Namibian National Symphony Orchestra. Da es in Namibia keinen Operngesang gibt, wurden Solisten aus Südafrika engagiert. Die Chorsänger hat Eslon Hindundu, der in Südafrika studierte, persönlich in die Gesangstechnik eingewiesen. „Wir kombinieren den klassischen Operngesang mit der Art und Weise, wie die Namibier singen“, erzählt er. „Diese Mischung ist ganz erstaunlich. Wir haben einen tollen Klang erreicht.“ Auch mit der Resonanz auf die Aufführungen ist er zufrieden. „Bei mir haben sich ­anschließend mehrere namibische Sänger gemeldet, die in den USA, Südafrika oder Deutschland arbeiten. Sie wünschen sich mehr namibische Opern und möchten sich einbringen.“

Das Namibia-Team im Berliner Winter: Kim Mira Meyer, Eslon Hindundu, Twapewa Amutenya, Nikolaus Frei, Anja Panitz, Naomi Nambinga, Tanya Turipamwe Stroh und Michael Pulse (Foto Peter Meisel)

Um die Produktion nach Deutschland zu bringen, wurde das Siemens Arts Program mit ins Boot geholt. In dessen noblen Räumlichkeiten am Berliner Gendarmenmarkt trafen sich die Beteiligten im Februar 2023 zu einem Konzeptions-Workshop, an dessen Ende eine deutliche Weiterentwicklung des Stücks stand. „In Namibia hatten wir eigentlich nur an der Oberfläche gekratzt“, meint Hindundu. „Man konnte zwar die Schönheit des Ganzen erkennen. Aber als sich in Berlin das ganze Team jeden Aspekt noch einmal gründlich vornahm, haben wir aus dem Stück noch viel mehr rausgeholt.“

Mitte September 2023 läuft die Europa-Premiere im ­Berliner Haus des Rundfunks, es spielt das Rundfunk-Sinfonie­orchester Berlin. Eine Fassung für Kinder wird im ­Humboldt Forum gezeigt. Die Hauptrolle des Prinzen übernimmt der südafrikanische Bariton ­Sakhiwe ­Mkosana, der die Partie auch schon in ­Windhoek gesungen hat. Mkosana startete seine Karriere am Opernhaus von Kapstadt. Inzwischen ist er Mitglied des Opernstudios Frankfurt und hat mehrere ­Wettbewerbe gewonnen, darunter den zweiten Preis bei „Neue ­Stimmen“ 2022.

Namibische Mythen und ­afrofuturistisches Design

Die Handlung von „Chief Hijangua“ setzt sich aus Geschichten zusammen, die in Namibia über Generationen hinweg mündlich überliefert wurden. „Das Geschehen spielt sowohl in einem mythischen Zeitalter als auch irgendwann im 19. Jahrhundert in der realen Landschaft Namibias“, sagt Librettist Nikolaus Frei. „Die Erzählweise wirkt zugleich allegorisch und konkret.“ Bei Bühne, Kostümen und Maske vereinen sich europäische sowie traditionelle und zeitgenössische namibische Gestaltungselemente. Afrofuturistisches Design geht einher mit einer multimedialen Bereicherung durch die namibische Künstlerin Isabel Katjavivi.

Im Mittelpunkt des Geschehens steht ein namibischer Prinz, der nach seiner Bestimmung im Leben sucht. Er ist in das schönste Mädchen seines Dorfes verliebt, das aber schon seinem älteren Bruder versprochen ist. Daher geht er in die Fremde, wo er allerlei Abenteuer erlebt und schließlich bei der Familie eines deutschen ­Missionars hängenbleibt. Obwohl er schließlich getauft wird, gibt es kein ­Happy End. „Mein erster Impuls war es, die brutale Kolonialgeschichte darzustellen – mit dem Anspruch, historische Aufarbeitung zu leisten“, erinnert sich Librettist Frei. Im Hinterkopf hatte er den Massenmord an den Herero, der unter der Kolonialherrschaft des Deutschen Reiches stattfand. „Doch je mehr ich Eslon zuhörte, desto klarer wurde mir: Eine Oper ist dafür nicht das richtige Genre.“ Nun lässt sich die Geschichte von „Chief Hijangua“ eher als eine allgemeine Allegorie auf den Kolonialismus lesen. Und Eslon ­Hindundu, der den englischen Part des Librettos in seine Muttersprache ­Otjiherero übersetzte, hat auch für eine Prise Herzschmerz und Liebesschmalz gesorgt. „Ich wollte den Stoff etwas würzen“, lacht er.

Ein ganz neues Opern-Idiom

Hindundu studierte Musik im südafrikanischen Bloemfontein und verdient sein Geld heute als Chordirigent in Windhoek. „Ich leite einen eigenen Chor, die Vox Vitae Singers, mit denen ich häufig bei Regierungsveranstaltungen oder in Firmen auftrete. Außerdem probe ich mit dem Chor meiner Kirche“, erzählt der 27-Jährige. „Als Vollzeitmusiker in Namibia zu überleben, ist sehr schwierig. Aus diesem Grund ist die namibische Musik auch nicht so entwickelt, wie sie es sein könnte. Viele Musiker geben auf, weil sie ihre Miete nicht mehr zahlen können.“

Kennenlern-Probe von Eslon Hindundu und dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (Foto Peter Meisel)

Besonders kritisch war die Lage während der Pandemie, als Chorgesang verboten war. „Ich habe von der Regierung zumindest eine kleine Kompensation bekommen und die Zeit genutzt, ein halbstündiges Oratorium zu schreiben“, erzählt Hindundu, der einer freikirchlichen Pfingstgemeinde angehört und sich sehr für geistliche Musik aus Renaissance und Barock interessiert. Johann Sebastian Bach war eine Inspirationsquelle für seine Oper. „Bach nahm die alten Choräle und erweckte sie zu neuem Leben“, meint ­Hindundu. „Also dachte ich mir, ich könnte etwas Ähnliches mit den namibischen Gesängen anstellen.“ Ein ganz neues Opern-Idiom sei da entstanden, verspricht der Komponist: eine Verbindung zwischen klassischer europäischer Musik und traditionellen namibischen Elementen. „In der namibischen Musik gibt es typische Fünfton­skalen, viele Off-Beats und Synkopen. All das hört man in der Oper.“

Hindundu setzt auf diatonische Harmonien, wie sie dem System von Dur und Moll zugrundeliegen und mit der Popmusik weltweit verbreitet wurden. So kann sich das Orchester am einfachsten einfügen; außerdem werden diese Klänge von allen Namibiern verstanden. „Die Problematik der Intonation war mir beim Komponieren sehr bewusst“, erklärt er. „Ich möchte in der vielfältigen multikulturellen Gesellschaft Namibias jeden erreichen. Buren, Deutsch­namibier, ­Ovambo, Südafrikaner, ­Tswana: Alle dürfen sich angesprochen ­fühlen.“

Die Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit spielt für ihn keine vordergründige Rolle. Hindundu wirkt sogar ein wenig verwundert darüber, mit welcher Vehemenz sich die deutschen Partner damit beschäftigen. „In allen Gesprächen hier kommt dieses Thema auf“, erzählt er beim Treffen während des Berliner Workshops im Februar. Ihn beflügelt vor allem das gemeinsame Reden, Nachdenken, Musizieren. „Es begeistert mich, wie gut Namibier und Deutsche in unserem Team zusammenarbeiten.“

Dieser Artikel ist eine Leseprobe aus unserer Ausgabe Juli/August 2023

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