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Rezensionen 2021/04

Geisterbahn

Saarbrücken / Saarländisches Staatstheater (April 2021)
Pascal Dusapins finsterer „Macbeth Underworld“ als faszinierendes Horrorspektakel

Saarbrücken / Saarländisches Staatstheater (April 2021)
Pascal Dusapins finsterer „Macbeth Underworld“ als faszinierendes Horrorspektakel

Das Saarländische Staatstheater begreift die Krise als Chance. Begünstigt durch den Corona- Sonderweg der Landesregierung, bringt das Haus eine beispielhafte Premiere als deutsche Erstaufführung vor zwar pandemiebedingt limitiertem, immerhin aber physisch im Großen Haus anwesendem Publikum heraus. Das vor knapp anderthalb Jahren am Brüsseler La Monnaie uraufgeführte Werk setzt die Titelfigur samt Gemahlin unter permanenten Wiederholungszwang. Der Fluch der bösen Tat ist, dass sie immer von neuem durchlebt und dabei in ihrer grässlichen Sinnlosigkeit fortschreitend offenbarer wird. Wahnsinn und kryptisches Raunen, wie es die Sprache im Shakespeare-Stück zulässt, werden im Libretto von Frédéric Boyer auf die Spitze getrieben. Dusapins Musik verleiht dem orgelbrausende und streichersatte orchestrale Struktur sowie eine vokale Prägnanz, die sich besonders im Fall der Lady auf der spannungsgeladenen Schwelle zwischen rhythmischem Sprechen und Arioso bewegt.

Regisseur Lorenzo Fioroni erzählt – soweit das Geschehen es zulässt – stringent und billigt daher dem Wahnsinn so einiges an Methode zu. Die Zwänge, unter denen der Schottenkönig und seine Lady stehen, zeigen sich auf diese Weise desto augenfälliger. Permanentes Händewaschen und das Klopfen an Burg- und Höllenpforte geben ihrem untoten Dasein den Takt vor. Eros und Thanatos fließen ineinander über. Wenn die Lady in Dessous und rittlings einen Sarg besteigt, gewinnt das ebenso plakative wie eindrückliche Bildkraft. Die „Hexen“ wiederum formieren sich zu anmutigen, von klassischen Ballettchoreographien inspiriert moralinfreien Grüppchen jenseits von Gut und Böse. Paul Zoller baut für den Spuk eine wie mit Leichentüchern ausgeschlagene Bühne, von der eine riesige, sich oft in gefährlicher Schräge aufstellende Bettstatt aufragt. Entscheidend zur Gesamtwirkung der Produktion tragen die Kostüme von Katharina Gault bei. Macbeth steht wortwörtlich verstanden in Unterhosen da, die Gemahlin legt sich auch garderobenmäßig eine Vamp-Attitüde zu, die allzu dick aufträgt, um nicht den Verdacht zu erwecken, darunter verberge sich ganz anderes. Die „Hexen“ in weißen Tutus muten mit leicht ironischer Note versehen höchst grazil an, in Smoking und Stahlhelm charmant-frech.

Wie szenisch, so ist der Abend auch musikalisch ein Treffer. Die Damen des Opernchors hat Jaume Miranda zu verlockend-boshaftem Gleißen und attraktiv-gefährlichem Zirpen inspiriert. Justus Thorau realisiert mit dem Saarländischen Staatsorchester Dusapins Partitur gleichermaßen analytisch scharfsinnig und sinnlich zupackend. Streicher und Orgel treiben ihr klanglich opulentes Unwesen. Peter Schöne steigert seinen Bariton für die Titelfigur im Laufe des Abends in den auftrumpfenden, aber vergeblichen Kampf gegen das Verhängnis. Die Lady misst bei Dshamilja Kaiser vokale Facetten aus, die von robustem Eros und handgreiflichem Verbrechen bis zu Irrsinn wie aus dem Lehrbuch und luzidem Wahn reichen. Hiroshi Matsui gibt den Ghost mit Stentorbass. Auch alle weiteren Partien sind höchst angemessen besetzt.

Michael Kaminski

„Macbeth Underworld“ (2019) // Oper von Pascal Dusapin

Infos und Termine zur Produktion auf der Website des Theaters

Gefühl contra Identität

Nürnberg / Staatstheater Nürnberg (April 2021)
Vera Nemirova inszeniert Kurzfassung von Künnekes „Vetter aus Dingsda“

Nürnberg / Staatstheater Nürnberg (April 2021)
Vera Nemirova inszeniert Kurzfassung von Künnekes „Vetter aus Dingsda“

„Wenn schon Krise, dann aber bitte mit Schmackes!“, galt schon 1921. Die Uraufführung von Eduard Künnekes Revue-Operette „Der Vetter aus Dingsda“ wurde zu Beginn der furchtbaren Inflation ein prompt mit „Dennoch!“ umjubelter Erfolg. Damit ist die derzeitige Covid-Krise noch nicht zu vergleichen. Aber das Staatstheater Nürnberg mag sich gesagt haben, gegen den anschwellenden Unmut „einfach mal unterhaltsame Albernheiten zu setzen“, und bietet eine pausenlose Kurzfassung als Stream an.

Weil das theatralisch Leichte bekanntermaßen das wirklich Schwere ist, muss ein Team ran, das Handwerk und Ziel vereinen kann. Die sich sonst mit Opern-Schwergewichten befassende Vera Nemirova wurde mit der Regie betraut. Und da sie seit Jahren symbiotisch stets mit ihrer Mutter Sonja inszeniert, wurde diese gleich mitengagiert. Das Produktionsteam kürzte den Dreiakter auf pausenlose 90 Minuten, straffte und modernisierte die kurzen Dialogteile zwischen den schlager-populär gewordenen Musiknummern vom „armen Wandergesell“, dem Lied an den „Strahlenden Mond“ bis hin zu den „Sieben Jahren in Batavia“. Was 1921 in der Kolonie-enteigneten Weimarer Republik noch zu dem Wortwitz taugte, dass dieser vor Jahren nach „Ba…Ba…Batta… äh, eben nach Dingsda“ ausgewanderte Roderich hoffentlich verschollen bleibe. Die reiche Erbin Julia liebt ihn aber noch immer (jetzt per täglicher SMS), leider nur ohne Antwort. Das lässt die geldgierigen Vormünder „Tante und Onkel“ Josse und Wimpel hoffen und vorläufig in sich hineinfressen, was nur geht. Julias gerade für volljährig erklärtes und sehnsüchtig glühendes Herz entflammt jedoch für den hereinschneienden Augustin. Es folgen allerlei Verwicklungen, in denen Gefühle und Identitäten durcheinanderwirbeln: Romeo und Julia grüßen mit Shakespeare-Zitaten, der echte Roderich taucht als längst anderweitig orientierter Weltenbummler auf und „wie im Märchen“ kriegen sich Julia und Augustin. Deren resolute Freundin Hannchen nimmt derweil Roderich – und wer nicht weiterweiß, soll „nach Batavia“ …

Mit ihrer vertrauten Ausstatterin Pavlina Eusterhus verlegt Regisseurin Nemirova die Handlung in ein zeitlos-heutiges Einheitsbühnenbild. Mit ein paar Garten- und Liegestühlen deutet sie wechselnde Schauplätze an. Bis hin zu Julias „Wolkenkuckucksheim“: ein halbhoch gelegenes Gewächshaus, wo neben Grünzeug eben auch ihre „Liebe“ blühen kann und der Mond gleich nebenan als Lampion leuchtet. Dem Schmiss von Musik und Revue-Operette folgend, führt Nemirova eine temporeiche Personenregie.

Lutz de Veer dreht mit der auf Abstand sitzenden Staatsphilharmonie Nürnberg wiederholt sprudelnd auf. Das setzt ein engagiert mitgehendes Ensemble um, von Onkel und Tante (Taras Konoshchenko und Franziska Kern), dem resoluten Hannchen von Paula Meisinger und guten Nebenfiguren bis zu dem jugendlich lockeren Augustin-Tenor von Martin Platz sowie dem ihn süß überstrahlenden Julia-Sopran von Andromahi Raptis. Verwechslungsreiche Situationskomik, immer mal Wortwitz, augenzwinkernd als irre Realität servierte Unwahrscheinlichkeiten, frech entlarvtes, unausrottbar Allzumenschliches und all das in sofort eingängigen Melodien: Fern der „Kreisch-Brüll-Schenkelklopf“-Unterhaltung in den Massenmedien beweisen diese oft erst als Gebrauchsware produzierten, aber eben aufgrund ihrer Qualitäten zu „Klassikern“ gewordenen Werke theatralische Lebendigkeit. Erst recht in unlustigen Zeiten.

Wolf-Dieter Peter

„Der Vetter aus Dingsda“ (1921) // Operette von Eduard Künneke

Die Inszenierung wird am 7. Mai 2021 um 19.30 Uhr wieder als Stream über die Website des Theaters abrufbar sein; weitere Termine sollen folgen.

Liebe auf Distanz

Duisburg / Deutsche Oper am Rhein (April 2021)
Boris Blachers „Romeo und Julia“

Duisburg / Deutsche Oper am Rhein (April 2021)
Boris Blachers „Romeo und Julia“

Ihre Hände berühren sich nur beinahe. Umrunden einander, formen einen Raum zwischen sich, den sie nicht überwinden können, und strecken sich bis ins letzte Fingerglied, an wiederum sehnsüchtig ausgerenkten Armen – aber nicht einmal die Fingerkuppen küssen sich. So gebärdet sich die Liebesgeste des Grenzen sprengen(-wollen)den Paares Romeo und Julia auf der Bühne der Deutschen Oper am Rhein. Distanz ist der prägende Gestus in dieser Inszenierung von Manuel Schmitt auf Boris Blachers Kammeroper der Shakespeare-Tragödie.

Es ist der Beinahe-Moment, der Zerrissenheitsraum, kreiert von visueller und musikalischer Distanz, der die Spannung erzeugt, um für eine Stunde an den Stream bei OperaVision gefesselt zu sein. Distanzierte Musik ist wohl jene, deren Emotionen einen nicht opern-italienisch überrollen, sondern diese mit ihren speziellen intellektuellen und strukturellen Mitteln zwar überzeugend ausformt, sie aber eher bei den Charakteren belässt. So ist es bei Blacher.

Während sich dessen Werk durch seine starke inhaltliche Reduktion vom Shakespeare’schen Original entfernt und sich dabei auf die Liebenden fokussiert, wendet sich Regisseur Manuel Schmitt wiederum eher von diesen ab und stattdessen hin zu den gesellschaftlichen Umständen der Handlung. Diesen Blickwinkel verdeutlicht er mit der Bühneneinteilung (Heike Scheele): Julia ist die ganze tragische Stunde in eine tiefergelegte, karge Ebene eingelassen. Der achtköpfige Chor steht erhöht, darf mit Requisiten und miteinander interagieren; auch die Handlung liegt maßgeblich bei ihm. Das Spiel mit den Ebenen und ihren einhergehenden Distanzen ist intellektuell und schmackhaft.

Damit auch die Unterhaltung in dieser Distanzqual nicht zu kurz kommt, schreibt Blacher die Figur der Chansonnier*e, die das Spiel immer wieder kommentierend unterbricht und die Szene zeitweise in die Theater-im-Theater-Idee schubst. Da rutschen einem die trauernden Stirnfalten schon mal in ein amüsiertes Schmunzeln, wenn Spieltenor Florian Simson in Frauenkostümen über die Bühne tänzelt. Er gestaltet seine Rolle absolut fabulös unterhaltsam aus. Ein Grad des Schauspiels, den man nicht bei allen Beteiligten beglückwünschen kann.

Musikalisch wurde gerade vom Chor ganze Arbeit geleistet. Die zahlreichen a-cappella-Akkord-Kumulationen, die nicht selten von unharmonischen Einwürfen erschüttert sind, stapeln sich ziemlich ordentlich auf- und nebeneinander. In dieses Lob kann man das kleine Orchester mit einreihen. Die Komposition bietet kaum lyrische Phrasen, an denen es sich entlanghangeln könnte; stattdessen zeugt sie von der Mathematik, die der Komponist vor seiner musikalischen Ausbildung studierte. Dirigent Christoph Stöcker bringt diese komplexe Musik mit seinen neun Musikerinnen und Musikern auf den Punkt. Obwohl der inszenatorische Fokus nicht auf Romeo und Julia liegt, sind sie musikalisch immer wieder ein Nähe-Moment. Lavinia Dames und Jussi Myllys haben schon bei Anno Schreiers „Schade, dass sie eine Hure war“ bewiesen, was für ein mitreißendes Liebespaar sie sein können und wie bereichernd sich ihre beiden ziemlich speziellen Klangfarben miteinander vermischen.

Insgesamt passiert nicht wirklich viel in dieser kurzen Stunde Kammeroper. Aber das was passiert, in minimal und eher monochrom, das bringt opernhafte Emotionen. Und die tun tragisch gut. 

Maike Graf

„Romeo und Julia“ (1943) // Kammeroper von Boris Blacher

Die Inszenierung ist als Stream bis 17. Oktober 2021 kostenfrei über die Plattform OperaVision abrufbar.

Vokaler „Karfreitagszauber“

Wien / Wiener Staatsoper (April 2021)
Wagners „Parsifal“ mit Traum-Ensemble

Wien / Wiener Staatsoper (April 2021)
Wagners „Parsifal“ mit Traum-Ensemble

Musikalisch kann man Richard Wagners Spätwerk „Parsifal“ (Uraufführung 1882) derzeit wohl nicht besser besetzen: Die lettische Mezzosopranistin Elīna Garanča entschied sich für die Wiener Staatsoper, um den seit Jahren angekündigten „Fachwechsel“ zu wagen. Das Ergebnis ist schlichtweg sensationell: Ihre Kundry ist je nach Bedarf lyrisch oder dramatisch, wechselt zwischen Belcanto-Samt und strahlenden Spitzentönen, agiert voller Spielfreude. Ein phantastisches Resultat – Amneris und Ortrud lassen grüßen! Auch Ludovic Tézier debütiert eindrucksvoll als Amfortas, Jonas Kaufmann sang zuvor erst einmal in Wien den „reinen Toren“ und ist in vokaler Höchstform – und Georg Zeppenfeld, Wolfgang Koch und Stefan Cerny komplettieren dieses „Traum-Ensemble“ als Gurnemanz, Klingsor und Titurel. Garanten für das hohe Niveau sind auch das Orchester und der Chor der Wiener Staatsoper unter dem ambitionierten Musikdirektor Philippe Jordan.

Pandemiebedingt findet „Parsifal“ zwar ohne Publikum statt. Regie und Ausstattung des russischen Dissidenten Kirill Serebrennikov, der trotz Ausreiseverbot vom Computer von Moskau aus agierte, werden jedoch hitzige Diskussionen auslösen. Der Allround-Künstler (Theater, Film, Oper) aktualisiert das „Bühnenweihfestspiel“ „auf Teufel komm raus“. Montsalvat ist ein südfranzösisches Gefängnis für „schwere Burschen“, Kundry fotografiert für ein Modemagazin (Blumen-Models), Amfortas kämpft erfolglos gegen die herrschenden Zustände. Und dann kommt es zu einem dramaturgischen Kniff, der das Pro und Contra zur Regie noch weiter anheizt: Parsifal wird doppelt dargeboten. Der Tenor (Jonas Kaufmann) wird durch sein um mindestens 20 Jahre jüngeres und stummes Double (Nikolay Sidorenko) ergänzt. Das wirkt so lange überflüssig, bis es zur Schlüsselszene – der misslungenen Verführung im zweiten Akt – kommt. Dann beginnt man das Konzept zu mögen – oder aber die Ablehnung wird noch größer! Der Rezensent gehört ersterer Gruppe an. Denn nach der vor Leidenschaft vibrierenden Kuss-Szene gibt es noch mehrere Episoden, die unter die Haut gehen: etwa die Herzeleide-Erzählung über Parsifals Mutter – da kommen auch noch die Großmütter hinzu und erinnern an die ewige Wiederkehr der Welt. Oder die Karfreitags-Szene, in der sich die Frauen der Gefangenen um Parsifal versammeln und Kerzen und Blumen bringen. Besonders eindrucksvoll: das Öffnen der Gefängnistüren und das einströmende Licht der Hoffnung. Alles in allem hätte man unter den aktuellen Rahmenbedingungen nicht mehr erreichen können.

Peter Dusek

„Parsifal“ (1882) // Bühnenweihfestspiel von Richard Wagner

Die Inszenierung ist als Stream bis 17. Juli 2021 kostenfrei über ARTE concert verfügbar.

Manege frei!

Heidelberg / Theater Heidelberg (April 2021)
„Lulu“ als packende Livestream-Premiere

Heidelberg / Theater Heidelberg (April 2021)
„Lulu“ als packende Livestream-Premiere

Alban Bergs „Lulu“ umweht die besondere Aura des Unvollendeten. Nach Friedrich Cerhas Komplettierung des dritten Aktes 1979 ist die Entscheidung für die zweiaktige Fassung ein Statement. Deren Gesamtbearbeitung für Soli und Kammerorchester durch Eberhard Kloke kommt obendrein den pandemiebedingten Restriktionen entgegen. In der Regie von Axel Vornam und unter der musikalischen Leitung von Generalmusikdirektor Elias Grandy war diese Fassung jetzt als einmalige Streaming-Premiere zu erleben und wurde als digitale Preview für die noch nicht zu terminierende analoge Premiere deklariert.

Für den Bildschirm wechselt die Kameraführung in angemessener Frequenz zwischen der Totale des Einheitsbühnenbildes und den Naheinstellungen der Protagonisten. Das Manegen-artige Halbrund von Tom Muschs Bühne mit vier Drehtürelementen erweist sich als praktisch und im Handumdrehen wandelbar für alle Schauplätze, angereichert mit einem roten Riesensofa und Ausschnitten aus dem Porträt Lulus. Manchmal schaut einer der Protagonisten von oben über den Rand auf die Szene. Ganz so, als würde er in einem Terrarium Laborratten beobachten. Die fantasievoll ausschweifenden und bei passender Gelegenheit jede Menge nackte Haut zeigenden Kostüme von Cornelia Kraske verfremden Lulu und die Männer (und die Frau) um sie herum tatsächlich ein Stück in Richtung einer leichten Stilisierung.

Insgesamt erzählt Vornam die Geschichte unaufgeregt gradlinig. Das ermöglicht insbesondere der betörend lyrischen Jenifer Lary, alle Facetten einer schillernden Lulu auszuspielen. Sie ist kapriziös, offensiv verführerisch, skrupellos und dennoch einsam. Der sonore James Homann ist als Dr. Schön der sozusagen seriöse Fels in den Brandungen ihres bewegten Lebens, während Corby Welch dieser Frau als Alwa nicht mal ansatzweise etwas entgegensetzen könnte. Auf der anderen Seite nützen João Terleira als Maler und Ipča Ramanović als Tierbändiger offensiv zur Schau gestellte virile Attraktivität ebenso wenig, wie Gräfin Geschwitz die hochkonzentrierte Präsenz der Andersartigkeit, mit der Zlata Khershberg sie ausstattet. Lulu scheitert schließlich an sich selbst und an den Erwartungen, die die Männer, die die Welt beherrschen, an eigenen verkorksten Frauenbildern auf sie projizieren.

Am Ende entschwindet dieses (Alb-)Traumbild Frau fast wie unbemerkt. Und ein spannender Opernabend aus einem Guss am Bildschirm macht Lust aufs analoge Original im Theater Heidelberg. 

Roberto Becker

„Lulu“ (1937) // Opernfragment von Alban Berg; zweiaktige Fassung in einer Gesamtbearbeitung von Eberhard Kloke für Soli und Kammerorchester