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Beiträge 2022/04

Konzerthaus am Abgrund

Interview mit Dr. Wolfgang Heubisch

Interview mit Dr. Wolfgang Heubisch

In München steht ein Hofbräuhaus – und eben kein Konzerthaus, wenn es nach den neuesten Plänen der Bayerischen Staatsregierung geht. Eine plötzliche Kehrtwende mitten in laufender Planung. Zukunftsvision: Fehlanzeige

von Iris Steiner

Ein „Langzeitprojekt für kommende Generationen“ sollte es werden und das weltweit erste Konzerthaus mit vollkommener Ausrichtung auf das Zeitalter der Digitalisierung. Ein Haus der Musik und der Musikvermittlung, darüber hinaus kreativer Gestaltungsort für innovative Kunstformen. Noch Mitte 2021 seitens der Bayerischen Staatsregierung als „Jahrhundertprojekt“ gefeiert und vom Bayerischen Landtag abgesegnet, macht Ministerpräsident Söder jetzt einmal mehr das, was er am liebsten tut: einen medienwirksamen Alleingang ohne Vorankündigung. Ist diese von oben verordnete Denkpause denn wirklich nötig? Wäre es nicht eher ein Fall für den Bayerischen Obersten Rechnungshof, wenn leichtfertig Millionen für Planung und Erbpacht bewilligt wurden? Nicht nur die eigens gegründete „Stiftung Neues ­Konzerthaus München“ läuft Sturm, auch die Opposi­tion im Bayerischen Landtag will das so nicht stehen lassen. Wir fragen den kulturpolitischen Sprecher der FDP im Bayerischen Landtag und Kunstminister a.D., Herrn Dr. Wolfgang Heubisch.


Dr. Wolfgang Heubisch (Foto FDP-Fraktion im Bayerischen Landtag)

Warum spricht Ministerpräsident Söder in der Öffentlichkeit ausschließlich von einem Konzertsaal, obwohl es sich um ein ganzes Konzerthaus mit eigener künstlerischer Konzeption handelt? Übrigens hat er noch im Juni 2020 selbst genau damit argumentiert …
In der Vergangenheit wurde das umfassende Gesamtkonzept selbst in der öffentlichen Diskussion leider etwas flapsig oft auf den großen Saal reduziert – wir reden aber von einem Haus mit drei Sälen. Entweder hat das selbst der Ministerpräsident bisher noch nicht ganz verstanden, oder er bedient sich bewusst dieser irreführenden Rhetorik. Erwartungsgemäß bekam er viel (mediale) Zustimmung bei seinem Vorstoß, derartig hohe Ausgaben für einen Orchester-Konzertsaal in der heutigen Zeit infrage zu stellen. Dass er andere wichtige – vielleicht sogar die entscheidenden – Funktionen des Hauses nicht einmal erwähnt, macht im Sinne seiner Argumentation natürlich Sinn. Den vergleichsweise geringen Anteil von Konzertbesuchern in der Bevölkerung zu vernachlässigen, bringt wenig Nachteile im Hinblick auf die Landtagswahlen. Schwieriger würde es dann schon bei den Folgen öffentlichen Opponierens gegen eine bayernweit einzigartige, zukunftsweisende Bildungsstätte, die das Konzerthaus ja auch ist. Es macht also taktisch Sinn, diesen Aspekt aus der öffentlichen Debatte möglichst herauszuhalten.

Im Juli 2021 hat der Bayerische Landtag mitten in der Pandemie einvernehmlich beschlossen, die Planung des Konzerthauses fortzusetzen. Wieso argumentiert Ministerpräsident Söder neuerdings, dass die Quasi-Absage eine Reaktion auf die veränderte Situation infolge der Pandemie ist?
Ich halte das für eine Hilfsbegründung, um seine Grundthese zu stützen. Selbst in der Hochphase der Pandemie sprach man an offiziellen Stellen des Kunstministeriums immer von einem „absoluten Superprojekt“. Zeitlich passt die Begründung überhaupt nicht, das sehen Sie völlig richtig. Die hat er sich wohl ausgedacht – und dann gleich den neu installierten Kunstminister Blume zur weiteren Abarbeitung in seinem Sinne vorgeschoben.

Trotzdem wird offensichtlich unverändert weiter geplant, 36 Millionen Euro sind bereits ausgegeben und noch immer arbeiten etwa 100 Menschen am Projekt Konzerthaus – Fachplaner, Akustiker und Raum­klimaspezialisten. Und dass, obwohl es quasi schon „beerdigt“ ist. Wie würden Sie das nennen, wenn nicht „Steuergeldverschwendung“?
Das wüsste ich auch gerne. Vor allem wäre interessant, was diese „Zeit zum Nachdenken“ genau bedeutet, von der Söder immer spricht. Auf jeden Fall eine ganz enorme Kostensteigerung. Ich kann nur spekulieren, dass es sich möglicherweise um bewusstes Verzögern und geplantes Beerdigen direkt nach der Landtagswahl 2023 handelt. Denn wenn ein neuer Kunstminister als erste Amtshandlung eine derartig deutlich ablehnende Aussage macht, wie Markus Blume das in dieser Sache getan hat, ist es zweifellos der thematische Supergau. Ich wüsste auch nicht, wie ein von Fachleuten entwickeltes Zukunftskonzept aus optimaler Musikdarstellung, diversen Studiengängen und kultureller Bildung durch „Nachdenken“ seitens der Staatsregierung verbessert werden könnte. Keine Ahnung, auf welche göttlichen Eingebungen man da wartet.

Sie hatten es bereits angesprochen, Ministerpräsident Söder hat vor Kurzem ausgerechnet die Bau­ministerin und den Kultusminister in seinem Kabinett ausgetauscht, drei Wochen später dann öffentlich vom größten Kulturbauprojekt Bayerns Abstand genommen. Sehen Sie da einen Zusammenhang?
Ich will das nicht ganz ausschließen, weiß aber auch, dass er das Projekt in dieser Art bereits früher infrage gestellt und erneut geprüft haben wollte. Kunstminister Sibler war im Gegenzug immer ein großer Befürworter und sprach von einem „Jahrhundertprojekt“. Die eigentliche Kommunikationskatastrophe dieser kompletten Meinungsumkehr hat Söder dem Nachfolger überlassen und einen Tag später selbst in einem Zeitungsinterview begründet.

Es gab vor Kurzem die populistisch inszenierte Aussage Söders, dass der Bau am Ende eine Milliarde Euro kosten wird, prognostiziert und belegt wurden im vergangenen Jahr allerdings 580 Millionen. Wie begründet der Ministerpräsident diese derartige Kosten­explosion in so kurzer Zeit – und wie belegt er seine Zahl?
Söder denkt in medialen Aufschlägen. Er weiß, wenn er mit einer Milliarde Euro Kosten für einen Konzertsaal argumentiert, wird das eine prominente Meldung. Er versucht, mit einem Satz zu sagen, dass ihm das alles viel zu teuer ist. Der Verweis auf die Kostenexplosion beim Bau der Hamburger Elbphilharmonie hinkt in diesem Zusammenhang übrigens sehr. Die Hamburger haben zwar steigende Kosten ebenfalls scharf diskutiert, trotzdem immer wieder aufgestockt und damit genau den Kommunikationsschock verhindert, den Söder hier fast schon provoziert. Und schauen Sie doch mal, die „Elphi“ wurde bereits nach kurzer Zeit ein Wahrzeichen Hamburgs, Publikumsmagnet und ein wirtschaftlicher Erfolg. Man hat die Öffentlichkeit über alle Schwierigkeiten informiert und positiv in die Zukunft argumentiert – weil man das Gebäude wollte. Das ist der Unterschied. Ab und zu wird zwar auch bei uns verschiedentlich darauf hingewiesen, dass die genannte Milliarde völlig aus der Luft gegriffen sei. Aber so richtig „platzieren“ lässt sich das Thema nicht. Ich persönlich halte das Vorgehen des Ministerpräsidenten in diesem Fall für höchst unseriös. Ich befürchte, dass es negative Folgen hinsichtlich der gesellschaftlichen Akzeptanz von Großprojekten – nicht nur kultureller Art – haben wird: bei Initiatoren, in der Bevölkerung, bei privaten Förderern und Freundeskreisen, bei Sponsoren und im bürgerschaftlichen Engagement.

Bleiben wir noch ein wenig bei Söders medialer Strategie. Er spricht durchwegs von einem „Konzert­tempel“ – und müsste eigentlich wissen, dass es das genau nicht ist, sondern ein niederschwelliges Konzept mit Schwerpunkt auf Bildung und zukunfts­weisender Digitalisierung.
Es wurde in einigen Medien und auch von uns in der Opposition immer wieder darauf hingewiesen, dass diese Darstellung zumindest unvollständig ist. Leider war die Resonanz in der Bevölkerung schwach und auch die Medien behandeln Kulturthemen recht stiefmütterlich. Der Begriff „Kulturtempel“ ist hier gleichzeitig populistisch und kontraproduktiv, klingt unterschwellig elitär und versnobt. Söder setzt noch einen drauf und formuliert neuerdings dauernd, dass er sich „in der Leberkäs-­Etage“ befindet – was auch immer das bedeutet – anstatt transparent und ehrlich den (manchmal leider kostspieligen) Wert von Kultur für uns alle zu formulieren. Auch der neue Konzertsaal in Nürnberg fiel übrigens diversen Einspar-Argumenten zum Opfer. Man sieht deutlich, dass Kulturprojekte ganz klar nicht ­Söders Schwerpunkt sind, viel lieber benutzt er Begriffe wie „Hightech Agenda“. Ich würde auch das voll unterstützen. Nur: So einseitig darf man nicht denken. Und bei Kunstminister Blume fehlt mir bis heute ebenfalls der Nachweis, dass er die Kultur als Wert für unsere Gesellschaft schätzt. In dem Punkt etabliert er sich eher als Lautsprecher seines Herrn.

So sollte es aussehen, das Münchner Konzerthaus auf dem ehenmaligen Pfanni-Gelände im Osten der Stadt (Foto Renderings Bloomimages für Cukrowicz Nachbaur Architekten ZT GmbH)

Bei dem Grundstück, auf dem das Konzerthaus gebaut werden soll, handelt es sich um einen Erbpachtvertrag mit einer Mindestlaufzeit von 88 Jahren und 600.000 Euro jährlichen Mietkosten. Darüber hinaus besteht die vertragliche Verpflichtung zum Bau eines Konzerthauses. Beschlossen übrigens unter Leitung des damaligen Finanzministers Söder …
Aufgrund des Index-Mietvertrages sprechen wir heute schon von fast 700.000 Euro und ja, auch die Nutzung als Standort für das Konzerthaus ist Vertragsbestandteil. Wenn das jetzt nicht kommen sollte, wird man dem Grundstückseigentümer an anderer Stelle entgegenkommen müssen oder freiwillig einen Aufpreis für eine mögliche Umnutzung bezahlen. Es handelt sich um einen sehr vermieterfreundlichen Vertrag, die Komplettaufgabe des Projektes auf diesem Grundstück hat ganz sicher die eine oder andere kostenintensive Konsequenz.

Die Stadt München war nie begeistert vom Standort auf dem ehemaligen Pfanni-Gelände im Osten. Erwartungsgemäß ruhig verhält sich der Münchner (SPD)- Oberbürgermeister Reiter. Halten Sie den Vorschlag, die Interimsspielstätte Isarphilharmonie länger als vorgesehen zu nutzen, für eine gute Idee?
Schon unter Seehofer hat man versucht, eine gemeinsame Lösung mit der Stadt München zu finden, die den sanierungsbedürftigen Münchner Gasteig mit einbezieht. Diese Gespräche wurden mit der Begründung abgebrochen, dass zwei so unterschiedliche Orchester wie das des Bayerischen Rundfunks und die Münchner ­Philharmoniker nicht gleichberechtigt in einem Saal unterzubringen sind. Allerdings hat die Stadt ­München bis heute keinen Investor für den notwendigen Gasteig-­Umbau gefunden. Daher kommt die Situation fast schon gelegen, da man möglicherweise den Freistaat jetzt doch wieder zu Kooperationsgesprächen bewegen kann. Es ist überflüssig zu erwähnen, dass ein Konzept wie das des neuen Konzerthauses nicht in den Gasteig installiert werden kann, bei dieser Lösung geht es dann wirklich nur um den gesuchten Orchester-Spielort. Ein komplett anderer, viel kleinerer Ansatz, der aber im Zuge des Umbaus übrigens auch mindestens 450 Millionen Euro kosten würde. Was die Isarphilharmonie betrifft: So wunderbar und charmant dieses Konzept jetzt für das Interim ist, auch dort müsste man für eine längerfristige Nutzung deutlich Geld in die Hand nehmen. Es gibt weder ordentliche Künstlergarderoben noch eine ausreichende Toiletten- und Pausensituation. Und wir sprechen übrigens wieder nur über einen Saal. Noch dazu einen, dessen Bühne zu klein für Mahler oder Strauss ist. Aber ob das Herrn Söder interessiert?

Wie stehen Sie zu dem berechtigten Einwand, dass in der Stadt München die Einwohnerzahlen seit Jahren steigen, während die Sitzplatzkapazitäten der Kultureinrichtungen stagnieren?
Dieses Argument habe ich selbst im Landtag eingebracht, nachdem Söder sich vom Konzerthausplan in der ursprünglichen Form offensichtlich verabschiedet hat. Wir vergessen total, dass die Bevölkerung in München und darüber hinaus konstant wächst und es schon deshalb ein größeres Angebot braucht. Was ich auch nicht verstehe: Unser Ministerpräsident schwärmt zwar permanent von Künstlicher Intelligenz und Quantentechnologie, lässt diese sehr nachvollziehbaren Argumente hinsichtlich einer zukunftsfähigen Kulturinstitution aber überhaupt nicht gelten – geschweige denn, dass er sie argumentativ nutzt. Bayern ist laut seiner Verfassung Kulturstaat. Kultur ist weit mehr als systemrelevant. Gerade in einer Zeit, in der sich sicher geglaubte Gewissheiten in Rauch auflösen und kulturelle Identitäten bedroht werden, brauchen wir den völkerverbindenden Dialog und kulturellen Diskurs mehr denn je. Dieser Austausch – weit über München und Bayern hinaus – ist eine Chance des neuen Konzerthauses.

Dieser Artikel ist eine Leseprobe aus unserer Ausgabe Juli/August 2022

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Die Buchmann-Mehta School of Music in Tel Aviv

Die Buchmann-Mehta School of Music in Tel Aviv

von Tobias Hell

Es ist eine Symbiose, wie man sie so nur selten erlebt. Denn während in den meisten europäischen Musikzentren Studierende nach ihrem Hochschulabschluss auf Vorspiele oder einen der begehrten Plätze in den Akademien der Spitzenorchester hoffen, bekommen junge Musikerinnen und Musiker in Tel Aviv schon früh einen Einblick ins spätere Berufsleben. Möglich wird dies durch die Arbeit der Buchmann-­Mehta School of ­Music (BMSM), die 2005 durch den Zusammenschluss der Universität von Tel Aviv mit dem Nachwuchsprogramm des Israel Philharmonic ­Orchestra (IPO) entstand. Zwei weltberühmte Institutionen, verknüpft durch zwei nicht minder bekannte Namen, die man auf dem Campus bis heute in Ehren hält. Der Frankfurter Geschäftsmann und Holocaust-Überlebende Josef ­Buchmann und seine Frau Bareket, Mäzene auch zahlreicher anderer wohltätiger Projekte, zählen schon lange zu den Förderern des ­Israel Philharmonic Orchestra und schafften es auch, den langjährigen Chefdirigenten des Ensembles, Zubin Mehta, mit ins Boot holen. Der ließ sich sofort für die Kooperation ­begeistern und trat als neuer Ehrenpräsident der BMSM das Erbe solch prominenter Vorgänger wie Arnold Schönberg und ­Leonard Bernstein an.

Nach diesen Titanen startet inzwischen aber auch eine junge Generation israelischer Musikerinnen und Musiker von Tel Aviv aus zur großen internationalen Karriere. Jüngstes Beispiel ist hier unter anderem der frisch gekürte Chef des Israel Philharmonic ­Orchestra, Lahav Shani, der seine Ausbildung ebenfalls an der Buchmann-Mehta School of Music erhielt und es sich genau wie sein Vorgänger nicht nehmen lässt, seine Erfahrungen nun selbst an die junge Garde weiterzugeben. Gekrönt mit dem alljährlichen Konzert des Schulorchesters im Charles Bronfman Auditorium, dem Stammquartier des IPO.

Dass mit Lahav Shani und seinem Kollegen Dan Ettinger an der benachbarten Israeli Opera erstmals in der jungen Geschichte des Landes zwei der bedeutendsten Musik-­Institutionen Israels von einheimischen Dirigenten geleitet werden, ist eine Tatsache, deren volle Tragweite dem Publikum der pulsierenden Mittelmeer-Metropole zum Teil noch bewusst werden muss. Für die Verantwortlichen der Buchmann-Mehta School of ­Music ist es allerdings jetzt schon eine Bestätigung für die hohe Qualität der Ausbildung. Finden sich doch auch an den Pulten des IPO zahlreiche Alumni der BMSM.

Sportlich-freundschaftlicher Projekt-Alltag (Foto Yoel Levy)

Tradition und Aufbruch

Die Wurzeln der Schule gehen dabei bis in die 1940er Jahre zurück, gegründet als Israel Academy of Music und später zu Ehren von Samuel Rubin umbenannt. Waren es in den Anfangsjahren noch Musikerpersönlichkeiten aus Russland oder Ungarn, die ihre Traditionen im neugegründeten Staat weiter pflegten, atmet der Campus inzwischen ein internationaleres Flair. Viele Mitglieder des IPO, die hier im Rahmen der Kooperation unterrichten, haben ihre eigene Ausbildung noch in Europa oder den USA ergänzt und neue Impulse mit nach Hause gebracht. Und natürlich gibt es bis heute regelmäßige Meisterkurse renommierter Dirigenten und Solisten.

„Nach Israel kommt man nicht nur für zwei Konzerte“, wie Pianist Tomer Lev erzählt, der 2005 zum ersten Leiter der neugegründeten Institution wurde und nach wie vor in der Klavierklasse aktiv ist. „Die Reise hierher ist aus bekannten Gründen oft etwas komplizierter. Und so bleiben viele Künstlerinnen und Künstler auch gerne mal gleich zwei oder drei Wochen. Sie treten mit dem IPO dann nicht nur in Tel Aviv, sondern auch in Jerusalem, Haifa oder Be’er Sheva auf. Und weil da meistens ein paar freie Tage dazwischen sind, fragen wir einfach immer an, ob sie nicht eventuell auch ein bisschen mit unseren Studierenden arbeiten wollen.“ Ein Angebot, das bislang kaum ein prominenter Gast abgelehnt hat.

Und so lässt sich auf dem Gang zu den Probenräumen eine eindrucksvolle Sammlung von Plakaten bestaunen. András Schiff, Yuja Wang, Murray Perahia und Pinchas Zukerman haben hier ebenso Meisterkurse gegeben wie Kammermusik-Guru Menahem Pressler. Aber auch Eva Mei, Marjana Lipovšek und Thomas Hampson. Ein Name, der besonders oft fällt, wenn man sich mit den Studierenden unterhält, ist aktuell neben Lahav ­Shani vor allem der von Alan Gilbert. Der Chefdirigent des NDR Elbphilharmonie Orchesters hat unter anderem auch bei Ori Ron großen Eindruck hinterlassen. „Es war unglaublich beeindruckend, wie er sich auf uns eingelassen hat. Es war nicht einfach nur ein Meisterkurs für die Dirigierklasse. Ich glaube, alle von uns konnten unglaublich viel von ihm mitnehmen.“ Im selben Gespräch erzählt der junge Cellist ebenfalls vom gerade absolvierten Jugendkonzert mit den Kollegen des IPO. „Gerade nach dem Kultur-Lockdown war es toll, wieder vor einem vollen Saal und so einem Publikum zu spielen.“

Freundschaftliche Konkurrenz in familiärer Atmosphäre

Auftritte mit dem Israel Philharmonic Orchestra stehen zwar regelmäßig auf dem Programm, müssen von den Studierenden aber hart erarbeitet werden. Denn vor jedem Einsatz mit den Profis steht ein hartes Probe­spiel, bei dem man sich gegen seine Studienkolleginnen und -kollegen durchsetzen muss. Ganz so, wie es später auch auf dem freien Markt der Fall sein wird. Wobei die von offizieller Seite gern betonte familiäre Atmo­sphäre auf dem Campus von den Studierenden und den Dozenten gleichermaßen bestätigt wird. So erzählt IPO-Oboist Dudu Carmel, dass tatsächlich einer seiner Schüler den schwer erkämpften Platz beim aktuellen Konzertprogramm großzügig der deutschen Stipendiatin Stella Heutling überließ. „Er meinte, sie wäre ja nur ein Jahr hier, während er wahrscheinlich noch öfter Gelegenheit haben wird. Das ist großzügig, aber eben auch selbstbewusst. Sicher gibt es durch das Vorspielen Konkurrenz, aber trotzdem respektiert man sich gegenseitig.“ Auch dies mag ein Grund dafür sein, dass sich auch immer mehr junge Musikerinnen und Musiker aus Europa, Amerika, Asien und sogar Australien für das Förderprogramm bewerben, um hier ein Jahr lang die reichhaltigen Angebote wahrzunehmen.

BMSM-Direktor Uri Rom und Sharon Rostorf-Zamir, die Leiterin der ­Opernklasse (Fotos Yoel Levy)

Selbst wenn die Kooperation mit dem Israel Philhar­monic Orchestra eines der großen Alleinstellungsmerkmale der Schule darstellt, behauptet sich daneben dennoch auch die Gesangsklasse überaus selbstbewusst. Unter Leitung von Sharon Rostorf-Zamir, die in Deutschland vor allem an der Oper Frankfurt oder bei den Händel-Festspielen Halle von sich reden machte, haben sich neben den Kammermusik-Aktivitäten und der Konzertreihe des Schulorchesters auch die Opernproduktionen der BMSM zum gar nicht mehr so geheimen Geheimtipp gewandelt.

So konnte man dank Förderung der International ­Music & Art Foundation hier zuletzt unter anderem Ravels „L’Enfant et les Sortilèges“ erleben, sowie eine auf historisch informierten Pfaden wandelnde Produktion von Händels „Acis and Galatea“, für die der neu ernannte BMSM-Direktor Uri Rom nicht nur selbst ans Dirigentenpult trat, sondern mit Geigerin Kati Debretzeni ebenfalls eine versierte Orginalklang-Spezialistin als Coach mit ins Boot holte. Ein gelungenes Experiment, nach dem vor allem das Barockrepertoire in Zukunft weiter gestärkt werden soll.

Und wer weiß, vielleicht begegnet man einigen der jungen Sängerinnen und Sänger ja bald auch auf einer europäischen Bühne wieder. So Mezzo Shahar Lavi, die nach ersten Schritten in Heidelberg nun zu den Publikumslieblingen des Nationaltheaters Mannheim zählt, oder BMSM-Absolventin Nofar Jacobi, die gerade mit dem ersten Preis bei der Rita Gorr Opera Competition in Gent ausgezeichnet wurde.

Dieser Artikel ist eine Leseprobe aus unserer Ausgabe Juli/August 2022

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