München / Staatstheater am Gärtnerplatz (Oktober 2025) Der neuen Figaro-Oper „Der tollste Tag“ fehlt die Innovation
Das Gärtnerplatztheater eröffnet die neue Saison mit einer Uraufführung – mehr oder weniger. Johanna Doderers Oper „Der tollste Tag“ ist eine Adaption von Peter Turrinis gleichnamigem Theaterstück, das wiederum Beaumarchais’ Komödie „La folle journée ou Le mariage de Figaro“ überschreibt, nach der schon Mozart und Da Ponte ihr Meisterwerk „Le nozze di Figaro“ fertigten. Die Prämisse ist spannend: Was, wenn es kein Happy End gibt? Wenn diese Komödie tatsächlich eine Tragödie ist, wie Turrinis Figaro ausruft?
Düster ist es auf jeden Fall. In Doderers von einem dunklen, vollen Orchesterklang geprägter Komposition schwebt von Anfang an eine Melancholie und Hoffnungslosigkeit mit, die anderen Figaro-Opern fehlt, wobei die Musik trotz Eduardo Brownes gekonntem Dirigat bisweilen in den Hintergrund rutscht. Turrinis Libretto ist härter, direkter als seine Vorlage, die zahlreichen sexuellen Anspielungen sind deutlich näher an der Oberfläche, ohne unangenehm zu werden.
Das war’s dann aber schon mit Innovation. „Der tollste Tag“ ist schlicht eine Nacherzählung von Beaumarchais’ Komödie, bis Figaro den Grafen tötet, als dieser Susanne vergewaltigen will. Danach könnte es noch richtig spannend werden, aber die Oper ist vorbei. Bazillus, der von Juan Carlos Falcón wunderbar schmierig gestaltete Hofintrigant, ruft noch müde die Revolution aus, die aber wohl auch keine Hoffnung hat, Figaro und Susanne fliehen. Mord ist also auch keine Lösung.
Susanne, noch bei Mozart mit die aktivste Figur, bleibt in „Der tollste Tag“ sehr auf die Opferrolle beschränkt. Bezeichnend, dass Regisseur Josef E. Köpplinger im Programmheft-Interview kaum ein Wort über sie verliert. Auch die Gräfin begehrt eher, als dass sie handelt. Das mag Absicht sein, Stichwort: Unterdrückung, überzeugt aber nicht – schade, sind die beiden Figuren mit Anna-Katharina Tonauer und Réka Kristóf doch exquisit besetzt! Handeln und Verhandeln darf vor allem Figaro, den Daniel Gutmann mit kernigem Bariton zum Leben erweckt. Den Grafen Almaviva singt Daniel Schliewa mit imposantem Heldentenor, Anna Agathonos ist souverän als Marcelline und Cherubin hier eine Sprechrolle. Paul Clementi gelingt es, die Figur jugendlich und gleichzeitig fast so unangenehm-übergriffig wie den Grafen zu spielen.
Intendant Köpplinger bringt die Hoffnungslosigkeit der Neuerzählung gemeinsam mit Ricarda Regina Ludigkeit gewohnt detailverliebt auf die Bühne. In den Fokus rückt er vor allem das körperliche Begehren der Figuren. Mehr als einmal befinden sich Darstellende in mindestens zweideutigen Positionen, im Mittelpunkt von Heiko Pfützners Bühnenbild steht ein schmutziges Bettgestell und der Graf absolviert seinen ersten Auftritt im ultraknappen Lederstring – anders als die Perücke des von Timos Sirlantzis überragend dargestellten Don Guzman di Stibizia mit eingebautem Safe kein Glanzstück der Kostümbildnerin Birte Wallbaum.
Die Frage, warum die Figaro-Geschichte unbedingt neu erzählt werden muss, bleibt unbeantwortet.
Adele Bernhard
„Der tollste Tag“ (2025) // Oper von Johanna Doderer (Musik) und Peter Turrini (Libretto)
Infos und Termine auf der Website des Staatstheaters am Gärtnerplatz
