Katzen-Fans, die sich ein Katzenvideo nach dem anderen reinziehen, gibt es nicht wenige. Sie müssten nun auch auf eine Oper scharf sein – auf Hans Werner Henzes „Die englische Katze“. Zumal diese sogar als Operette durchgehen kann. Ihr Humor ist ein schwarzer; und ihre Musik, nicht selten etwas gegen den Fellstrich gebürstet, spielt geboten mit dem nicht sonderlich lieblichen Begriff der „Katzenmusik“, jedenfalls dann, wenn Kätzin Minette und Kater Tom unfreiwillig das Zeitliche segnen – begleitet vom kläglichen Miauen aus dem Orchestergraben.

Die Story geht in Kürze so: Im London um 1900 hat sich der britische Katzen-Club KGSR, diese „Königliche Gesellschaft zum Schutz der Ratten“, auf die Fahnen geschrieben, keine Mäuse und Ratten zu verspeisen. Aus Menschlichkeit, quatsch, aus Katzlichkeit ist in den Statuten vegetarisches Leben verankert. Nur: Unter den Clubmitgliedern selbst bleibt man weniger achtsam. Kater Lord Puff reißt durch Katzenmord die KGSR-Präsidentschaft an sich – das zeigt in München die erste Szene drastisch –, und um der königlichen Gesellschaft Finanzmittel und Fortbestand zu sichern, wird final Tom gemeuchelt, derart verhindernd, dass er als plötzlich reichster Kater Englands sein Erbe antritt. Die Mäuse, quatsch, das Geld fließt nun der KGSR zu.

Das Ganze also ein Katzenkrimi – rund um eine Zweckheirat zwischen Lord Puff und Landkatze Minette einerseits und um eine Katzenliebe ohne Treuegarantie zwischen Minette und Tom andererseits. So lieb man zu Ratten, so giftig bleibt man untereinander. Nach Honoré de Balzac hat der Dramatiker Edward Bond eine Satire für Henze geschrieben, die das Hauen und Stechen der aristokratischen Upperclass aufs Korn nimmt. Viel Sarkasmus ist im Spiel – zur expressiven Partitur Henzes, die sich zwar traditioneller Formen bedient (Marsch, Choral, Walzer), aber auch Kompositionsverfahren des 20. Jahrhunderts bis hin zur Zwölftönigkeit nutzt.

Christiane Lutz hat das Werk – akustisch raumsprengend – für die Bayerische Staatsoper inszeniert. Zur agilen Musik Henzes gesellt sie ein quirliges Bühnenspiel ohne große künstlerische Überhöhung. Katzenverkleidung, Katzenmaske unterbleiben; doch immer mal wieder werden mit gespreizten Fingern die Krallen ausgefahren. Dabei pflegt Christian Andre Tabakoffs Bühnenbild zwischen Club-Lounge, Dachlandschaft, Ehebett und Notariat anschaulichen Realismus. Zu sehen sind verlogene Adlige, gemeint sind verlogene Menschen. Da müssen Minette, das Katzen-Landei, und Tom, der Waisenkater, zwangsläufig unter die Räder kommen.

Unter der gefährlich stark befeuernden Leitung von Katharina Wincor musiziert das Bayerische Staatsorchester notwendig reaktionsschnell; unter den Katzenprotagonisten, die nahezu alle aus dem Opernstudio der Staatsoper stammen, ragen Michael Butler mit metallischem Tenor als Lord Puff sowie Seonwoo Lee mit geläufigem hohem Sopran als Minette heraus. Der Abend hat Pfiff.

Rüdiger Heinze

„Die englische Katze“ (1983) // Eine Geschichte für Sänger und Instrumentalisten von Hans Werner Henze