Beethovens Rettungsoper ist in Wien traditionell tief verankert: Die Uraufführung fand hier ebenso statt wie Vorstellungen nach Kriegsende 1945 und zehn Jahre später natürlich die legendäre Eröffnung der Staatsoper nach Wiederaufbau des zerstörten Hauses am Ring. Nach 55 Jahren in der sagenhaften Schenk-Inszenierung lässt Hausdebütant Nikolaus Habjan zwei menschengroße Puppen die Handlung um Gattentreue, politische Häftlinge und deren Befreiung originalgetreu und mit viel Feingefühl (mit)erzählen.

Eine Puppe ist Fidelio, der sich mit falscher Identität als geschickter Fremder Marzelline zuwendet, den Arm um sie legt und unter Kerkermeister Rocco brav arbeitet. Daneben kämpft die Sängerin Leonore mit ihren Gefühlen wie Angst und Hoffnung mit großer Kraft und todesmutig um ihre Liebe. Die weitere Puppe stellt Florestan abgemagert und bleich nach zwei Jahren im dunklen Verlies dar, während der Sänger der Gatte ist, den Leonore in ihrer Erinnerung hat und den sie verloren glaubte. So zeigen die Menschen Seele, das Innere des Paares und ihre Alter Egos das, was nach außen zu sehen ist. Eine geglückte Interpretation, die auch vom Publikum sehr gut aufgenommen wird.

Das eher traditionelle Bühnenbild (Julius Theodor Semmelmann) zeigt eine graue Wand, die lautlos Fenster für die verschiedenen Bilder öffnet wie zum Beispiel das in orange gehaltene Wohnzimmer Roccos, wo die „Gold-Arie“ gesungen wird. Dabei schockt die Diskrepanz zwischen der präsentierten Biederkeit des Gefängniswärters und dem sogar im Kühlschrank und den Polsterüberzügen versteckten Schmuck, die er den Häftlingen „als Entschädigung für die harte Arbeit“ abgenommen hat und „den sie ohnehin nicht mehr brauchen“. Die gesprochenen Texte der Urfassung wurden gnadenlos von Paulus Hochgatterer zusammengestrichen, gelingen aber modern und werkgetreu. So zeigen sich auch der Gouverneur und der Minister als heutige Politiker, die sich gerne von einer Medienmeute fotografieren lassen. Zum überirdischen Finale öffnen sich die Wände und eine gewaltige Frauenstatue kann mit der edlen Leonore und dem geretteten Florestan euphorisch bejubelt werden.

Franz Welser-Möst am Dirigentenpult charakterisiert sensationell die Bühnenvorgänge und die menschlichen Seelenzustände mit prachtvollem Orchesterklang. In der Fassung von 1814 verwendet er die 3. „Leonore“-Ouvertüre (1806) vor dem Schlussbild mit enormer Intensität und spannungsgeladener Expressivität (DER Höhepunkt des Abends!) als hervorragendes Sprungbrett zum folgenden Jubel-Ensemble.

Malin Byströms Leonore verfügt über ein schönes Timbre und spielt ausdrucksstark, aber es fehlen zeitweise Kraft, vibrato-freie Höhe und saubere Intonierung. Sehr wortdeutlich und mit kraftvoller, heller Stimme kann David Butt Philip als Florestan dem Tod entrinnen, während sein Gegner Pizarro (Christopher Maltman) sehr stimmkräftig ist, aber noch brutaler agieren könnte. Kathrin Zukowski zeigt eine entzückende Marzelline, Daniel Jenz einen aggressiven Jaquino und Tareq Nazmi einen unauffälligen Rocco.

Susanne Lukas

„Fidelio“ (1805/14) // Oper von Ludwig van Beethoven, Textbearbeitung von Paulus Hochgatterer

Infos und Termine auf der Website der Wiener Staatsoper