Zu Beginn herrscht Trauer. Just zur Witwe geworden, sitzt die Glawari am Totenbett ihres verblichenen Gemahls, jenes Bankiers, den sie beerbt und ihm daher ihren phänomenalen Reichtum verdankt. Die Witwe nimmt Abschied, um zu neuen Ufern aufzubrechen, von Pontevedro nach Paris, wo sie im Umfeld der Botschaft ihres Heimatlandes durch einen betörend parfümierten Auftritt das Zentrum des gesellschaftlichen Lebens umstandslos okkupiert und zur Sensation schlechthin wird. Vergessen jene Panzerattrappe, die der Gesandte einer mehr oder minder geneigten Öffentlichkeit zum Beweis der Wehrhaftigkeit seines Miniaturstaates präsentiert hatte, auf dass sich der böse Feind totlache. Doch ist für Pontevedro ohnehin nichts mehr zu holen, außer eben den Glawari-Millionen. Umsonst, wie heftig sich der für die Akquise ausersehene Graf Danilo diesem Dienst am Vaterland verweigert. Weil die Witwe des Grafen zu ihrem Liebes- und Lebensglück unbedingt bedarf, zermürbt sie ihn bis in dessen völlige Erschöpfung hinein. Um ans Ziel zu gelangen, bietet die Multimillionärin an Strategie und List auf, was immer den pontevedrinischen Streitkräften als leuchtendes Vorbild dienen könnte. Final schnarcht der zur Strecke gebrachte Lebemann völlig erschöpft in ihren Armen.

Regisseur Otto Pichler serviert dies alles mit dem Sensorium für die Titelfigur als dank des ererbten Riesenvermögens souveräner Frau, die sich mit Durchblick, dem Herzen auf dem richtigen Fleck und schlagfertig holt, wen oder was sie braucht. Die in die Jahre gekommene Pracht des düsteren Marmorsaals, den Jan Freese auf die Bühne stellt, zeigt sich wandlungsfähig und praktikabel; eine Flugzeug-Gangway sorgt für effektvolle Auftritte. Das Paillettentalmi seiner Kostüme versieht Falk Bauer mit spöttischen Aperçus.

Auch musikalisch gewinnt diese „Witwe“. Francesco Damiani hat den Chor des Hauses solide und verlässlich einstudiert. Raffinement pur lässt Hye Ryung Lee mit dem Symphonischen Orchester des Landestheaters aus dem Graben steigen. Genüsslich musizieren Kapellmeisterin und Symphoniker aus, was Lehár an Impressionistischem bei Debussy und Klangmagie bei Richard Strauss entlehnt. Die Walzerseligkeit steht dem nicht nach und fesch wird es auch. Beständig sitzt Dirigentin und Orchester der Schalk im Nacken.

Emily Dorn ist eine hinreißende Glawari. Ob Divenglanz oder Diseusen-Attitüde, Dorn bringt mit famosem Augenaufschlag ihre Partie vokal und darstellerisch auf den Punkt. Todd Boyce gibt einen grundsympathischen Danilo, der rasch auf die baritonal elegante Linie einschwenkt. Die Valencienne von Penelope Kendros nimmt durch vokale Anmut für sich ein. Stephen Chambers ist Camille de Rossillon. Andreas Jören bietet für seinen Zeta reichlich Bonhommie auf. Jens Krause ist ein Prachtexemplar von Njegus.

Michael Kaminski

„Die lustige Witwe“ (1905) // Operette von Franz Lehár

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