Es ist ja nicht so, dass das vorweihnachtliche Flair russischer Märchenstoffe auf deutschen Opernbühnen nicht seinen Platz hätte. Aber ausgerechnet das Werk, das obendrein auch noch „Die Nacht vor Weihnachten“ heißt, kennt hierzulande kaum jemand. Das könnte sich jetzt ändern. Denn man kann sich kaum ein überzeugenderes Plädoyer für diesen 1895 uraufgeführten Vierakter von Nikolai Rimski-Korsakow zu dem von Nikolai Gogol inspirierten, selbstverfassten Libretto vorstellen, als die Inszenierung, die Christof Loy (Regie), Johannes Leiacker (Bühne) und Ursula Renzenbrink (Kostüme) jetzt in die Oper Frankfurt zaubern. Und die musikalisch mit der an diesem Haus üblichen Sorgfalt sowohl im Graben von Sebastian Weigle am Pult des Opern- und Museumsorchesters als auch von einem in den wichtigsten Rollen muttersprachlich bestückten Protagonisten-Ensemble umgesetzt wurde.

Wer mit Maske und Test zur 2G-Voraussetzung auf seinem Platz im nach Schachbrettmuster verkauften Saal angekommen ist, wird verzaubert. Vom ausufernden Märchen und der Komödie, von einer Luftakrobatik, wie man sie in dieser Qualität auch noch nicht gesehen hat, von einer packenden, süffigen Musik und von durchweg charismatischen Protagonisten. Das zentrale Liebespaar – die schöne Oksana (mit strahlender Höhe: Julia Muzychenko) und der Schmied Wakula (überzeugend: Georgy Vasiliev) – sind von einem Personaltableau umgeben, zu dem nicht nur die Dorfhonoratioren, der Teufel, eine Hexe und selbst die Zarin, sondern auch noch diverse Götter gehören. Den roten Faden durch die Turbulenzen der Geschichte liefert der Ausflug Wakulas an den Zarenhof (durch die Luft mit dem Teufel als Reisebegleiter), um dort ein Paar Schuhe der Herrscherin für Oksana zu ergattern, damit die ihn wie versprochen heiratet.

Viele Sympathien kann Enkelejda Shkoza mit vollem Einsatz der Hexe Solocha sichern. Wenn sie auf dem Besen reitet in der Show-Höhe, wenn sie ihre Freier gleich reihenweise in großen Säcken verschwinden lässt, auch auf dem Komödien-Boden und wenn sie kraftvoll singt sowieso.

Das Märchen hat natürlich auch einen satirischen doppelten Boden, dessen Einsichten Loy dezent mit vermittelt. Der Oper Frankfurt ist damit ein vorweihnachtlicher Coup gelungen, der ausgiebig bejubelt wurde.

Roberto Becker

„Ночь перед Рождеством“ („Die Nacht vor Weihnachten“) (1895) // Oper von Nikolai A. Rimski-Korsakow

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