Dieser Riccardo ist kein König Gustav III. von Schweden; und dieser Riccardo ist kein Gouverneur von Boston – wie sie alternativ in den zwei Fassungen von Verdis Oper „Un ballo in maschera“ hinterrücks ermordet werden. Dieser Riccardo in Augsburgs Neuinszenierung ist ein Künstler, ein Theatermacher, der selbstverliebt seine Lebensgeschichte auf die Bühne zu bringen trachtet und sich gerne dafür die Schwingen von Pegasus anschnallt. Zur Seite steht ihm Oscar als Regieassistent – und so eilen beide immer wieder hin und her zwischen Augsburgs Interimsbühne im martini-Park und dem mitten im Zuschauerraum belassenen Regiepult. Leben und Tod sind Kunst, sind große Oper. Da inszeniert sich ein Dramatiker und Theater-Protagonist selbst und verklärend: als einen guten, etwas diversen Menschen, als ein Opfer, als einen Märtyrer. Mal etwas divenhaft, mal etwas tuntig, mal etwas larmoyant, mal etwas kindlich. Vom Erhabenen zum Lächerlichen ist es mitunter nur ein kleiner Schritt … Im Finale, wenn er eigentlich mausetot ist, unser großer Bühnenkünstler, dann schwillt ihm noch einmal die Brust, dann reckt er noch einmal den Arm in die Höh’ – um den Sieger in Pose zu geben.

Das Ganze ist gewiss ein tragfähiger Grundgedanke für die frische szenische Interpretation einer Oper, in der Verkleidung (1. Akt), Verschleierung (2. Akt) und Maske (3. Akt) eine wichtige Rolle spielen. Doch des wirklichen Regisseurs Inszenierung – Roman Hovenbitzer sein Name – ist gefüllt mit noch mehr Ambition, was zumindest die ersten beiden Akte überfrachtet und unruhig, ablenkend ablaufen lässt. Zum Hin- und Herspringen zwischen Bühne und Regiepult kommen immer wieder Video-Einblendungen symbolischer, stimmungserläuternder, schriftlicher Natur (Bühne: Hermann Feuchter). Weniger davon wäre deutlich stringenter gewesen. Die Produktion verfängt sich im Visuellen und kann auch nicht das notwendige Maß an prägnanter Personenführung dagegensetzen. Schade.

Dass sie gleichzeitig – wiederum zumindest die ersten beiden Akten betreffend – orchestral auf halber Flamme köchelt, macht es nicht besser. Ja, doch, die Augsburger Philharmoniker spielen unter Domonkos Héja sauber, präzise, transparent, nahezu feinsinnig. Aber es mangelt gleichzeitig an Leidenschaft, an brio. Erst im dritten Akt kriegt die Wiedergabe szenisch und musikalisch Zug – auch vokal durch Max Jota als nun heldisch in die (Theater-)Geschichte eingehender Riccardo, auch durch Olena Sloia als Oscar mit ihrem schön zwielichtig blitzenden Koloratur-Sopran. Aber Shin Yeo als Renato schwächelt auch noch im dritten Akt in der Höhe unüberhörbar – während die reifste, durchgehend schönste Vokal-Gesamtleistung des Abends aus der immer noch leicht anspringenden Kehle von Sally du Randt (Amelia) ertönt.

Rüdiger Heinze

„Un ballo in maschera“ („Ein Maskenball“) (1859) // Melodramma von Giuseppe Verdi

Infos und Termine auf der Website des Staatstheaters Augsburg