„Menschen? Wozu?“ Das fragen sich die Götter in Johann Christian Bachs (1735-1782) am Landestheater Eisenach erstmals nach der Londoner Uraufführung von 1778 wieder in szenischer Form aufgeführten Oper „La clemenza di Scipione“. „Bei den Schweinen hätten wir aufhören sollen.“ Falk Pieter Ulke und Kerstin Wiese schlurfen immer mal wieder als altes Götter-Ehepaar über die Bühne. Er in Unterhosen und offenem Bademantel – und sie auch nicht so ganz taufrisch. Regisseur Dominik Wilgenbus hat ihnen allerhand witzige Bonmots in die Klappmaulpuppen-Münder gelegt.

Die Handlung der Oper ist zwar nicht mehr ganz so barock verworren wie bei Händel und Co., aber doch ein Stresstest für die heutige Allgemeinbildung. Sie spielt vor dem Hintergrund der Punischen Kriege … Es geht natürlich um Liebe und um die Güte des Titelhelden Scipio. Nicht gleich wie bei Mozart 1791, also dreizehn Jahre später, um die Güte eines Kaisers (Titus), beim jüngsten Bach-Sohn tut’s auch ein römischer Feldherr als leuchtendes Vorbild für die Moral der Mächtigen. Wilgenbus, Peter Engel (Bühne) und Uschi Haug (Kostüme) haben diese frühklassische Opera seria mit unaufdringlichem Witz und leichter Ironie in Szene gesetzt.

Hört man die Musik von Johann Christian Bach, dann versteht man den Respekt Mozarts für den älteren Kollegen. Es handelt sich um eine Art vorweggenommenen „Idomeneo“-Sound, auch die Beredsamkeit der „Entführung aus dem Serail“ meint man zu hören. Alles als flotte Nummernfolge mit kunstvollen Arien samt der Möglichkeit, für jeden Protagonisten seine Koloraturkünste vorzuführen. Eine genau genommen unbekannte Musik, die dem heutigen Hörer dennoch vertraut ist. Zumal, wenn sie so frisch und dynamisch aus dem Graben kommt wie bei den 32 Musikerinnen und Musikern der Thüringen Philharmonie Gotha-Eisenach unter Leitung von Juri Lebedev. Dazu ein junges Protagonisten-Ensemble: darunter Martin Lechtleitner (Scipio) und der kraftvolle Counter Onur Abaci (Luceio), der mit Sara-Maria Saalmann (Arsinda) einen Liebestod besingt, den freilich die Götter korrigieren. Dazu Alexandra Scherrmann als zweite besiegte Prinzessin und Geliebte des römischen Generals Marzio (Johannes Mooser). Wenn sie alle im Quintett gestrichene Chorpassagen übernehmen, fügt sich das bruchlos ein.

Das archaisch anmutende Bühnenhalbrund mit einem halben Dutzend Öffnungen ist nicht nur für das (manchmal sogar choreografierte) Spiel mit Charme und Sexappeal, sondern auch für die Koloraturpracht, das melodische Parlando und die Ensembleszenen der ideale Rahmen. Diese Ausgrabung ist ambitioniert, gut gemacht und unterhaltend. Man kann nur hoffen, dass sich möglichst viele, nicht nur Eisenacher, davon persönlich überzeugen.

Dr. Joachim Lange

„La clemenza di Scipione“ (1778) // Opera seria von Johann Christian Bach

Infos und Termine auf der Website des Theaters