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Rezensionen 2024/03

Bis dass die Geburt uns scheidet …

Linz / Landestheater Linz (April 2024)
Reinhard Febels „Benjamin Button“ blickt auf ein Leben im Rückwärtsgang

Linz / Landestheater Linz (April 2024)
Reinhard Febels „Benjamin Button“ blickt auf ein Leben im Rückwärtsgang

Kaum fünf Minuten auf der Welt, verlangt er Whisky, Zigarren und den Sportteil der Zeitung. Benjamin Button erblickt 1860 in Baltimore das Licht der Welt – als Greis. Er nähert sich unaufhaltsam nicht etwa seinem Tod, sondern seiner Geburt, wird jünger und jünger, schwimmt gegen den Strom, ohne Wenn und Aber. Dieses so simple wie geniale Gedankenspiel brachte F. Scott Fitzgerald 1922 als Novelle zu Papier; ein Oscar-prämierter Hollywood-Film verankerte die Geschichte 2008 im popkulturellen Gedächtnis. Die Oper, die Reinhard Febel (*1952), langjähriger Kompositionsprofessor am Salzburger Mozarteum, jetzt für das Landestheater Linz komponiert hat, ist bereits die dritte Vertonung des Stoffes in nur 15 Jahren.

„Benjamin Button“ ist ein hochartifizielles, polystilistisches Werk geworden. Dafür weitet Febel als sein eigener Librettist den zeitlichen Rahmen des Originals, epochenübergreifend reicht Benjamin Buttons Schicksal vom Amerikanischen Bürger- bis zum Ausbruch des Koreakriegs. Ein Panorama von fast 100 Jahren, was sich musikalisch niederschlägt: Die schroffe, dann wieder lyrisch-anschmiegsame Tonsprache zitiert Spätromantik ebenso wie Jazz oder Schönberg. Die unerbittliche Uhr des Lebens tickt aus dem von Ingmar Beck virtuos dirigierten Bruckner Orchester Linz in Form einer Riesenratsche, wird aufgezogen und beschleunigt: „Memento mori“.

Man genießt diesen sinnig verwobenen Strom der Zeiten in 110 pausenlosen Minuten vielleicht nicht sonderlich, aber man hört und schaut gebannt hin. Besondere Hervorhebung verdient das Libretto, in dem Febel Metaphern des täglichen Sprachgebrauchs originell verkehrt und dabei weder feine Ironie noch eine gehörige Position Melancholie vermissen lässt. Intendant Hermann Schneider steuert für diese ganz eigentümliche Atmosphäre und das im Vergleich zu Fitzgerald um einige originelle Figuren wie „Kuscheltier-Götter“ erweiterte Ensemble eine bildstarke Regiearbeit bei, die auf Südstaaten-Ästhetik (Bühne: Dieter Richter) und in allererster Linie großartige Maskenverfremdung (Kostüme: Meentje Nielsen) setzt.

Wie bringt man eine Studie über die unerträgliche Zeit zwischen Werden und Vergehen zu emotionalem Gehör? Hier liegt die Crux des Abends: So überzeugend und ideenreich Martin Achrainer sich der Titelrolle annimmt, diese bleibt über weite Strecken doch mehr Kuriosum als Mensch, mehr Theaterparabel und „Alien“ als fühlender Ankerpunkt. Das ändert sich erst am Ende einer langen Reise, wenn Benjamin schrumpft und zu „Benji“ wird. Gabriel Federspieler, Jahrgang 2010, meistert seine durchaus stattliche Menge an Gesangspassagen nicht nur mit glasklarer Knabenstimme, er fängt das zunehmend konfuse Verhalten des verlöschenden „greisen Kindes“ darüber hinaus auch noch flatterhaft-unruhig und unglaublich detailliert ein: ein berührendes Abbild von Altersdemenz im Körper eines Kleinkinds.

Dieser Verlust trifft eine ganz besonders: Hildegard, erst die kindliche Spielgefährtin des noch alten Benjamin, später seine Frau in der Mitte beider Leben, dann sein „Tantchen“ und in letzter Konsequenz die „Granny“. „Wie zwei Himmelskörper ziehen wir aneinander vorbei“ – die Sehnsucht nach den wenigen Jahren im Einklang, sie schwingt immer mit in Carina Tybjerg Madsens schwül-wehmütigem Porträt einer bedingungslos Liebenden. „Auch vorwärts leben ist schwer“, das beweist ein engagiertes Ensemble in vielfältigen Partien, darunter die mythisch-imaginären „Kuscheltier-Götter“ (Sophie Bareis, Zuzana Petrasová, Martin Enger Holm, Felix Lodel), Michael Wagner als Benjamins Vater – pragmatisch denkender Geschäftsmann durch und durch –, Matthäus Schmidlechner in der Charakterrolle des Doktor Keene oder auch die beiden Zeitungsjungen (Jonathan Hartzendorf und Alexander York) als plakative Chronisten eines Jahrhunderts amerikanischer Sozialgeschichte.

„Woher gehe ich? Wohin komme ich?“ Fast neunzig Jahre alt, spielt Benjamin Button schließlich doch noch Ball, verlernt zu sprechen – und ein Baby nimmt Abschied.

Florian Maier

„Benjamin Button“ (2024) // Oper von Reinhard Febel

Infos und Termine auf der Website des Landestheaters Linz

Musical-Allerlei im hohen Norden

Flensburg / Schleswig-Holsteinisches Landestheater (März 2024)
Leipolds Familienoper „Der goldene Brunnen“ nach Otfried Preußler

Flensburg / Schleswig-Holsteinisches Landestheater (März 2024)
Leipolds Familienoper „Der goldene Brunnen“ nach Otfried Preußler

Ein alter ausgemusterter Soldat mit Holzbein und ein mutiges Mädchen als Protagonisten eines Märchens? Otfried Preußler hatte schon immer einen Sinn für das Ungewöhnliche, und so sind es denn eben diese beiden Figuren, die nun in Flensburg die Handlung der Familienoper „Der goldene Brunnen“ vorantreiben. Denn Komponist Peter Leipold hat das gleichnamige Märchenspiel Preußlers in ein Musiktheater verwandelt: In fünf Bildern wird die Geschichte eines kleinen Dorfs im fernen Russland erzählt, wo der Brunnen versiegt ist. Rettung, so die Großmutter, verspräche allein ein Krug Wasser aus einem Goldenen Brunnen – doch der ist weit, und auf dem Weg dorthin lauern Gefahren in Gestalt von Wölfen, Schraten und eines zweiköpfigen Drachens. Und da wir im Märchen sind, kann natürlich allein das einfache junge Bauernmädchen Maschenka sich an eine solche Herausforderung wagen …

Friederike Karig hat nicht nur das Libretto mit seinen bisweilen ein wenig altklugen Zeilen verfasst, sondern die Geschichte in einer Mischung aus schreckhaften und komischen Momenten auch mit Zug inszeniert. Das schlichte Bühnenbild eines osteuropäischen Dorfes samt stilisierter Baumgerippe stammt von Stephan Anton Testi – fantasievoll sind hier vor allem die leuchtenden Schrat-Kostüme. Und die Musik? Nun, Leipold kennt unsere Spätromantiker gut, hat in puncto Melodien und Harmonien auch mal bei Humperdinck und Janáček gelauscht; vor allem aber sind ihm das Musical und seine Dramaturgien als Oper unserer Zeit nicht fremd. Was reichlich Lautmalereien und Eingängiges mit sich bringt und im Graben des Schleswig-Holsteinischen Sinfonieorchesters unter Martynas Stakionis immer wieder für dynamische Entwicklungen und Dramatik sorgt, allerdings ob manch rhythmischer Herausforderung auch für einige Unstimmigkeiten zwischen Orchester und Sängern.

Was die Spielfreude letzterer indes nicht beeinträchtigt und am Ende für großen Beifall sorgt. Im Ensemble selbst sind es die (vermeintlich) jüngste und älteste Darstellerin, die nicht nur den Ton angeben, sondern deren Stimmen ebenfalls aufhorchen lassen: Evelyn Krahes Großmutter weiß neben ihrer Altersweisheit auch mit einem wohl fundierten Alt zu punkten, der immer wieder nuancenreich zu differenzieren vermag. Und Małgorzata Rocławska hat zwar ob der Partitur nur selten Gelegenheit, ihren kraftvollen Sopran glänzen zu lassen, doch die wenigen leuchtenden Momente gleichen einem Versprechen auf mehr – hoffentlich demnächst (wieder) einmal in sängerisch herausfordernderen Partien.

Christoph Forsthoff

„Der goldene Brunnen“ (2023) // Familienoper von Peter Leipold

Infos und Termine auf der Website des Schleswig-Holsteinischen Landestheaters

Viva Italia, viva Gioconda!

Salzburg / Osterfestspiele Salzburg (März 2024)
Anna Netrebko feiert ihre Titelrolle

Salzburg / Osterfestspiele Salzburg (März 2024)
Anna Netrebko feiert ihre Titelrolle

Man kann darüber diskutieren, warum das bekannteste Werk von Puccini-Lehrer Amilcare Ponchielli nicht häufiger auf den Spielplänen zu finden ist. Musikalisch hat es durchaus Ohrwurm-Qualitäten und das nicht nur wegen der allegorischen Balletteinlage, dem „Tanz der Stunden“ im dritten Akt. Möglicherweise liegt es am großen Chor- und Orchester-Aufwand, möglicherweise auch an der nicht immer logischen, brutalen und aus der Zeit gefallenen Handlung (Libretto: Arrigo Boito unter dem Pseudonym „Tobia Gorrio“). In einer Art „Traviata“-Geschichte ist die Protagonistin, die Straßensängerin Gioconda, zwischen der Verpflichtung gegenüber ihrer blinden Mutter und der Liebe zum Matrosen Enzo hin- und hergerissen, obwohl der ihre Widersacherin Laura liebt. Gioconda überwindet die eigenen Gefühle, opfert sich selbst und verhilft Kontrahentin und Geliebtem zur Flucht.

Die Salzburger Version des britischen Regisseurs Oliver Mears verzichtet auf den Selbstmord der Protagonistin am Ende, stattdessen ersticht die ihren Peiniger, den Inquisitor. So richtig „retten“ kann Mears mit dieser Umdeutung das antiquierte Frauenbild aber nicht, vor allem setzt die Inszenierung keine weiteren großen Akzente und kommt vor allem in den ersten beiden Akten statisch und einfallslos daher.

Dass es trotzdem nicht langweilig wird, darf der großartigen musikalischen Leistung des Ensembles zugeschrieben werden. Anna Netrebkos Stimme ist prädestiniert für diese Titelrolle, ihre mittlere und tiefe Lage sind ein Ereignis, das mancher Altistin zur Ehre gereichen würde. Jonas Kaufmann als Enzo kann bei diesem Faszinosum nicht ganz mithalten, seine große Arie „Cielo e mar“ bleibt trotzdem ein Höhepunkt und vor allem im Forte klingt seine Stimme signifikant wie eh und je. Nur manchmal liegt eine Art „Schleier“ auf der Stimme, als wisse der Routinier um seine Kräfte und wie man einer solchen Herausforderung auch im fortgeschrittenen Tenor-Alter bis zum Schluss gerecht wird. Besonders hörbar wird das in den Duetten mit Eve-Maud Hubeaux als Laura, die als stimmliche Überraschung des Abends gelten kann. Luca Salsi ist ein Barnaba mit vokaler Präsenz, man hätte sich lediglich ein wenig mehr Spielfreude gewünscht. Agnieszka Rehlis singt und spielt die blinde Mutter eindrucksvoll mit gebotener Tragik, Tareq Nazmi ist ein stimmlich überzeugender Inquisitionsbeamter, wenngleich die Bedeutung seiner Figur von der Regie zu wenig beachtet wird.

Die zahlreichen, wunderschönen Chorpassagen lassen der Coro dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia und der Bachchor Salzburg in perfekter Artikulation recht häufig aus dem Off ertönen. Aus musikalischer Sicht „leider“, im Hinblick auf die ulkige Kostümfundus-Ausstattung des Chors (Annemarie Woods) und den seltsam-lächerlich choreografierten Tanzeinlagen (Lucy Burge) ist das aber vielleicht ein Vorteil.

Insgesamt ist dieser Abend einer der Musik. Antonio Pappano legt mit dem Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia einen hochemotionalen, schwelgenden Klangteppich unter die krude Geschichte. Was der Regie nicht durchwegs gelingt, schafft die Musik: ausufernde Kantilenen, spritzige Piani, pointiertes Zusammenspiel mit den Solisten – Pappano feiert das Werk seines Landsmannes und „erzählt“ die Geschichte in einer Art, wie es vielleicht nur Italiener können. 

Iris Steiner

„La Gioconda“ (1876) // Oper von Amilcare Ponchielli

Infos und Termine auf der Website der Osterfestspiele Salzburg

Im Fluss

Sevilla / Teatro de la Maestranza (März 2024)
Uraufführung von Alberto Carreteros „La Bella Susona“

Sevilla / Teatro de la Maestranza (März 2024)
Uraufführung von Alberto Carreteros „La Bella Susona“

Das Teatro de la Maestranza im geschichtsträchtigen Sevilla war schon öfter ein Ort wichtiger Opernereignisse. Nun wird hier die Oper „La Bella Susona“ des Komponisten Alberto Carretero (*1985 in der andalusischen Hauptstadt) uraufgeführt. Das Werk besteht aus einem Prolog und sieben Szenen, die sich aus einem Fluss vieler Emotionen und Farben zusammensetzen. Diese haben ein Ziel an Kreativität, Imagination und Poesie vor Augen, das weit über das Narrativ der eigentlichen Geschichte hinausgeht.

Und dabei ist tatsächlich alles im Fluss wie im Leben eines Menschen. Denn in allen Szenen, die in den Bühnenbildern von Alejandro Andújar überwiegend dunkel bis schwarz auf Videos und einem Bühneneinschub auf mittlerer Höhe gehalten sind, ist das langsam fließende Wasser des spanischen Flusses Guadalquivir sichtbar, der in vielerlei Hinsicht für die Geschicke und Geschichte der Stadt zentral war. Mit seinem dunklen Wasser fließt er im wahrsten Sinne des Wortes subtil bis bedrohlich in die Optik dieser Uraufführung ein. Albert Fauras Lichtregie geht dabei weit über das hinaus, was man bei einer „normalen“ Opernproduktion darunter versteht. Das Licht mit seinen vorrangig dunklen Tönen und Farben nimmt mit den Videos von Francesc Isern dramaturgische Bedeutung ein, auch angesichts des fast völligen Fehlens von Requisiten. Am Ende wird beim Tode Susonas ein riesiger Totenschädel schemenhaft als Lichtprojektion sichtbar …

„La Bella Susona“ ist in der Zeit des ausgehenden Mittelalters in die Renaissance verortet, als es um die Vertreibung der Juden aus Sevilla ging. Susona ist die Tochter des alten Rabbi Aben Susón, die sich mit einem noblen Bürger Sevillas, Guzmán, einlässt und auf diese Weise ungewollt ihre eigenen Leute verrät. Carreteros Musik ist hochinteressant und erinnert manchmal an Lachenmann, sie setzt direkt mit sehr viel Elektronik ein. Aber das Spannende ist, dass sich die Stimme wie eine zweite Haut seiner Poesie total vereinigt mit dem Orchesterklang einer bisweilen fast mythisch klingenden Tonalität, die manchmal dezidiert langsam daherkommt.

Nacho de Paz dirigiert das Real Orquesta Sinfónica de Sevilla mit hervorragendem Einfühlungsvermögen bezüglich Gesang und szenischer Entwicklung. Der Coro Teatro de la Maestranza verkörpert die Juden ebenso eindrucksvoll wie die Inquisition. Daisy Press begeistert durch enorme Intensität sowohl in ihrer Darstellung wie in der Facettierung ihres klangvollen Soprans. Rabbi Aben Susón wird vom Bass Luis Cansino verkörpert, der große Ruhe und Autorität ausstrahlt. Der beeindruckende Spinto-Tenor José Luis Sola singt den Noblen Guzmán aus der Gesellschaft von Sevilla und setzt dabei starke Akzente.

Dr. Klaus Billand

„La Bella Susona“ (2024) // Oper von Alberto Carretero

Ach, das Leichte ist so schwer

Hamburg / Staatsoper Hamburg (Februar 2024)
„Kannst du pfeifen, Johanna?“ fragen sich nicht nur die jüngsten Besucher

Hamburg / Staatsoper Hamburg (Februar 2024)
„Kannst du pfeifen, Johanna?“ fragen sich nicht nur die jüngsten Besucher

Der Oper stirbt das Publikum weg! Nur noch fünf Prozent der Opernbesucher sind jünger als 25 Jahre! Klagen und Hilferufe wie diese sind seit Jahrzehnten landauf, landab zu hören, die entsprechenden Fakten und Zahlen in der Tat alarmierend: Schließlich sind die Kinder und Jugendlichen von heute die Zuschauer von morgen – allerdings nur, wenn beizeiten ihr Interesse für die Oper geweckt wird. Fragt sich nur, wie? Mit kindgerecht aufbereiteten Erwachsenen-Opern wie der „Zauberflöte für Kinder“? Oder doch eher mit speziellen Kinderopern? Wobei: Was ist das eigentlich, Oper für Kinder? Für Kinder gespielt wie Humperdincks „Hänsel und Gretel“? Für Kinder geeignet wie Wilfried Hillers „Traumfresserchen“? Für Kinder von erwachsenen Ensemble-Mitgliedern gespielt? Oder für Kinder von Kindern aufgeführt?

In Hamburg hat sich die Staatsoper vor mehr als zwei Jahrzehnten mit ihrer „opera piccola“ eigentlich für letzteres Konzept entschieden. In der jüngsten Produktion „Kannst du pfeifen, Johanna?“ allerdings setzt Regisseurin Maike Schuster an der Alster dann doch wieder auf belehrendes Kindermusiktheater für Erwachsene. Schade – Stück verschenkt. Denn Ulf Starks gleichnamiger Kinderbuch-Hit, vom mehrfach ausgezeichneten Schweden nach einem Schlager der Comedian Harmonists benannt, bietet mit seiner Geschichte einer Freundschaft zwischen den Generationen eigentlichen besten Bühnenstoff. Geht es doch auf der Studiobühne der opera stabile um Nils (imposanter Bass: Karl Huml), der keinen Enkel hat, und um Berra (Ziad Nehme), der keinen Opa hat. Also geht dessen Freund Ulf (Grzegorz Pelutis) mit ihm in ein Altersheim, wo sich der einsame alte Nils und der schüchterne Berra einfach gegenseitig adoptieren. Inmitten zweier riesiger Baiser-Berge (Ausstattung: Lea Burkhalter und Anton von Bredow) lassen sie Drachen steigen, klettern auf Bäume, um sich im Kirschkern-Spucken zu üben, und (lernen) pfeifen.

Dummerweise hat Gordon Kampe für die Vertonung auf diverse bunte Buch-Episoden und damit auf eine für die Jüngsten so wichtige Anbindung in ihrer Lebenswelt verzichtet – und Regisseurin Maike Schuster macht dem verbliebenen Buch-Rudiment mit bemühtem, vermeintlichem Kinderhumor den Garaus. Was nicht nur auf Kosten der Poesie geht und spätestens im Moment des Todes von Nils auch nicht mehr funktioniert, sondern lediglich das kindliche Vergnügen an der Anarchie trübt. Schade, denn Kampes experimentelle Soundcollage zwischen Alter Musik und zeitgenössischen Effekten für die fünf Mitglieder der Hamburger Philharmoniker ist bisweilen schon düster-abstrakt genug, als dass es noch weiterer Eigenwilligkeiten in diesem Spiel um die treffenden Töne bräuchte. Ist und bleibt halt eine schwierige Sache mit der Kinderoper.

Christoph Forsthoff

„Kannst du pfeifen, Johanna?“ (2013) // Musiktheater für Kinder von Gordon Kampe

Infos und Termine auf der Website der Staatsoper Hamburg