Das Teatro de la Maestranza im geschichtsträchtigen Sevilla war schon öfter ein Ort wichtiger Opernereignisse. Nun wird hier die Oper „La Bella Susona“ des Komponisten Alberto Carretero (*1985 in der andalusischen Hauptstadt) uraufgeführt. Das Werk besteht aus einem Prolog und sieben Szenen, die sich aus einem Fluss vieler Emotionen und Farben zusammensetzen. Diese haben ein Ziel an Kreativität, Imagination und Poesie vor Augen, das weit über das Narrativ der eigentlichen Geschichte hinausgeht.

Und dabei ist tatsächlich alles im Fluss wie im Leben eines Menschen. Denn in allen Szenen, die in den Bühnenbildern von Alejandro Andújar überwiegend dunkel bis schwarz auf Videos und einem Bühneneinschub auf mittlerer Höhe gehalten sind, ist das langsam fließende Wasser des spanischen Flusses Guadalquivir sichtbar, der in vielerlei Hinsicht für die Geschicke und Geschichte der Stadt zentral war. Mit seinem dunklen Wasser fließt er im wahrsten Sinne des Wortes subtil bis bedrohlich in die Optik dieser Uraufführung ein. Albert Fauras Lichtregie geht dabei weit über das hinaus, was man bei einer „normalen“ Opernproduktion darunter versteht. Das Licht mit seinen vorrangig dunklen Tönen und Farben nimmt mit den Videos von Francesc Isern dramaturgische Bedeutung ein, auch angesichts des fast völligen Fehlens von Requisiten. Am Ende wird beim Tode Susonas ein riesiger Totenschädel schemenhaft als Lichtprojektion sichtbar …

„La Bella Susona“ ist in der Zeit des ausgehenden Mittelalters in die Renaissance verortet, als es um die Vertreibung der Juden aus Sevilla ging. Susona ist die Tochter des alten Rabbi Aben Susón, die sich mit einem noblen Bürger Sevillas, Guzmán, einlässt und auf diese Weise ungewollt ihre eigenen Leute verrät. Carreteros Musik ist hochinteressant und erinnert manchmal an Lachenmann, sie setzt direkt mit sehr viel Elektronik ein. Aber das Spannende ist, dass sich die Stimme wie eine zweite Haut seiner Poesie total vereinigt mit dem Orchesterklang einer bisweilen fast mythisch klingenden Tonalität, die manchmal dezidiert langsam daherkommt.

Nacho de Paz dirigiert das Real Orquesta Sinfónica de Sevilla mit hervorragendem Einfühlungsvermögen bezüglich Gesang und szenischer Entwicklung. Der Coro Teatro de la Maestranza verkörpert die Juden ebenso eindrucksvoll wie die Inquisition. Daisy Press begeistert durch enorme Intensität sowohl in ihrer Darstellung wie in der Facettierung ihres klangvollen Soprans. Rabbi Aben Susón wird vom Bass Luis Cansino verkörpert, der große Ruhe und Autorität ausstrahlt. Der beeindruckende Spinto-Tenor José Luis Sola singt den Noblen Guzmán aus der Gesellschaft von Sevilla und setzt dabei starke Akzente.

Dr. Klaus Billand

„La Bella Susona“ (2024) // Oper von Alberto Carretero