Ein alter ausgemusterter Soldat mit Holzbein und ein mutiges Mädchen als Protagonisten eines Märchens? Otfried Preußler hatte schon immer einen Sinn für das Ungewöhnliche, und so sind es denn eben diese beiden Figuren, die nun in Flensburg die Handlung der Familienoper „Der goldene Brunnen“ vorantreiben. Denn Komponist Peter Leipold hat das gleichnamige Märchenspiel Preußlers in ein Musiktheater verwandelt: In fünf Bildern wird die Geschichte eines kleinen Dorfs im fernen Russland erzählt, wo der Brunnen versiegt ist. Rettung, so die Großmutter, verspräche allein ein Krug Wasser aus einem Goldenen Brunnen – doch der ist weit, und auf dem Weg dorthin lauern Gefahren in Gestalt von Wölfen, Schraten und eines zweiköpfigen Drachens. Und da wir im Märchen sind, kann natürlich allein das einfache junge Bauernmädchen Maschenka sich an eine solche Herausforderung wagen …

Friederike Karig hat nicht nur das Libretto mit seinen bisweilen ein wenig altklugen Zeilen verfasst, sondern die Geschichte in einer Mischung aus schreckhaften und komischen Momenten auch mit Zug inszeniert. Das schlichte Bühnenbild eines osteuropäischen Dorfes samt stilisierter Baumgerippe stammt von Stephan Anton Testi – fantasievoll sind hier vor allem die leuchtenden Schrat-Kostüme. Und die Musik? Nun, Leipold kennt unsere Spätromantiker gut, hat in puncto Melodien und Harmonien auch mal bei Humperdinck und Janáček gelauscht; vor allem aber sind ihm das Musical und seine Dramaturgien als Oper unserer Zeit nicht fremd. Was reichlich Lautmalereien und Eingängiges mit sich bringt und im Graben des Schleswig-Holsteinischen Sinfonieorchesters unter Martynas Stakionis immer wieder für dynamische Entwicklungen und Dramatik sorgt, allerdings ob manch rhythmischer Herausforderung auch für einige Unstimmigkeiten zwischen Orchester und Sängern.

Was die Spielfreude letzterer indes nicht beeinträchtigt und am Ende für großen Beifall sorgt. Im Ensemble selbst sind es die (vermeintlich) jüngste und älteste Darstellerin, die nicht nur den Ton angeben, sondern deren Stimmen ebenfalls aufhorchen lassen: Evelyn Krahes Großmutter weiß neben ihrer Altersweisheit auch mit einem wohl fundierten Alt zu punkten, der immer wieder nuancenreich zu differenzieren vermag. Und Małgorzata Rocławska hat zwar ob der Partitur nur selten Gelegenheit, ihren kraftvollen Sopran glänzen zu lassen, doch die wenigen leuchtenden Momente gleichen einem Versprechen auf mehr – hoffentlich demnächst (wieder) einmal in sängerisch herausfordernderen Partien.

Christoph Forsthoff

„Der goldene Brunnen“ (2023) // Familienoper von Peter Leipold

Infos und Termine auf der Website des Schleswig-Holsteinischen Landestheaters