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Rezensionen 2025/01

Zu wissen, wer man ist

München / Bayerische Staatsoper (Dezember 2024)
Damiano Michieletto setzt „La fille du régiment“ mit Witz und Ironie in Szene

München / Bayerische Staatsoper (Dezember 2024)
Damiano Michieletto setzt „La fille du régiment“ mit Witz und Ironie in Szene

Das illustre Münchner Premierenpublikum – Anne-Sophie Mutter in der Königsloge – ist begeistert. Es gibt wiederholt Szenenapplaus und frenetischen Beifall mit Fußgetrampel am Ende. Star des Abends ist der mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete Tenor Xabier Anduaga. Er verkörpert Tonio, den Tiroler, der die Regimentstochter Marie einst vor dem Sturz in einen Abgrund bewahrte, sich in sie verliebte und dem sie das Leben rettet, als das 21. Regiment der französischen Armee ihn als Spion köpfen möchte. Mit dem herrlichen Schmelz seines Timbres, voluminöser Strahlkraft und körperbetonten Spitzentönen interpretiert er auch die bekannteste Arie der Oper, die Cavatine „Ah! mes amis, quel jour de fête!“ mit neun hohen Cs, in der er sein Schicksal preist, Soldat und Bräutigam zu sein. Der gewaltige Beifall nach dieser Arie löst minutenlange Erstarrung auf der Bühne aus, ehe die Marquise de Berkenfield Marie als ihre „Nichte“ mit auf ihr Anwesen nimmt, um sie standesgemäß zu bilden und zu verheiraten.

Der Regisseur Damiano Michieletto und sein Bühnenbildner Paolo Fantin, die eine langjährige Zusammenarbeit verbindet, setzen Gaetano Donizettis komische Oper „la fille du régiment“ mit Witz und Ironie in Szene. Der realistische Wald im Hintergrund der Spielfläche, in dem sich plötzlich ein „Fenster“ in das Anwesen der Marquise öffnet, erscheint im zweiten Akt als Bild, aus dem die Soldaten einfallen, um Marie zurückzuholen. Mit den Kostümen von Agostino Cavalca bietet die Inszenierung wirkungsvolle Momente der Symbolik und ironischen Brechung. Doch erlangt sie damit keine Tiefe. Daran ändert auch die Schauspielerin Sunnyi Melles als Duchesse de Crakentorp und Erzählerin nichts. In neu verfassten Monologen an Stelle der Dialoge führt sie durch die Handlung und erklärt forsch: „Das Einzige, was im Leben zählt, ist zu wissen, wer man ist.“ Von all den Fragen um die psychologische Komplexität der Marketenderin Marie, das Frau-Werden eines Mädchens, das unter Soldaten aufwächst, sowie den historischen Kontext der Handlung, die das Programmheft aufwirft, berührt die Inszenierung keine. Vielmehr irritiert die romantische Verklärung des Soldatenlebens, die, angetrieben von den Trompetensignalen und Trommelwirbeln der Musik, immer wieder in Klamauk mündet.

So wird der Abend zu einem Fest für Melomanen. Neben Xabier Anduaga ist es die Sopranistin Pretty Yende in der Rolle der Marie, die mit ihrer Bühnenpräsenz, ihrem darstellerischen Talent und ihrem Gesang, der sich von Lyrischem über halsbrecherische Koloraturen bis zu Durchbrüchen über den Schönklang hinaus erstreckt, das Publikum zu Beifallsstürmen hinreißt. Auch der Bariton Misha Kiria als Sergeant Sulpice und Maries Ziehvater sowie die Sopranistin Dorothea Röschmann als Marquise de Berkenfield und Maries leibliche Mutter überzeugen mit ihren komischen Übertreibungen und ihrem Gesang. Und Stefano Montanari geleitet das wie immer exzellent spielende Bayerische Staatsorchester mit Esprit durch alle Kontraste der Partitur.

Ruth Renée Reif

„La fille du régiment“ (1840) // Opéra comique von Gaetano Donizetti

Infos und Termine auf der Website der Bayerischen Staatsoper

Gewagt und gewonnen

Braunschweig / Staatstheater Braunschweig (Dezember 2024)
Benatzkys „Im Weißen Rössl“ als Travestie-Streich

Braunschweig / Staatstheater Braunschweig (Dezember 2024)
Benatzkys „Im Weißen Rössl“ als Travestie-Streich

Natürlich kommen in Braunschweig bei der Neuinszenierung des Benatzky-Singspiels „Im Weißen Rössl“ alle Ohrwürmer dran. Da kann man im Salzkammergut „gut lustig sein“; da muss es „was Wunderbares sein“, geliebt zu werden; da kann der Sigismund nichts dafür, „dass er so schön ist“; da steht im Weißen Rössl „das Glück vor der Tür“ und „zuschau’n“ kann der bedauernswerte Zahlkellner Leopold nicht beim Flirt seiner angebeteten Chefin Josepha mit dem Dauergast Dr. Otto Siedler. Alle Lieder und Couplets werden toll gesungen. Aus dem Orchestergraben flutet rauschhaft Sinfonisches hervor, gestaltet vom Braunschweiger Staatsorchester unter der präzisen und zugleich emotional erfüllten Leitung von Alexander Sinan Binder.

Aber diese Hits sind eingebettet in eine innovative Deutung des Geschehens. Denn auch in Braunschweig verschafft man der jahrelang verschmähten Operette wieder ein neues Standing. Und da wagt Regisseur Immo Karaman unter Einbeziehung von Schauspiel und Ballett Extremes – zunächst sehr befremdlich wirkend, im Laufe des Abends aber immer mehr faszinierend. Die Rössl-Wirtin spielt ein Mann in Frauenkleidern (herausragend: Matthew Peña). Erst am Schluss wird dieser Travestie-Streich entschlüsselt. Der Zahlkellner Leopold schwankt zwischen Männer- und Frauenliebe. Fast alle Bewegungsabläufe werden als Slapsticks grotesk überzeichnet (unglaublich gymnastisch dabei: Ivan Marković als Leopold). Und die von Fabian Posca bunt und zugleich exakt choreografierten Tanzszenen würden einem internationalen Travestie-Club Ehre machen. Das Bühnenbild (auch Immo Karaman) vermeidet mit minimalistischem Aufwand allen Operetten-Schnickschnack.

Synchron zu dieser surrealistisch-skurril wirkenden, gleichwohl höchst amüsanten Aktionsweise gibt es eine andere Deutungsebene. Wartende Menschen (der großartig singende Chor) an einer öden Bushaltestelle könnten Touristen auf dem Weg zum Wolfgangsee sein. Die Beleuchtung und das Outfit aber aktivieren auch Deportationsbilder. An der gleichen Haltestelle wartet Leopold nach seiner Entlassung einsam und melancholisch auf den Bus und singt leise „Zuschau’n kann i net“, während er sich auf einem Akkordeon begleitet. Herzergreifend! Und dann die Enttarnung der „Wirtin“: Beim schon von Nazi-Herrschaft überschatteten Schützenfest fällt die Frauen-Perücke vom Kopf. Schrecklich! Die Männer, völkisch in Krachlederne gekleidet, vertreiben daraufhin die „Wirtin“ und Leopold erkennt nun, dass sie ein Mann ist. Vielleicht hat er das schon die ganze Zeit gewusst. Denn im Schlussbild gehen Leopold und die „Wirtin“ Hand in Hand über die leere Bühne aus der Szene. Sehr bewegend!

Harter Schnitt zum glitzernden Finale. Mit einer Persiflage auf TV-Shows der 50er Jahre werden noch einmal alle Paare durch den Kakao dieser spießigen Ästhetik gezogen und ironisiert. Das ist eine amüsante Idee, die aber etwas zu lang ausgewalzt wird. Riesenbeifall und viele Vorhänge zeigen: Karaman wagt und gewinnt. Braunschweig ist eine Theaterreise wert.

Claus-Ulrich Heinke

„Im Weißen Rössl“ (1930) // Singspiel von Ralph Benatzky, bühnenpraktische Rekonstruktion der Originalfassung von Matthias Grimminger und Henning Hagedorn unter Mitarbeit von Winfried Fechner

Infos und Termine auf der Website des Staatstheaters Braunschweig

Seelenstürme

Košice / Národné divadlo Košice (Dezember 2024)
Die slowakische Nationaloper „Krútňava“ mündet in Verzweiflung

Košice / Národné divadlo Košice (Dezember 2024)
Die slowakische Nationaloper „Krútňava“ mündet in Verzweiflung

Das Nationaltheater Košice feiert den 75. Jahrestag der mit Kalkül entwickelten Nationaloper „Krútňava“ („Katrena“) von Egon Suchoň. Die Hommage ereignet sich also nicht am Uraufführungsort, dem Slowakischen Nationaltheater Bratislava, dessen Intendant Matej Drlička im Sommer 2024 durch die rechtspopulistische Kulturministerin Martina Šimkovičová entlassen wurde, und auch nicht an der Staatsoper Banská Bystrica, wo 2008 die erste Produktion der rekonstruierten Originalpartitur herauskam.

Košices Operndirektor Roland Khern Tóth hat für die Neuproduktion Vera Nemirova eingeladen. Im abstrahierenden Bühnenbild von Stephan Braunfels setzt sie eine packende Leistung. Nemirova und ihr Dramaturg Stanislav Trnovský verzichten auf die Dialogrollen des Dichters und seines Doppelgängers, die im originalen Textbuch über Schicksalsläufe und die von ihnen inspirierten Kunstschöpfungen diskutieren. Während des Vorspiels zeigen sie Katrena (Eva Katráková-Bodorová) und den nach seinem Tod allgegenwärtigen Ján Štelina (Martin Stolár) in einem heftigen Liebesakt. Die entscheidende Frage der Oper lautet sodann: Wer ist der Vater von Katrenas Kind? In der Originalfassung nennt Katrena ihren Ehemann Ondrej. Dieser wird nach dem Geständnis des Eifersuchtsmords an Ján Štelina der Gerichtsbarkeit überantwortet. Katrenas Säugling ähnelt dem Toten. Aber ihr Wort an Ondrej bei dessen Verhaftung, er sei der Vater, gilt. Die Hoffnung des alten Štelina, Jáns Vater, auf einen leiblichen Erben wird also zunichte.

Die Seelenstürme dreier Lebender und eines Toten schreien über den Schlussakkord Suchoňs hinaus. Dessen Oper endet weder heroisch noch festlich, sondern schlichtweg verzweifelt. Sofort nach der Uraufführung wurden Eingriffe vorgenommen, durch welche die religiösen Bezüge entfielen und die Vaterschaft von Katrenas Säugling eindeutig Ján zugesprochen wird. Damit entfällt der ambivalente Schluss: Ist Katrenas Aussage, Ondrej sei der Vater ihres Kindes, die Wahrheit oder ein Trost vor dessen Verurteilung?

Die Szenen um das Neugeborene lässt Nemirova in gutsituierten Kreisen der 1950er Jahre spielen. Sie zeigen vor Braunfels’ symbolischer Verallgemeinerung ein schroffes Milieu. Je mehr Katrena durch die Heirat mit dem sie misshandelnden Ondrej und die Frage nach der Vaterschaft ihres Kindes in die patriarchale Verschleißspirale gerät, desto weniger singt und spricht sie. Durch die Kostüme Simona Vachálkovás und Marek Šarišskýs Choreografie werden die Genreszenen mit dem imposanten Chor und dem Ballett zu kalten Farbfunken.

Außerordentlich gute Solisten gestalten die herausfordernden Partien. Peter Valentovič hält mit dem Orchester des Nationaltheaters Košice die Dunkelheit Suchoňs in rundem wie attackierendem Sog. In der expressiven Partie der Katrena bewegt Eva Katráková-Bodorová zutiefst. Am Ende ist sie zermalmt von zwei machtvoll präsenten Männern: Der Heldentenor Titusz Tóbisz hat hinter Ondrejs cholerischen Vokal-Eskalationen auch Seele, Jozef Benci entwickelt ein eindringliches Porträt des alten Štelina. Das volle Haus applaudiert mit Enthusiasmus.

Roland H. Dippel

„Krútňava“ („Katrena“) (1949) // Oper von Eugen Suchoň

Die Macht der Stimmen

Mailand / Teatro alla Scala (Dezember 2024)
Inaugurazione mit Verdis „La forza del destino“

Mailand / Teatro alla Scala (Dezember 2024)
Inaugurazione mit Verdis „La forza del destino“

Der gar nicht so oft auf den Bühnen zu sehende Titel „La forza del destino“ kündet zwar von der Macht des Schicksals – dieses Werk Verdis, das er 1869 speziell für die Scala bearbeitet hat, könnte aber auch „Die Macht der Unvernunft“ oder „Der Triumph eines verlogenen Ehrbegriffes“ heißen. Was ist es anderes, wenn der Bruder die Schwester noch im Sterben umbringt, ohne dass die etwas verbrochen hat? Abgesehen davon, dass sie den „falschen“ Mann liebt – zumindest nach Ansicht von Vater und Bruder. Ein Blick in den Gruselkatalog der sogenannten „Ehrenmorde“ in der Grauzone der Parallelgesellschaften zeigt, dass das alles nicht so weit in der Vergangenheit versunken ist, wie wir es in emanzipierten und säkularen Zeiten gerne hätten.

Einen Hauch von Relevanz für unsere Gegenwart bietet sogar die ansonsten meilenweit vom hierzulande üblichen Interpretations-Ehrgeiz entfernte Inszenierung von Leo Muscato. Vor allem mit der Kostümierung der Chöre nutzt Silvia Aymonino das üppige, TV-übertragungstaugliche Drehbühnenbild von Federica Parolini, um zu den martialischen Chorpassagen Waffenlärm und Kriegsgräuel in gleich mehreren Jahrhunderten zu illustrieren und das Finale in eine Ruinenlandschaft wie von heute zu verlegen. Im Ganzen betrachtet haben die Italiener auch diesmal genau die immer leicht museal wirkende Opern-Opulenz bekommen, die sie mögen.

Beeindruckend ist freilich allein schon die Verdi-Spannung, die ein zügig zu Werke gehender Riccardo Chailly mit seinem Orchester erzeugt und trotz des häufigen Szenenapplauses und der zwei Pausen auch durchgehend hält. Da bleiben sogar beim eventversessenen Inaugurazione-Publikum die Handys aus. Der unstrittige Star des Abends ist Anna Netrebko. Die adelt Donna Leonora mit ihrem unverwechselbaren, dunkel samtigen Timbre, tadellosen Höhen und darstellerischer Präsenz. Ludovic Tézier ist ihr mit imponierender Stimmgewalt auftrumpfender Bruder Don Carlo di Vargas. Dass Brian Jagde statt des ursprünglich vorgesehenen Jonas Kaufmann die Rolle des vom Pech verfolgten Don Alvaro übernimmt, erweist sich als Glücksfall – für ihn und für das Publikum, das sich an einem mühelosen Tenorschmelz erfreuen darf.

Auch sonst ist die Besetzung dem Anlass und diesem Verdi-Opernhaus par excellence angemessen. Von Vasilisa Berzhanskaya (Preziosilla) über Alexander Vinogradov (Padre Guardiano) bis Marco Filippo Romano (Fra Melitone) werden alle gefeiert. Dass die zeitgleiche Wiedereröffnung der Kathedrale Notre-Dame de Paris Mailand diesmal die große Show stiehlt, mag für die Milanisi ein Wermutstropfen sein. Die echten Opernfreunde unter ihnen können sich immerhin an einem Wiedersehen mit den Premierengästen Plácido Domingo und José Carreras erfreuen.

Roberto Becker

„La forza del destino“ (1862/69) // Oper von Giuseppe Verdi

Infos und Termine auf der Website des Teatro alla Scala

kostenfreier Stream bis 8. März 2025 auf ARTE Concert

Der wilde Tanz des Josef K.

Wien / MusikTheater an der Wien (Dezember 2024)
Gottfried von Einems „Prozess“ als Opernbeitrag zum Kafka-Jahr

Wien / MusikTheater an der Wien (Dezember 2024)
Gottfried von Einems „Prozess“ als Opernbeitrag zum Kafka-Jahr

„Sie erleben jetzt die Generalprobe!“ Ein Raunen geht durch das Publikum, das erwartungsvoll auf den Beginn der Premiere von Gottfried von Einems Oper „Der Prozess“ wartet. Intendant Stefan Herheim fährt launig fort: „Ein Virus hat uns in der letzten Woche lahmgelegt. Daher war ein kompletter Durchlauf bis jetzt nicht möglich. Sehen Sie bitte über ein paar Stolperer hinweg – wir sind selbst gespannt.“ Doch von Unsicherheiten merkt man in den nächsten eineinhalb Stunden nichts. Im Gegenteil: Die Rasanz des Stücks ist bemerkenswert.

Nach dem Sensationserfolg „Dantons Tod“ präsentierte Gottfried von Einem 1953 seine zweite Oper, basierend auf dem Romanfragment von Franz Kafka. Das Werk konnte nicht an den Erfolg anschließen und wird bis heute selten gespielt. Das liegt sicher nicht an der Musik, die sich nicht atonal, sondern beschwingt, mit satten Jazzklängen angereichert und in vielen Farben schillernd – oft im Gegensatz zu den bedrückenden Ereignissen des Librettos – in die Ohren der Zuhörer schmeichelt. Vielmehr sind es die verwirrenden Szenen, die zwar den Schrecken einer plötzlichen Verhaftung und die Hilflosigkeit des Opfers vorführen, aber – wie bei Kafka – fragmentarisch bleiben.

Herheim hat keine leichte Aufgabe, dieses Werk in Szene zu setzen. Mit schwungvollen Regieeinfällen treibt er alles auf die Spitze, verlässt das typisch düstere Kafkaeske und präsentiert eine wilde Revue, die auch kantige Sexszenen nicht scheut. Gespielt wird eine in der Corona-Pandemie entstandene Fassung, für ein kleines Orchester arrangiert von Tobias Leppert – ideal für eine Bühne wie jene der Wiener Kammeroper. Das stets hervorragend disponierte Klangforum Wien unter Dirigent Walter Kobéra ist auf der hinteren Bühne platziert.

Gottfried von Einem wurde mehrfach von der Gestapo verhört und konnte sich daher gut in die Psyche von Josef K. hineinversetzen. Genau hier setzt Herheim an. Josef K. hat in dieser Inszenierung im ersten Teil eine frappierende Ähnlichkeit mit dem Komponisten und taumelt oft wie im Fieberdelirium über die Bühne. Nach der Pause ist er ein verschüchterter junger Mann, der immer hilfloser seinem Untergang entgegenwankt.

Die Besetzung wurde auf neun Personen reduziert. Einige Darsteller übernehmen Doppelrollen, was manchmal verwirrend ist. Doch letztlich ist es unwichtig, wer wer ist, denn jeder – auch das Publikum – kann Täter oder Opfer sein. Es gibt nur eine Frauenrolle: Anne-Fleur Werner überzeugt mit massivem Körpereinsatz und singt, auch im knappen Dessous, tadellos. Unter den Stimmen der jungen Sänger stechen Talente hervor, die man sich merken sollte: Alexander Grassauer, Timothy Connor, Valentino Blasina, Lukas Karzel, Philipp Schöllhorn und Leo Mignonneau. Der größte Applaus aber muss Robert Murray als Josef K. gelten. Kraftvoll tönt der Tenor des Briten, der die Rolle mit Komik, Bravour und Verzweiflung gestaltet. Vom Virus, das das Ensemble niederstreckte, spürt das Publikum nichts. Dafür bedankt es sich mit herzlichem Applaus.

Susanne Dressler

„Der Prozess“ (1953) // Oper von Gottfried von Einem

Infos und Termine auf der Website des MusikTheaters an der Wien