Das Nationaltheater Košice feiert den 75. Jahrestag der mit Kalkül entwickelten Nationaloper „Krútňava“ („Katrena“) von Egon Suchoň. Die Hommage ereignet sich also nicht am Uraufführungsort, dem Slowakischen Nationaltheater Bratislava, dessen Intendant Matej Drlička im Sommer 2024 durch die rechtspopulistische Kulturministerin Martina Šimkovičová entlassen wurde, und auch nicht an der Staatsoper Banská Bystrica, wo 2008 die erste Produktion der rekonstruierten Originalpartitur herauskam.

Košices Operndirektor Roland Khern Tóth hat für die Neuproduktion Vera Nemirova eingeladen. Im abstrahierenden Bühnenbild von Stephan Braunfels setzt sie eine packende Leistung. Nemirova und ihr Dramaturg Stanislav Trnovský verzichten auf die Dialogrollen des Dichters und seines Doppelgängers, die im originalen Textbuch über Schicksalsläufe und die von ihnen inspirierten Kunstschöpfungen diskutieren. Während des Vorspiels zeigen sie Katrena (Eva Katráková-Bodorová) und den nach seinem Tod allgegenwärtigen Ján Štelina (Martin Stolár) in einem heftigen Liebesakt. Die entscheidende Frage der Oper lautet sodann: Wer ist der Vater von Katrenas Kind? In der Originalfassung nennt Katrena ihren Ehemann Ondrej. Dieser wird nach dem Geständnis des Eifersuchtsmords an Ján Štelina der Gerichtsbarkeit überantwortet. Katrenas Säugling ähnelt dem Toten. Aber ihr Wort an Ondrej bei dessen Verhaftung, er sei der Vater, gilt. Die Hoffnung des alten Štelina, Jáns Vater, auf einen leiblichen Erben wird also zunichte.

Die Seelenstürme dreier Lebender und eines Toten schreien über den Schlussakkord Suchoňs hinaus. Dessen Oper endet weder heroisch noch festlich, sondern schlichtweg verzweifelt. Sofort nach der Uraufführung wurden Eingriffe vorgenommen, durch welche die religiösen Bezüge entfielen und die Vaterschaft von Katrenas Säugling eindeutig Ján zugesprochen wird. Damit entfällt der ambivalente Schluss: Ist Katrenas Aussage, Ondrej sei der Vater ihres Kindes, die Wahrheit oder ein Trost vor dessen Verurteilung?

Die Szenen um das Neugeborene lässt Nemirova in gutsituierten Kreisen der 1950er Jahre spielen. Sie zeigen vor Braunfels’ symbolischer Verallgemeinerung ein schroffes Milieu. Je mehr Katrena durch die Heirat mit dem sie misshandelnden Ondrej und die Frage nach der Vaterschaft ihres Kindes in die patriarchale Verschleißspirale gerät, desto weniger singt und spricht sie. Durch die Kostüme Simona Vachálkovás und Marek Šarišskýs Choreografie werden die Genreszenen mit dem imposanten Chor und dem Ballett zu kalten Farbfunken.

Außerordentlich gute Solisten gestalten die herausfordernden Partien. Peter Valentovič hält mit dem Orchester des Nationaltheaters Košice die Dunkelheit Suchoňs in rundem wie attackierendem Sog. In der expressiven Partie der Katrena bewegt Eva Katráková-Bodorová zutiefst. Am Ende ist sie zermalmt von zwei machtvoll präsenten Männern: Der Heldentenor Titusz Tóbisz hat hinter Ondrejs cholerischen Vokal-Eskalationen auch Seele, Jozef Benci entwickelt ein eindringliches Porträt des alten Štelina. Das volle Haus applaudiert mit Enthusiasmus.

Roland H. Dippel

„Krútňava“ („Katrena“) (1949) // Oper von Eugen Suchoň