Wuppertal / Oper Wuppertal (Januar 2025) Eine Wupperetten-Revue bekommt nichts so richtig „gewuppt“
Als gegen Ende des vorigen Jahrhunderts Frank Loessers Broadway-Hit „Guys and Dolls“ an der Oper Wuppertal auf dem Programm stand, wurde der Premieren-Applaus auch durch viele Buhs und Missfallensbekundungen („Raus aus unserem Opernhaus!“) überschattet. Das Musical hatte es eben nicht leicht beim überalterten Abo-Publikum, das allenfalls die Operette in seinen heiligen Hallen duldete. Mittlerweile hat sich das amerikanische Musiktheater an vielen Opernhäusern hierzulande einen festen (und meist auch finanziell erfolgreichen) Nischenplatz erobert. Die Wupperetten-Revue „Von Thalia geküsst“ bedient sich nun bei beiden Genres: Im Mittelpunkt stehen die Operetten-Melodien der goldenen 1920er und 30er Jahre von Ralph Benatzky über Eduard Künneke bis hin zu Mischa Spoliansky und zeitgenössische Chansons, umrahmt von einer musicalartigen Revue.
Ort der Handlung ist das legendäre, 1906 gegründete Wuppertaler Thalia-Theater, das der jüdische Schauspieler Robert Riemer 1929 übernahm und ihm mit einer Mischung aus Operetten, Revuen und Filmvorstellungen zu neuem Glanz verhalf – bis er 1933 vor den Nazis in die USA floh.
Und so stimmen auf den Bühnenhintergrund projizierte, historische Filmaufnahmen und Fotos aus jenen Tagen auf die von Dramaturgin Laura Knoll geschriebene Geschichte ein. Doch der Charme dieses Openings wird gleich von der so gar nicht zu einer Revue passenden Ouvertüre aus Franz von Suppès „Die schöne Galathée“ zunichte gemacht. Die kommt so bräsig aus dem Orchestergraben, dass man schon einzunicken droht, ehe es überhaupt losgeht. Leider überkommen einen diese Müdigkeitsattacken immer wieder während der nur knapp 90 Minuten dauernden Vorstellung, weil die Auswahl der 23 Musiknummern eher beliebig wirkt und die Inszenierung von Intendantin Rebekah Rota sie selten mit der Handlung korrespondieren lässt. Wenn man schon einem so schillernden Impresario wie Robert Riemer ein theatralisches Denkmal setzt, dann wäre eigentlich ein wenig Varieté-Zauber und Kino-Nostalgie angesagt gewesen, als nur betuliche Operetten-Seligkeit. Aber so bleiben die hell leuchtenden Showtreppen (Bühne: Sabine Lindner) unbetanzt, während das Tanz-Ensemble sich im Dunkeln an den nicht gerade dynamischen Choreografien von Edison Vigil abarbeitet. Selbst seine Referenz an „Singin’ in the Rain“ will durch die wenig schmissigen Operetten-Melodien nicht zünden.
Bleibt die schlichte Handlung, die durch die fehlenden Show-Qualitäten der Inszenierung den bescheidenen Unterhaltungswert des Abends tragen muss: Luise (Elia Cohen-Weissert) verliebt sich in Peter (Merlin Wagner), ihr Bruder Felix (Zachary Wilson) in Thalia (Edith Grossman), die Göttin des Theaters. Die war vom Himmel herabgestiegen, um Robert Riemer (Oliver Weidinger) und seine Frau Frieda (Vera Egorova) vor der Insolvenz zu retten. Ein mit viel Spielfreude und schönen Gesangsstimmen dargebotener Beziehungsreigen, dem Edith Grossman mit einer kleinen Stepp-Einlage wenigstens einen Hauch von Revue beschert.
Rolf-Rüdiger Hamacher
„Von Thalia geküsst“ (2025) // Eine Wupperetten-Revue mit Musik von Eduard Künneke, Ralph Benatzky, Franz Lehár u. a.; Buch und Dialoge von Laura Knoll