Nach einer sehr ansprechenden „Tristan und Isolde“-Produktion vor zwölf Jahren setzt das Theater Lübeck seine beachtliche Pflege des Werks von Richard Wagner mit einer Neuinszenierung seines Opus summum fort. Regie führt Altmeister Stephen Lawless im Bühnenbild und den Kostümen von Frank Philipp Schlößmann, die musikalische Leitung liegt bei Generalmusikdirektor Stefan Vladar. Und wieder wird es im dezenten und stets stimmungsvollen Licht von Falk Hampel eine sehr gute, ja streckenweise emotional stark einnehmende Produktion.

Schlicht und einfach auf die Ideen Wagners abstellend, sieht man in einen breiten Schiffsrumpf, nicht so voll gerümpelt wie jener in Bayreuth im letzten Jahr. Hier sind nur zwei Sessel für Tristan und Isolde und ein paar Umzugskisten zu sehen. Dafür weist der Rumpf in der Mitte einen großen Spalt auf, der sich öffnet oder schließt, je nachdem, ob es auf der Bühne zu einer harmonischen Situation, also einer Annäherung zwischen Tristan und Isolde kommt oder diese Harmonie gestört ist. Dann sieht man einen großen Spalt, der sich nahezu bedrohlich öffnet. Das ist’s eigentlich schon mit der Optik, die durch eine ausgefeilte Personenregie ergänzt wird.

Das Sänger-Ensemble weiß diese außerordentlich nachvollziehbar umzusetzen. Lena Kutzner debütiert als Isolde mit großer und klar artikulierter Spielfreude sehr authentisch mit ihrem klangvollen jugendlich-dramatischen Sopran. Ihr ebenbürtig debütiert Ric Furman als großer und stattlich aussehender Tristan mit einem kraftvollen und höhensicheren Tenor und reizvoller baritonaler Unterlegung. Marlene Lichtenberg ist nach ihrem Rollendebüt in Glyndebourne als Brangäne ein echtes Erlebnis. Ihr bestens projizierender und kräftiger Mezzo hat in letzter Zeit noch an Potenz gewonnen, und darstellerisch verkörpert sie die Rolle mit einer äußerst einnehmenden Mimik.

Rúni Brattaberg ist als Marke schwer indisponiert und singt nur, um die Aufführung zu retten. Steffen Kubach gibt mit schönem Timbre und guter Resonanz einen auch darstellerisch ausdrucksstarken Kurwenal. Seine Interaktion mit Tristan im dritten Aufzug hat sehr viel Emotion, wie überhaupt Lawless in seiner Inszenierung Emotionen relativ viel Freiraum lässt. So wandelt Brangäne bei ihrem ersten Ruf langsam, fast mystisch über die Bühne, während sich im Hintergrund Tristan und Isolde im Dunkel näherkommen. Der meist etwas peinlich wirkende Kampf am Schluss läuft teilweise als Schattenspiel nur im Hintergrund ab und erzielt damit sogar mehr Wirkung.

Vladar dirigiert zum ersten Mal „Tristan und Isolde“ und weiß das Philharmonische Orchester der Hansestadt Lübeck zu einer ausgezeichneten Leistung zu motivieren, die den Abend in Verbindung mit Bühnenbild und Gesang im Sinne des Wagner’schen Gesamtkunstwerks wie aus einem Guss werden lässt. Entsprechend ist der kaum enden wollende Applaus.

Dr. Klaus Billand

„Tristan und Isolde“ (1865) // Oper von Richard Wagner

Infos und Termine auf der Website des Theaters Lübeck