Die tragische Geschichte von Cio-Cio-San und Pinkerton kommt mit wenig Inhalt aus, bringt jedoch tiefste Gefühle auf die Bühne. „Madama Butterfly“ gehört zum Standardrepertoire aller großen Opernhäuser, die bekannten Arien summt jeder Opernfan begeistert mit. Doch der Stoff stellt Theater vor die Herausforderung, das antiquierte Frauen- und Asienbild zu transformieren, ohne den Gesang in den Hintergrund zu rücken.

Das Theater Regensburg lässt sich in seiner Inszenierung auf den Spagat zwischen spätromantischem Klangrausch und zeitgenössischer Interpretation ein. Butterfly trägt im ersten Akt ein gelbes Rüschenkleid, immer wieder wird die Sängerin gedoppelt durch ein gleichgekleidetes junges Mädchen. Cio-Cio-San ist eine 15-jährige Kindfrau, die Pinkerton nur zum Spaß und aus Langeweile heiratet. Sie gibt sich hin in tiefer Liebe und kindlicher Romantik, doch auch er reflektiert in der Regensburger Inszenierung. Quälend lange sitzt ein nachdenklicher Pinkerton am Bett einer fragenden, scheuen 15-Jährigen und hinterlässt ein erschrocken-berührtes Publikum in die Pause nach dem ersten Akt.

Regisseurin Juana Inés Cano Restrepo und Ausstatterin Anna Schöttl spielen mit fast überzeichneten asiatischen Bildern. Da hebt und senkt der Chor rote Lampions, eine übergroße japanische Sonne leuchtet mal ganz blass und dann wieder blutrot. Das Haus von Butterfly als halbverfallene Ruine verweist von Anfang an auf die Zerstörung eines ganzen Lebens und die kalte Kraft überkommener Traditionen. Folgerichtig ist Butterfly ab dem zweiten Akt keine Kindfrau mehr, sondern eine gereifte, erwachsene Alleinerziehende voller Sehnsucht. In Cargohose und Lederjacke seufzt sie frustriert in Richtung Meer. Rauchend wehrt sie die Geisha-Karriere ab, die nicht mehr als Prostitution ist.

Die Uraufführung 1904 an der Mailänder Scala war zunächst ein Misserfolg, der Komponist wandelte Partitur und Dramaturgie. Danach stieg die Oper auf zum Welterfolg, der bis heute anhält. In Regensburg gönnt man dem Publikum den Musikgenuss und den emotionalen Klangrausch, versucht jedoch eine vorsichtig-alternative Interpretation.

Theodora Varga beeindruckt als Butterfly mit überzeugendem Spiel und brillantem Gesang. Sie ist nicht mehr nur das zarte Opfer, die naiv Liebende. In Regensburg wird Butterfly zur Zigarette rauchenden, realistischen und auch wütenden, verlassenen Frau mit Geldnöten. Die stummen, auf der Bühne sehr präsenten Statistinnen machen den Konflikt zwischen Tradition und Aufbegehren sichtbar und direkt greifbar. Generalmusikdirektor Stefan Veselka dirigiert exakt und detailreich. Das Team des Theaters inszeniert kein Musikmärchen, sondern eine sehr reale, zeitlose Geschichte voller Liebe, Leidenschaft, Sehnsucht und Tiefe.

Claudia Erdenreich

„Madama Butterfly“ (1904) // Tragedia giapponese von Giacomo Puccini

Infos und Termine auf der Website des Theaters Regensburg