Zeit zum Durchatmen hat man bei „Moulin Rouge!“ nicht viel. Es ist eines jener Musical-Spektakel, bei denen die Show gleich mit Betreten des Theaters beginnt. Hier wurden keine Kosten und Mühen gescheut, um den bisher eher als zweckdienlich bekannten Kölner Musical Dome in das Pariser Kult-Etablissement zu verwandeln. Da glitzert und funkelt es nun an allen Ecken und Enden und Tänzerinnen in Corsagen schreiten lasziv über einen bis in die ersten Publikumsreihen ragenden Steg, ehe vier von ihnen mit markantem Fingerschnippen zu „Lady Marmalade“ ansetzen.

Der Ohrwurm, der auch in Baz Luhrmanns Filmvorlage (2001) eine wichtige Rolle spielte, tritt hier eine mitreißende Revue-Sequenz los, die den Puls gnadenlos nach oben treibt und das Tempo für den Rest des Abends vorgibt. Denn die Musical-Adaption kann es nicht nur optisch mit der Opulenz des Originals aufnehmen. Auch die schnellen Schnitte des glamourösen Leinwand-Epos übersetzt die kurzweilige Inszenierung von Alex Timbers durch rasant getaktete Medleys kongenial auf die Bühne.

Mehr als 70 Songs werden da dicht komprimiert in gut zweieinhalb Stunden abgefeiert. Von Bowie bis Lady Gaga, von den Stones bis Adele. Dazu eine Messerspitze Piaf und eine ordentliche Prise Offenbach. Kurz: ein Musical für die Generation TikTok, das gleichzeitig genügend nostalgischen Wohlfühlfaktor für die Semester darüber parat hält. Und sogar ein wenig Lokalkolorit, wenn die ursprüngliche „Sound of Music“-Parodie fürs deutsche Publikum auf Reinhard Mey und Matthias Reim umgebogen wird.

Gleich geblieben ist die ebenso simpel wie effektiv gestrickte Lovestory zwischen Komponist Christian und dem Revuegirl Satine. Den auf Wolke sieben schwebenden Bohèmien gibt Riccardo Greco als sympathischen Strahlemann, der mit schmusigem Pop-Tenor zu überzeugen weiß. Und auch Sophie Berner ist eine Klasse für sich, wenn sie mit rauchiger Stimme den großen Diven-Klassikern von Shirley Bassey oder Marilyn Monroe ihren eigenen Stempel aufdrückt, in den privaten Momenten aber auch tiefe Einblicke in Satines Seele gewährt. Ein ähnlicher Spagat gelingt Gavin Turnbull als Zeremonienmeister Zidler. Eine Rampensau vor Gott dem Herrn, bei der hinter der extrovertierten Bühnenfigur die menschlichen Züge ebenfalls nicht zu kurz kommen. Unbedingt erwähnt werden sollen aber auch Annakathrin Naderer und Vini Gomes. Sie führen zu Beginn des zweiten Aufzugs einen der großen Showstopper des Abends an, für den Choreografin Sonya Tayeh das auf den Punkt besetzte Ensemble zu einem furiosen Tanzfeuerwerk über die Bühne jagt, das alle Stilgrenzen sprengt und virtuos remixt.

Ob es bei einem Musical, das so sehr auf Wiedererkennungswerte vertraut, wirklich eine Übersetzung der Songs gebraucht hätte, darf zumindest bei den Revueszenen hinterfragt werden. Zumal die Sache teilweise so abgemischt ist, dass die Texte eh unter hämmernden Bässen untergehen. Doch ist dies Jammern auf extrem hohem Niveau. „Moulin Rouge!“ ist Bombast pur und der Besuch sollte für Musical-Fans keine Frage des Ob, sondern lediglich eine des Wann sein.

Tobias Hell

„Moulin Rouge! Das Musical“ (2018) // Jukebox-Musical nach dem gleichnamigen Film von Baz Luhrmann

Infos und Termine auf der Website des Musicals