In Weimar startet die neue Operndirektorin Andreas Moses mit einer Inszenierung von Verdis „Aida“. Das Bühnenbild von Jan Pappelbaum verweist auf das gerade eröffnete Humboldt-Forum in Berlin, also dem Nachbau des Stadtschlosses der Hohenzollern, bei dem nicht nur das Kreuz auf der Kuppel umstritten, sondern auch der Inhalt noch nicht in Sack und Tüten ist. Auch hier finden sich viele Exponate mitten in der Debatte um deren Herkunft oder Rückgabe wieder. In diesem Raum verschränkt Moses Epochen und Perspektiven und macht daraus packendes Musiktheater, das seine Bildersprache aus unserer Gegenwart bezieht.

Eine Ausstellung mit dem Titel „ZWEIFEL“ soll eröffnet werden. Aida und die anderen Putzfrauen legen letzte Hand an. Die Feierlaune der Vernissage-Gesellschaft wird durch Bilder eines Terroranschlags gestört – die Mobilmachung ist die Folge, Radamès wird zum Anführer des Gegenschlags bestimmt.

Wie immer bei Verdi ist die Haupt- und Staatsaktion mit einer Liebesgeschichte verwoben. Die nimmt Fahrt auf, als Amneris Radamès ihren Slip überreicht. Moses billigt Aida eine Entschlossenheit zu, die sie zur Kämpferin macht, die ohne Probleme einen Wachmann umbringt. Auch Amneris kämpft für Radamès und dann sogar für die Reste von Recht und Freiheit, die es nach der Machtergreifung durch die radikalen Ideologen in ihrem Ägypten noch gibt. Am Ende sitzt sie mit der Benin-Bronze in dem Lastwagen, in dem schon die gefangenen Äthiopier beim Triumphmarsch ins Museum gekarrt worden waren. Diese Gefangenen wurden als Abendmal-Tableau vivant zu einem Ausstellungsobjekt gemacht! Zur Beute gehören die für diese Produktion restaurierten Aida-Trompeten, die an der Rampe zum effektvollen Einsatz kommen.

Das Ensemble trägt die Bilderflut und Assoziationsangebote vokal und darstellerisch überzeugend. Gegen die vor allem durchschlagende Wucht von Eduardo Aladrén (Radamès), die sonore Gewalt von Avtandil Kaspeli (Ramphis) und die fanatische Prägnanz von Alik Abdukayumov (Amonasro) muss Dominik Beykirch eher die fabelhaft aufspielenden Musiker der Staatskapelle verteidigen, als umgekehrt. Camila Ribero-Souza riskiert als Aida auch mal eine bewusst eingesetzte Schärfe, besticht aber dann mit wunderbaren Piani. Eine echte Sensation ist Margarita Gritskova als Amneris. Prägnant mit dunkler Farbe und lodernder Höhe, aus dem Körper geschleuderte Stimmgewalt. Sie ist der vokale i-Punkt auf einer „Aida“, die als Aufforderung zum Diskurs ebenso ihre Meriten hat wie als sinnlich packendes Theaterereignis!

Dr. Joachim Lange

„Aida“ (1871) // Oper von Giuseppe Verdi in einer reduzierten Orchesterfassung von Alberto Colla

Infos und Termine auf der Website des Theaters