Salzburg / Salzburger Festspiele (August 2025) Fulminanter Königinnen-Machtkampf in Donizettis „Maria Stuarda“
Im Duell der mächtigsten Monarchinnen des 16. Jahrhunderts lässt Regisseur Ulrich Rasche in seinem Bühnenbild zwei Riesenscheiben permanent rotieren, die die Rivalinnen um Liebe, den englischen Thron und grundsätzlich existenzielle Bedrohung repräsentieren. Für beide Frauen – und ihre Anhänger – ist es unmöglich, die Plattform der jeweils anderen zu betreten, wodurch die Distanz im Ringen um Religion, den rechtmäßigen Herrschaftsanspruch und die leidenschaftliche Zuneigung des Liebhabers auch physisch durchgehend erhalten bleibt. Beeindruckend wird mit Projektionen der schottischen Regentin auf einer dritten Scheibe – schwebend vom Schnürboden herab – gezeigt, dass die Abwesende für Elisabetta I. immer präsent ist. Auch wenn die beiden die meiste Zeit der Oper in getrennten Bildern auftreten: Stuardas Schatten schwebt bedrohlich über ihr. Gleichzeitig wirken die sich drehende Plattformen jeweils wie psychische und physische Gefangenschaften, aus denen nicht ausgebrochen werden kann. Beide Königinnen sind praktisch unablässig präsent, umgeben und manipuliert von Männergruppen.
Die Interpretation des inneren Kampfes verlangt von Lisette Oropesa (Maria Stuarda) und Kate Lindsey (Elisabetta) fortwährende Bewegung auf „ihren“ kreisenden Schicksalsrädern, sie gehen, schleichen, straucheln und schreiten ohne Pause. Und so ist es eine großartige Leistung, dass die beiden US-Amerikanerinnen neben brillantem Gesang auch unbeschreiblich große körperliche Herausforderungen bewältigen können. Sehr störend sind allerdings die knarrenden Geräusche der sich drehenden Plateaus. Unterstützt werden die beiden Königinnen beim emotionalen Ausdruck von Tänzern der SEAD – Salzburg Experimental Academy of Dance, die sich mit ihren Körpern synchron im Takt bewegen, aber auch fest- und zurückhalten, anhimmeln, trösten und stützen. Warum diese Männer vor der Hinrichtung allerdings nur mit Lendentüchern „bekleidet“ sind und damit Saunagang-Atmosphäre verströmen, bleibt unbeantwortet.
Eine packende Szenerie mit großem Effekt wird bei der direkten Konfrontation der beiden Damen erreicht, indem sich Elisabetta einmal erhöht auf ihrer Scheibe präsentiert, wenn sie die Gegenspielerin „in Schande und Staub“ sehen will, und Maria über ihre Kontrahentin „emporgedreht“ wird, als sie über den „abscheulichen Bastard auf Englands Thron“ spricht. Da explodiert die Dramatik.
Lisette Oropesa, in weißem Kleid, glänzt mit atemberaubenden Koloraturen, agiler Stimmführung, blühenden Bögen und reichhaltiger vokaler und darstellerischer Schattierung zwischen Stolz, Liebe, Verzweiflung und Leidenschaft. Eine phänomenale Stuarda, die Gänsehaut erzeugen kann. Kate Lindsey als kontrollierte Regina d’Inghilterra in Schwarz besticht mit herrischen Intervallsprüngen, intensiver Ausdrucksstärke und großen Emotionen zwischen Selbstbeherrschung, Verletzlichkeit, Unsicherheit und würdevollen Auftritten. Ihr dunkler Mezzo erlaubt harte, zornige Attacken ebenso wie sehnsuchtsvollen Klang. Bekhzod Davronov präsentiert klare Spitzentöne als Leicester, Thomas Lehman zeigt als Cecil noblen Bariton-Wohlklang, Aleksei Kulagin tröstet rollendeckend als Talbot.
Antonello Manacorda dirigiert die Wiener Philharmoniker zu melodischer Schönheit und bringt großen Spannungsaufbau beim direkten „Dialogo delle due regine“, deren Schicksal sich unaufhörlich bis zum bitteren Ende dreht. Ein phänomenaler Abend!
Susanne Lukas
„Maria Stuarda“ (1834/35) // Tragedia lirica von Gaetano Donizetti