In der 36. Saison der von ihm gegründeten Herbsttage Blindenmarkt wirft sich Intendant Michael Garschall mit Oscar Straus’ „Schokoladensoldat“ (nach George Bernard Shaws Satire „Helden“) wieder ins niederösterreichische Operetten-Feld. Zweieinhalb vergnüglichste Stunden später gibt es statt Schlachtengetöse nurmehr donnernden Applaus und Standing Ovations.

Die Geschichte um den Schweizer Hotelierssohn Bumerli, der in serbischer Uniform zwischen die Fronten gerät, packt Regisseur und Bühnenbildner Marcus Ganser in zwei poppige Buchdeckel, dazwischen comichafte Schwarz-Weiß-Videoprojektionen: ein stimmiges Gesamtkonzept. Den Kontrapunkt bilden die stilisierten, auf keine Epoche festgelegten, knallbunten und leicht karikaturesk angelegten Kostüme (Anna-Sophie Lienbacher). Einem Seiltänzer gleich schlängelt sich Gansers Regie so durch ein Meisterwerk der Gattung und trifft den ironischen Grad zwischen romantischer Heldenverklärung und subversivem Humor fast immer genau. Hie und da schießt er einen Millimeter übers Ziel hinaus, etwa dann, wenn Nadina den „Held ihrer Träume“ vor einer projizierten, monumentalen Heldenstatue und rotem Hintergrund besingen muss.

Dabei erweist sich Ganser in den Dialogen als feinsinniger Könner, der es versteht, seinem bestens zusammengestellten Ensemble auch das letzte Körnchen Ironie zu entlocken – ganz unprätentiös. Dem Comic-Konzept konsequent folgend stehen echte, schnörkellose Typen auf der Bühne, die Straus’ Operette selbst zum Star machen. Während es am Premierenabend im ersten Akt noch etwas Anlauf braucht, schnurrt die Szene ab dem zweiten in perfektem Timing ab, verführt, reißt mit und verfängt vor allem mit jener leisen Komik, die zwischen den Zeilen steht.

Die erstklassige Solistenriege macht es möglich. Lena Stöckelles Nadina ist etwas zu sehr brave Tochter denn stolze Bulgarin, weiß aber nach der Pause vollauf zu überzeugen. Martin Mairinger als Bumerli weiß jene sympathisch-freche Unverschämtheit und Schlitzohrigkeit, die es für die Rolle braucht, köstlich auszuspielen. Und Lukas Johan macht aus seiner Partie ein Kabinettstück, indem er jenen Grad Ernsthaftigkeit trifft, der den aufschneiderischen Alexius schließlich komisch wirken lässt. Jasmin Bilek als Mascha gestaltet das für sie eingelegte Solo zu einer Musterstunde in Sachen Couplet-Gesang; da tritt auch die unnötige Ballett-Umrandung in Superheldinnen-Kostümen ganz in den Hintergrund. Georg Kusztrich erweist sich als großer Charakterkomiker allererster Güte, sein Popoff ist ein Ereignis: herzerfüllt, dann wieder militaristisch autoritär – bei ihm stimmt jeder Ton, jede noch so kleine Geste.

Das Kammerorchester Ybbsfeld, dynamisch nicht immer ganz sängerfreundlich, aber in der Lautstärke wohltuend zurückgenommen, musiziert einen sensiblen, transparenten, witzigen Oscar Straus. Da capo!

Daniel Hirschel

„Der Schokoladensoldat“ (Originaltitel: „Der tapfere Soldat“) (1908) // Operette von Oscar Straus

Infos und Termine auf der Website der Herbsttage Blindenmarkt