Das Eduard-von-Winterstein-Theater ist längst zu einem Hort für Operetten-Ausgrabungen avanciert. Der von den Nazis wegen seiner jüdischen Herkunft nach 1933 verfemte und vertriebene Operetten- und Schlagerkomponist Hugo Hirsch (1884-1961) hatte 1923 mit seinem Dreiakter „Der Fürst von Pappenheim“ einen durchschlagenden Erfolg. Bei der aktuellen Wiederentdeckung gehen Regisseur und Ausstatter Christian von Götz und Jens Georg Bachmann am Pult der Erzgebirgischen Philharmonie mit leichter Hand und hörbarem Vergnügen zu Werke. Alle Nummern dieser Schlager-Operette gehen sofort ins Ohr, von der „Reise mit der Mitropa durch Europa“ bis hin zum Running Gag „Und zum Schluss, ganz zum Schluss, schuf der liebe Gott den Kuss“. Man kann sich streiten, ob jede der Worteinlagen unentbehrlich ist – beim Gesungenen möchte man wirklich auf keine Nummer verzichten. Der Titelheld ist kein Fürst, sondern heißt nur so, ist Vertreter im kriselnden Modehaus Pappenheim und ein Verkaufs- und Marketinggenie.

Der Werbeslogan „Der neue Mann ist jetzt bereit, kauft sich bei Pappenheim ein Kleid“ wird zur Vorgabe für eine genderfluide Kostümierung der Protagonisten und des Chores, was vor allem bei den Herren im Damenfummel ein Hingucker ist. Besonders Richard Glöckner als Titelheld gelingt mit seinem unwiderstehlichen Operettencharme ein Gesamtkunstwerk. Dabei spielt das Ganze mitten im deutschen Hyperinflations- (und Uraufführungs-)Jahr 1923, ist also per se auch ein Musterbeispiel von Zeitgenossenschaft. Wo mit Waschkörben voll Papiergeld bezahlt wird, kommt es für die kurz vor der Pleite stehende Kaufhauschefin Camilla (Stephanie Ritter) auf jede verkaufsfördernde Idee und auf jeden Kunden an.

Und da kommt der Adel dann doch noch ins Spiel. Die echte Prinzessin Stephanie (Sophia Keiler) wird auf der Flucht vor familiären Heiratsplänen zum Star-Mannequin und macht bei effektvollen Auftritten an der Riviera die Mode aus Berlin zum „Geheimtipp“. Der leicht vertrottelte Baron (László Varga) hält seine flotte Gattin (Maria Rüssel) für die Unschuld vom Lande, während die sich mit dessen ins Prinzen-Klischee überzeichneten Chef einlässt (Christian Wincierz). Jakob Hofmann macht sich als Schuhfetischist Hektor erst zum Deppen, kriegt dann aber die Prinzessin, die er zunächst nicht für echt hält. Schließlich darf auch noch Leander de Marel der verrückten Personage einen wunderbaren (echten) Fürsten im langen Glitzernden hinzufügen.

Gegen Ende lässt die Regie in einem kurzen Auftritt den Egon-Fürst-Interpreten aus den Zwanzigern, Curt Bois, einen Bogen vom Jahr 1923 ins Jahr 2023 schlagen, bei dem einem kurz der Atem stockt. Letztlich passt auch das in diese temporeiche, witzige und mitreißende Audienz beim „Fürsten von Pappenheim“.

Dr. Joachim Lange

„Der Fürst von Pappenheim“ (1923) // Operette von Hugo Hirsch

Infos und Termine auf der Website des Eduard-von-Winterstein-Theaters