Pjotr I. Tschaikowski (1840-1893) ist immer auf emotionale Überwältigung aus. Bei seiner letzten Oper „Iolanta“ setzte er noch mal eins drauf. Der Geschichte von der blinden Königstochter, der man ihre Blindheit verschweigt, die aber durch die Kraft der Liebe sehend wird, kann man kaum ausweichen. Musikalisch ist es russisches Pathos pur von einem großen Romantiker in Hochform komponiert, der parallel auch an seiner „Symphonie Patétique“ arbeitete. GMD Markus L. Frank am Pult der Anhaltischen Philharmonie Dessau schwelgt darin geradezu. Ohne, dass das Protagonisten-Ensemble dabei auch nur ansatzweise Probleme bekäme.

Dass das Ganze auf ein ergreifendes Happy End zuläuft, verrät die Inszenierung von Michael Schachermaier gleich zu Beginn. Da kehrt nämlich die erwachsene Iolanta an den Ort ihrer Kindheit zurück, sieht sich selbst als junges Mädchen, dem man in falscher Rücksicht eingeredet hatte, dass die Augen nur zum Weinen da seien. Jessica Rockstrohs Bühne ist ein Sanatorium, wirkt luftig, aber eingegrenzt. Ein königliches Refugium, das kein Fremder betreten darf. Was natürlich doch passiert. Der Ritter Graf Vaudémont, der hier im Kosmonauten-Anzug eindringt (mit geschmeidigem Tenor: Costa Latsos), verliebt sich in die schlafende Königstochter und erzählt ihr vom Licht. Der König (grimmig machtvoll: Don Lee) will ihn nur am Leben lassen, wenn Iolanta nach der Behandlung durch den maurischen Arzt Ibn Hakia (als überzeugender Einspringer: Valentin Anikin) sehend wird. Mit Iordanka Derilova hat Dessau eine Idealbesetzung für die Iolanta in den eigenen Reihen.

Die Inszenierung setzt auf dezente Opulenz: es gibt Riesen-Rosen. Der Kopfputz der Schwestern erinnert an Engelsflügel. Während der König und das Personal in Alltagszivil bzw. Krankenhauskluft auftauchen, kommt Ibn Hakia im Zaubermantel, der Ritter als Astronaut und der ursprüngliche Bräutigam Robert (Dmitry Lavrov) als Ritter aus dem Märchenbuch (Kostüme: Alexander Djurkov Hotter). Es sind Figuren aus dem Spielzeugkoffer des blinden Mädchens, die plötzlich lebendig vor ihr stehen. Iolanta wird sehend, Robert löst die Verlobung, der König macht den Eindringling zum Schwiegersohn. Das Wunder ist tatsächlich mal passiert. Schachermaier hat die Geschichte (von der Erinnerung am Anfang abgesehen) geradlinig mit viel Empathie erzählt. Am Ende triumphiert die Freude über das Licht. Was würde heutzutage besser passen?

Dr. Joachim Lange

„Иоланта“ („Iolanta“) (1892) // Lyrische Oper von Pjotr I. Tschaikowski

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