Arnold Schönbergs Opernfragment „Moses und Aron“ ist zwar erst 1957 szenisch uraufgeführt worden, passt aber dennoch zum ambitionierten „Fokus ’33“-Programmschwerpunkt des Theaters Bonn – so wie der Jude und musikalische Avantgardist (1874-1951) ins Feindbild der Nazis.

Im selbstverfassten Libretto sucht Moses nach den passenden Worten, um Gott seinem Volk ohne Bilder verständlich zu machen. Um das zu zeigen, gehen Lorenzo Fioroni (Regie), Paul Zoller (Bühne) und Sabine Blickenstorfer (Kostüme) im Verlauf ihrer Inszenierung selbst den Weg einer Abstraktion. Alles beginnt in einer überdimensionierten Puppentheater-Ästhetik mit dem Blick aus einer Höhle in den Himmel. Die Brüder sind zunächst unter Puppenköpfen verborgen. Moses hütet Schafe. Der Dornbursch brennt. Und eine schlichte Es-werde-Licht-Glühbirne könnte ein Platzhalter für die Stimme des Gottes sein, mit dem allein Moses auf vertrautem Fuße steht. Die Revolte, die ihn in die Wüste treibt, findet dann in einem Bilderrahmen als Szenerie aus dem 19. Jahrhundert statt und ähnelt eher einem Tumult an der Börse.

Der Kern aber ist der Verzicht auf den szenischen Bilderzauber, der meist beim Tanz um das Goldene Kalb entfesselt wird. Hier sind es nicht die von Moses allein Gelassenen, die außer Rand und Band geraten – hier ist es Moses, der allein auf sich gestellt mit sich und seinem Gott ringt. Äußerlich sieht das nach einer Melange aus Zerstörungswut und kreativem Schub eines Künstlers aus. Der Sänger Dietrich Henschel geht in dieser Sprechrolle ins körperliche Extrem. Bis die Zehn Gebote beisammen sind, fallen in einer einsamen Kammer immer wieder Gegenstände auf ihn herab. Er zerstört sie, verletzt sich, legt alle Sachen ab, beschmiert sich mit Farbe und malt mit seinem ganzen Körper die Wände voll. Damit wird der Tanz um das Goldene Kalb quasi auf die andere Seite des Konfliktes zwischen den beiden Brüdern gespiegelt. Der lebendige Körper von Moses „ersetzt“ die Gesetzestafeln aus Stein.

Bleibt die Frage, ob die Gottesgewissheit von Moses so unerschütterlich ist, wie er glauben will. Aber auch bei Aron (den Martin Koch überzeugend singt) bleiben Zweifel an der Überlegenheit seiner pragmatischen Argumente. Wenn Moses zurückkehrt, empfängt ihn sein Bruder nämlich inmitten lauter toter, blutbefleckter Dummys. Moses’ finales „O Wort, du Wort, das mir fehlt!“ wird so zum Ausdruck purer Verzweiflung. Er legt sich wie ein Kind zusammengerollt auf die Seite.

„Moses und Aron“ bleibt als Oper auch in Bonn eine offene Frage, die nur ans Publikum weitergereicht werden kann. Für den durch das Vocalconsort Berlin verstärkten Chor, das Beethoven Orchester Bonn und seinen Chef Dirk Kaftan und natürlich für alle Protagonisten ist die Antwort des Publikums für ihren Kraftakt aber ganz zurecht geschlossener Beifall.

Dr. Joachim Lange

„Moses und Aron“ (entstanden 1930-32; szenische Uraufführung 1957 posthum) // Opernfragment von Arnold Schönberg

Infos und Termine auf der Website des Theaters Bonn