Verona / Arena di Verona (August 2021) Sonya Yoncheva und Vittorio Grigòlo als nahezu ideales Paar in Verdis „La traviata“
Nach einem entsagungsreichen Sommer 2020 wartet die Fondazione Arena di Verona in diesem Sommer wieder mit einem reichhaltigen Opern- und Galaprogramm auf. Sie präsentiert unter anderem Neuinszenierungen von Giuseppe Verdis „Aida“, „Nabucco“ und „La traviata”, wobei diese in gewisser Weise uniformierte Inszenierungen der Fondazione selbst sind. „One size fits all“-Bühnenbild ist eine im Halbrund und damit sängerakustisch ideal um die Hinterbühne aufgebaute hoch abgestufte LED-Wand, die von D-WOK mit großer Phantasie Werk-entsprechend mit beeindruckender Auflösung bebildert wird. Davor stehen auf die gespielte Oper bezogene und von nur wenigen Bühnenarbeitern in den Lichtpausen schnell variierbare Vorbauten. So kann das Bühnenpersonal erheblich verringert und auch die Corona-Infektionsgefahr stark eingeschränkt werden. Das ist für die Verantwortlichen ein alles überragender Aspekt, die mit 6.000 Besuchern auch nur etwa die Hälfte der normalen Publikumskapazität zulassen.
Unter der Leitung des Stellvertretenden Künstlerischen Direktors Stefano Trespidi zeichnet Michele Olcese für die szenischen Arrangements verantwortlich. Trotz der enormen Ausmaße der Bühne gelingt es den Ausstattern in „La traviata“, neben den großen Ballszenen auch ein ansprechendes privates Ambiente für die Momente zwischen Alfredo und Violetta und jenem zwischen ihr und Giorgio Germont im zweiten Akt zu arrangieren. Für letztere wurde ein opulent wirkender Wintergarten gebaut, während auf der LED-Wand die Stimmung eintrübende Bilder eines verschneiten herrschaftlichen Gartens im Landhaus bei Paris zu sehen sind. Um diese Szenerie herum laufen zwei große Treppen, die sehr gut choreografierte Aufzüge und Aktionen der Ballgesellschaft ermöglichen und somit die private Geschichte mehr oder weniger einrahmen. Sehr phantasievoll und ansprechend wirken die Bilder von Paris, mit etwas Romantik garniert – man sieht bunte Montgolfieren – im ersten Akt, die wie alle anderen in großer Harmonie mit der Handlung stehen.
Der Abend lebt aber vor allem von den hervorragenden Leistungen von Sonya Yoncheva als Violetta Valéry, Vittorio Grigòlo als Alfredo und George Petean als Giorgio Germont. Sonya Yoncheva singt die Violetta mit viel Stamina, Emotion und Ausdruck mit einem oftmals herrlich aufblühenden Sopran mit langen Bögen. Es ist erfreulich festzustellen, dass sie nach ihren Ausflügen mit der Tosca ins dramatische Fach das lyrische mit einer immer noch geläufigen flexiblen Stimme weiterhin gut beherrscht. Yoncheva ist auch in der Vielseitigkeit der Rolle in jedem Moment voll präsent. Vittorio Grigòlo ist ihr ein nahezu idealer Partner mit einem kräftigen und bestens intonierenden Tenor mit guten Höhen, der zudem die erforderliche emotionale Ausdruckskraft für den Alfredo mitbringt. Die beiden bilden so ein überaus einnehmendes Paar, vokal wie darstellerisch, begeisternd in ihren Arien und Duetten. George Petean als Giorgio Germont kann mit seinem warmen und lyrisch timbrierten Bariton bestens mithalten und setzt auch schauspielerisch gute Akzente. Clarissa Leonardi ist als Flora ebenso überzeugend wie Yao Bohui als Annina. Der von Vito Lombardi einstudierte Chor singt von der linken Seite mit großer Transparenz und Klangfülle. Francesco Ivan Ciampa dirigiert das Orchester der Arena di Verona mit großem Einfühlungsvermögen für die Bedürfnisse der Sänger und den Chor. So kommt in den relevanten Szenen eine intime musikalische Atmosphäre zustande, während die Ballszenen mit großer musikalischer Ausgelassenheit musiziert werden.
Dr. Klaus Billand
„La traviata“ (1853) // Oper von Giuseppe Verdi