Manche Mythen und Legenden sind unverwüstlich. Zum Beispiel jene vom Giftmord Antonio Salieris am genialen Konkurrenten Wolfgang Amadeus Mozart. Dazu nicht unwesentlich beigetragen hat Nikolai Rimski-Korsakows 1898 erschienener Einakter „Mozart und Salieri“, in dem genau dieser wissenschaftlich längst widerlegte Unsinn zur Kriminalgeschichte hochstilisiert wird.

Die Wahrheit interessiert nur am Rande, viel wirkungsvoller ist die packende Erzählung. Und das ist ein Mord am vielleicht bedeutendsten kreativen Genie der Menschheitsgeschichte in jedem Fall. Der russische Nationaldichter Alexander Puschkin brachte das seit Jahrzehnten kursierende Gerücht bereits 1830 zu Papier, fünf Jahr nach Salieris Tod, als der greise Italiener in geistiger Umnachtung einen Mord gestanden haben soll. Allerdings hat sich niemand gefunden, der dieses Geständnis mit eigenen Ohren gehört hätte. Zudem war der eher als liebenswert und freundlich geltende Salieri wesentlich erfolgreicher als Mozart und hatte somit keinerlei Motiv, selbigen aus dem Weg zu räumen. Mehr als ein halbes Jahrhundert später setzte Rimski-Korsakow noch eins drauf und „Mozart und Salieri“ wurde im Moskauer Solodownikow-Theater uraufgeführt. Damit lieferte er die Steilvorlage für Peter Shaffer und Miloš Forman, die mit dem Theaterstück „Amadeus“ und dem gleichnamigen Kinofilm die Mord-Theorie ein weiteres Mal in Stein meißelten.

Der musikalische Krimi aus der Feder Rimski-Korsakows ist ein düster-intimes Kammerspiel. Schlicht und übersichtlich instrumentiert, aber dennoch gewichtig – immerhin geht es um einen Giftmord und zugleich um die ewige Verdammnis eines Komponisten, der zur Kenntnis nehmen muss, dass „Genie und Verbrechen auf ewig unvereinbar sind“ (Mozart). Die Entscheidung der Stiftung Mozarteum, das Dramolett zusammen mit dem Salzburger Marionettentheater zu produzieren, erweist sich als goldrichtig. Denn durch das Spiel mit Puppen gewinnt das Drama an Leichtigkeit. Mozart und Salieri – an seidenen Fäden tanzend – sind nichts als Spiel und Traum. Der skurrile Kriminalfall darf getrost als das gesehen werden, was er ist: an den Haaren herbeigezogene Fantasie.

Das Träumen und Schmunzeln wird dem Mozartwochen-Publikum leicht gemacht, weil die Besetzung mit den Sängern und dem Kammerorchester, die eigens angefertigten Puppen und ihre geschickten Strippenzieher und nicht zuletzt die Regie des Stücks sowie das eigens für Salzburg kreierte Vorspiel ein stimmiges Ganzes ergeben. Matthias Bundschuh hat eine neue deutsche Fassung geschrieben und den rund 40-minütigen Einakter um die fiktive Figur Isora angereichert. Ekaterina Krasko legt der alternden Sängerin und Ex-Geliebten Salieris drei Arien aus dessen Opern mit kraftvoll-sauberem Sopran in den Puppenmund. Konstantin Igl gibt den Mozart mit schlankem Tenor, nur Bariton Brett Pruunsild als Salieri ist bei der Premiere nicht immer ganz so intonationssicher. Dafür agiert das elfköpfige Studierendenorchester der Universität Mozarteum Salzburg unter Kai Röhrig absolut mozartwochentauglich, sodass die „Mords“-Stunde im Marionettentheater wie im Fluge vergeht.

Christoph Lindenbauer

„Моцарт и Сальери“ („Mozart und Salieri“) (1898) // Oper von Nikolai Rimski-Korsakow mit einem Vorspiel von Matthias Bundschuh

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