Zehn Jahre nach der Uraufführung am 4. Dezember 1909 im damaligen Noch-Hof-, dem heutigen Nationaltheater war es letztlich inhaltlich, weil gesellschaftlich vorbei: Der neue Frauen-Typ des „Flappers“ durchtanzte die „Roaring Twenties“ – und rauchte natürlich, privat wie öffentlich. Dennoch war das fast in eine Ehekatastrophe mündende „Geheimnis“, das heimliche Rauchen Susannas, erfolgreiche Opernnostalgie noch bis in die siebziger Jahre.

Grundsätzlich ist es erfreulich, wenn die Bayerische Staatsoper ihre Geschichte reflektiert. Denn über die Uraufführung hinaus pflegte Ermanno Wolf-Ferrari enge Beziehungen zu München und Bayern – und außerdem passt der 45-minütige Einakter für zwei Sänger und einen stummen Diener perfekt in den Pandemie-Spielplan der „Montagsstücke“ als Lebenszeichen: Wir produzieren und spielen dennoch für unser Publikum!

Ebenso „dennoch“ wird Regisseur Axel Ranisch klar gewesen sein, dass das Werk inhaltlich „total out“ ist. Also hat er es multimedial aufgeblasen. Der Diener Sante führt die Zuschauerkamera zum offenen Spielpodest mit etlichen Möbeln auf der großen Bühne des Nationaltheaters (Ausstattung: Katarina Ravlic und Christian Blank). Dort ist auch das relativ große Bayerische Staatsorchester postiert: mit dem Rücken zum schwach erleuchteten leeren Zuschauerraum. Sante beginnt das nur noch albern wirkende Spiel zu inszenieren: Misstrauen von Graf Gil; Gräfin Susannas Verschleierung ihrer Tabak-Einkaufsgänge; Nebenbuhler-Eifersucht und Rauch-Schnuppern des neurotischen Hausherrn; Rauchen Susannas mit Sante; Ertapptwerden; Versöhnung und Bekehrung des Grafen zum Rauchen; das alles in heutigen Kostümen … Da hilft nur „Aufwand“: Regisseur Ranisch „doubelt“ die Handlung durch visuelle Film-Verlegung in eine Edelvilla in München-Nymphenburg, wo die Sänger stumm agieren mussten, während Gesang und Orchester von der Live-Aufführung im Theater kommen. Szenenwechsel hin und her und dann auch noch Überblendungen. Doch für überzeugendes Stumm-Film-Agieren in Nahaufnahme hätte Ranisch über ein paar Probenwochen und die Sensibilität eines Christof Loy für Personenregie verfügen müssen. Das war beides nicht gegeben, also: Aufwand und Aktionismus.

Dem Nachlesen nach hat 1958 Peter Ebert in Glyndebourne die stumme Dienerrolle zu einem umjubelten Kabinettstück geformt. Ranisch macht aus dem beleibten Heiko Pinkowski nicht nur einen wenig überzeugenden Regisseur, sondern auch noch den wenig „gustiösen“ Lover von Graf wie Gräfin mit einem Ende als „Ménage à trois“ – ach, wie zeitgemäß chic! Oder: ein nettes Nichts verschlimmbessert!

Ein wenig Trost aus der Musik: Dirigent Yoel Gamzou macht etliches der kleinen Preziosen und Raffinessen von Wolff-Ferraris Partitur hörbar, anderes geht in der Bilderflut einfach als Soundtrack unter. Selene Zanetti und Michael Nagy singen sehr gut, trotz Produktion dauernder E-Zigaretten-Rauchwolken. Insgesamt passt Shakespeares „Much Ado … um Nichts“.

Wolf-Dieter Peter

„Il segreto di Susanna“ („Susannens Geheimnis“) (1909) // Intermezzo von Ermanno Wolf-Ferrari

Die Inszenierung ist als Video-on-Demand ab 28. April 2021, 19 Uhr für 30 Tage auf Staatsoper.TV abrufbar, ein 24-Stunden-Ticket kostet 9,90 Euro.