Döner, Currywurst und Hamburger, Knarren, Drogen und Kleinkriminelle: Willkommen im Neustrelitzer Straßen-Imbiss … äh, Landestheater. Als erste Opernpremiere der Jubiläumssaison zum 250. Geburtstag des „Theaters für die Seenplatte“ steht Mozarts „Entführung aus dem Serail“ auf dem Spielplan. Regisseur Axel Brüggemann verlegt das Singspiel kurzerhand in die fettige Bude des türkischen Kleinkriminellen Sascha Pelim (vormals Bassa Selim). Und bedient nicht nur in dessen Werbung („Pelim’s Döner mit scharf Bruda“) Klischees, sondern auch darüber hinaus, wenn etwa Osmin (profund: Ryszard Kalus) den „Ich hab’ Feierabend“-Orientalen mimt. Das mag für einen Lacher reichen, nicht aber für ein in sich schlüssiges Konzept geschweige denn die Dramaturgie eines zweieinhalbstündigen Abends.

Stattdessen gibt es (Programm-)Einführungen zu (Mozarts) „kulturellen Aneignungen“ und zum „Plot“, werden reichlich Zwiebeln geschnitten und schlichte örtliche Anbiederungen geprobt. „Ganz Neustrelitz ist in meiner Hand!“ tönt Pelim (abgezockt: Patrick Khatami), dessen Imbiss von einer Horde feiernder Fußballfans der örtlichen TSG-Kicker geentert wird – vermutlich auch eine kulturelle Aneignung, allerdings eher der platten Art. Denn über diese vermeintlich zeitgenössischen Situationsübertragungen hinaus gelingt dem Regie-Debütanten Brüggemann keinerlei stimmige Personenführung und Fortentwicklung der Handlung. Mit der Folge von Rampengestehe und unlogischen Details: Ein gesprengter Tresor lässt sich nun einmal nicht wieder verschließen …

Schade um diese verpatzte Eröffnungspremiere der Jubiläumssaison des zweitältesten Theaters der Republik: Hatte doch hier dereinst Herzog Adolf Friedrich IV. für Aufsehen gesorgt, als der Regent in der Saison 1775/76 aus der Truppe des Wanderprinzipals Peter Florenz Ilgener sein Strelitzer Hoftheater formte, das fortan ein wöchentlich wechselndes Programm von Shakespeares „Hamlet“ bis Schillers „Räuber“ präsentierte – und damit den Grundstein legte für eine bildungsbürgerliche Residenzstadt, deren Geist bis heute in dem 20.000-Einwohner-Ort fortwirkt.

Wenigstens musikalisch kann sich die Produktion durchaus hören lassen: Generalmusikdirektor Daniel Geiss hat die Neubrandenburger Philharmonie im Griff, wenn diesem Mozart auch ein wenig mehr Feinarbeit in der Artikulation und federnde rhythmische Präzision zu wünschen gewesen wäre. Die fünf Darstellerinnen und Darsteller schlagen sich trotz ihrer Rollendebüts sängerisch ordentlich (Lars Tapperts Belmonte allerdings mit mancher Ungenauigkeit in der Tongebung) bis eindrucksvoll (Yeonjoo Katharina Jang beweist als Konstanze nicht nur technische Souveränität). Zumindest ein kleiner Trost angesichts der misslungenen Döner-Regie.

Christoph Forsthoff

„Die Entführung aus dem Serail“ (1782) // Singspiel von Wolfgang Amadeus Mozart mit Dialogtexten von Axel Brüggemann

Infos und Termine auf der Website von Theater und Orchester Neubrandenburg/Neustrelitz