Schon bei der Begrüßung des Publikums vor Beginn der Aufführung wird Intendant Thomas Enzinger von einem jungen Girlie mit langen Fingernägeln und in grellpinken Jeans unterbrochen. Es trägt ständig sein pinkes Handy am Selfie-Stick, filmt alle Geschehnisse und streamt sie auf Instagram. Eva Schöler ist eine heutige Influencerin. Im Stück verkörpert sie die Öffentliche Meinung und überrascht mit ihrem schönen Mezzosopran.

Der selbst inszenierende Intendant verpasst Jacques Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“ einen gewaltigen Modernisierungsschub. Auch Offenbach und seine Librettisten karikierten seinerzeit aktuelle Vorgänge. In der Inszenierung aber wird manchmal übertrieben, und der Witz in den bunten, gemalten Kulissen (Stefan Wiel) und den überzogenen historisierten Kostümen (Sven Bindseil) gerät zu sehr zum Ulk. So sitzen die Götter im Olymp völlig gelangweilt in der Sauna. Jupiter versucht, das Image mit einem Jupi-Mobil, eigenen Merchandise-Artikeln sowie dem Slogan „Make Olymp Great Again“ aufzupolieren. Sogar eine gegen ihn abgehaltene Demonstration mit Sprüchen wie „Wir hassen Ambrosia“ findet statt. In der für Bad Ischl eigens erstellten Mischfassung (Spielfassung von Jenny W. Gregor und Thomas Enzinger) gibt es auch jede Menge neuer, aktualisierter, teils bemüht wirkender Dialoge, die beim Publikum jedoch viele Lacher provozieren.

Mit ansteckender Spielfreude agiert auch das Ensemble rund um den Orchestergraben, aus dem das Brüderpaar Jupiter und Pluto besonders hervorsticht. Martin Achrainer ist ein stimmlich und szenisch sehr präsenter Chefgott, der ständig von seiner Gattin Juno (mit kleiner Stimme: Eva Schneidereit) gemaßregelt wird. Jupiter kann aber auch als verkleidete Fliege, mit der er Eurydike verführen will, und viel Komik reüssieren. Peter Bording ist ein dämonischer und kraftvoller Gott der Unterwelt. Robert Bartneck singt den Titelhelden solide, Eurydike wird von Jeanette Wernecke koloraturenrein gesungen und mit großer Komödiantik gespielt. Lukas Karzel als Merkur muss zu seinem guten Gesang auch einen Rap hinlegen. Philip Guirola Paganini ist ein quirliger Cupido. Ohne Tadel und spielfreudig zeigt sich der Chor des Festivals.

Unterfüttert wird das alles von der quirligen Choreografie (Lukas Ruziczka) des beeindruckenden sechsköpfigen, mitreißend tanzenden Balletts, insbesondere beim berühmten Can-Can, bei dem zum Finale nochmals alle mittanzen. Mit Spritzigkeit und Delikatesse ist das Franz Lehár Orchester unter der Leitung von Laszlo Gyüker zu vernehmen. Großer Jubel im Publikum, das sich bestens amüsiert.

Helmut Christian Mayer

„Orphée aux enfers“ („Orpheus in der Unterwelt“) (1858) // Opéra bouffe von Jacques Offenbach in einer Spielfassung von Jenny W. Gregor und Thomas Enzinger