Außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliche Ideen – vor diesem Hintergrund muss man Elisabeth Sobotka und ihrem Team für diese Mehr-als-Notversion eines Corona-bedingt eingeschränkten Sommerspektakels gratulieren. Grund genug, dem auch eine außergewöhnliche Rezension folgen zu lassen – ausnahmsweise nicht beschränkt auf die zeitgenössische Oper „Impresario Dotcom“, der die höchste Aufmerksamkeit in dieser auf eine Woche reduzierten Festtage zuteilwurde. Das Auftragswerk von Ľubica Čekovská nach einer Komödienvorlage von Goldoni handelt von der prekären Situation arbeitsloser Sängerinnen und Sängern und leistet somit unwillkürlich einen Beitrag zur aktuellen Corona-Zeit. Die Handlung ist kurz wie eindrucksvoll: Ein ausbeuterischer Impresario verlangt, dass man unter Wasser singen müsse. Anfangs sträuben sich einige Künstler noch dagegen, aber in der Not unterwerfen sie sich beim Vorsingen den zerstörerischen Anforderungen. Regisseurin Elisabeth Stöppler hat das Stück minimalistisch eindrucksvoll umgesetzt, mit unheimlichen Videoprojektionen von Menschen, die im Aquarium ihre Münder bewegen und sich Corona-konform auf Abstand halten. Die Musik wirkte in ihrem experimentellen Charakter streckenweise zwar etwas monoton, aber dann und wann lässt sie aufhorchen, wenn die Komponistin Zitate aus Opern von Mozart, Gluck, Offenbach, Bizet und Verdi einbringt und diese einfallsreich verfremdet. Gesungen und musiziert wurde unter der Leitung von Christopher Ward am Pult der Vorarlberger Symphonieorchesters aufs Trefflichste.

Sehr kreativ reagierte auch ein Konzert unter dem Titel „Vocal Distancing“ mit dem Ensemble „The Present“ und dem Gitarristen und Lautenisten Lee Santana auf die Corona-Abstandsregeln. Das Ensemble ließ Alte und Neue Musik aufeinanderprallen und stellte sich dafür in variierenden Besetzungen räumlich unterschiedlich auf. Für die Sopranistin Hanna Herfurtner, die kurzfristig ihre Reise absagen musste, sprang Johanna Zimmer ein, die sich stupend mit einem vergleichbar schönen, luziden Sopran ins Ensemble einfügte und das schwierige Solo „Gebet“ von Sidney Corbett, das die Stimme stark strapaziert, souverän meisterte.

Den Höhepunkt markierte ein Liederabend mit den beiden Nachwuchssängern Anna El-Kashem (Sopran) und Johannes Kammler (Bariton), die Lieder von Hugo Wolf und Richard Strauss so nuanciert, ausdrucksreich und textverständlich darboten, dass man hätte meinen können, sie hätten bei Dietrich Fischer-Dieskau und Elisabeth Schwarzkopf studiert.

Für einen grandiosen Abschluss sorgten schließlich die Wiener Symphoniker unter Philippe Jordan mit einem Richard-Strauss-Programm. Der Abend offenbarte vielfach geprobte klangliche Finessen und eine sorgsam gepflegte Wiener Klangkultur. Dazu waren die Symphonischen Dichtungen „Don Juan“  und „Till Eulenspiegels lustige Streiche“ angesichts rasanter Stimmungswechsel, einer gewissen Rauschhaftigkeit, durchsetzt mit anspruchsvollen Bläsersoli, die alle Solisten makellos darbrachten, ideal gewählt.

Kirsten Liese