Liebe Leserinnen, liebe Leser,
es sind schwierige Zeiten für das Musiktheater. Neben dem Schutz der Gesundheit aller – zurecht im Mittelpunkt des Interesses – werfen überzogene Regelungen vor allem bei starren Besucherhöchstgrenzen in Opernhäusern und Theatern Fragen auf: Wer legt in einem großen Haus mit 2.000 Plätzen eine Obergrenze von 200 Besuchern fest – und warum? Wieso werden unsere Kulturstätten zu potentiellen Superspreadern erklärt, ohne dass auch nur ein einziges Beispiel dies verifiziert? FELIX AUSTRIA kann man da nur sagen, denn unser Nachbarland geht mit gutem Beispiel voran. Die Wiener Staatsoper und viele andere Häuser und Festivals in ganz Österreich zeigen jeden Tag, dass „es geht“, wenn der dementsprechende Wille vorhanden ist. Den spreche ich unseren deutschen Politikern so langsam ab. Im Mittelpunkt steht eine nicht mehr nachvollziehbare Sündenbock- und Almosenpolitik, die ungeachtet vielstimmiger Kritik aus allen Ecken des Kunstbetriebs auf einem sturen „Alles bleibt wie es ist“ beharrt. „Oper ohne Angst“ lautet daher auch unser aktueller Titel ganz bewusst mit Blick auf Werte, die wir im Begriff sind, leichtfertig zu verspielen.
Denn WIE wichtig es ist, kulturelle Freiheiten zu verteidigen, zeigte uns ein so zufälliges wie dramatisches Beispiel in einem ganz anderen Zusammenhang. Für den Beitrag „Kunst in der Krise!?“ (ab Seite 32) befragten wir unter anderem Kulturunternehmer Jochen Sandig, der mit der weißrussischen Bürgerrechtlerin Maria Kalesnikava in intensivem Austausch stand, bis sie im Kampf für die Demokratie in ihrem Land verhaftet wurde. Nach wie vor versucht er, den Kontakt mit ihr aufrechtzuerhalten. Parallel hat er mit anderen Akteuren einen offenen Brief zur Unterstützung ihrer Freilassung an die Bundeskanzlerin geschrieben. Kurz vor Redaktionsschluss erhielten wir über ihn diese aktuelle Mitteilung von Frau Kalesnikava aus dem Gefängnis in Belarus. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Ihre Iris Steiner
Chefredakteurin
„To the entire cultural community“
„Ihre Unterstützung verleiht mir außergewöhnliche Kraft und Inspiration. Ein solches Beispiel der Solidarität lässt nicht nur die volle Kraft und den Wert unserer Gemeinschaft erkennen, sondern zeigt auch, dass dies eine von Prinzipien getragene Position ist. Wir arbeiten nicht nur dafür, Ideale von Güte, Humanismus und Gerechtigkeit auszurufen, sondern sind auch bereit, sie zu verteidigen und für sie zu kämpfen. ›Kunst ist unpolitisch‹ – das ist eine gängige Aussage, insbesondere in postsowjetischen Ländern. Dies ist jedoch nicht richtig. Kunst im 21. Jahrhundert ist untrennbar mit Politik verbunden. Es ist unmöglich, in einem System, in dem es Zensur, Staatsideologie und faktisch ein Verbot der freien Kreativität gibt, frei zu denken und zu arbeiten. Selbst in schwierigsten Zeiten benennen Kulturschaffende furchtlos die Probleme der Gesellschaft, bringen Ungerechtigkeiten ans Licht und monieren mangelnde Freiheit. Daher ist die Kraft der Solidarität und der Zusammenhalt unserer Gemeinschaft nicht nur ein Beispiel für die gesamte Gesellschaft. Sie ist auch eine treibende Kraft, mit der gerechnet werden muss als Motor für Veränderungen und Transformationen in der Gesellschaft.“
Maria Kalesnikava
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