von Pejman Akbarzadeh und Iris Steiner

Nach der Islamischen Revolution von 1979 in Persien wurde das Opernhaus in Teheran geschlossen und sein Archiv von den Revolutionären zerstört. 40 Jahre nach der Revolution begann eine Kampagne zur Wiederbelebung der Geschichte dieses Theaters in Europa, indem man zunächst gedrucktes Material und Audiofragmente aus privaten Archiven von überall zusammenführte. Die Sammlung „Als es in Teheran noch Oper gab: Ein Tribut an Evlin Baghcheban“ ist das Ergebnis dieser Initiative.

Cover des Buches „The Days Tehran had Opera: A Tribute to Evlin Baghcheban“

Das, was man landläufig und auch in der Klassik „Westliche Musik“ nennt, kam Mitte des 19. Jahrhunderts erstmals nach Persien. Während seiner Reisen durch Europa lernte Kaiser Nāser ad-Din Schāh (1831-1896) Militärmusik und Militärkapellen kennen, war fasziniert davon und wünschte sich diese Musik auch für sein eigenes Land. Folglich wurden Musiker aus Italien und Frankreich in den heutigen Iran eingeladen, um Ausbildung und Gründung von Kapellen voranzutreiben. Aus der „Abteilung für Militärmusik“ des Teheraner Polytechnikums (Dāro’l-Fonūn) wurde im 20. Jahrhundert ein unabhängiges Konservatorium für westliche klassische Musik. Gleichzeitig entstand ein mit der Stadtgemeinde verbundenes Symphonieorchester in der Hauptstadt. 1960 gründete sich zur Förderung von Opernmusik darüber hinaus ein „Opernrat“, der in Teheran einige Opernproduktionen realisierte. Anlässlich der Krönung von Schah Moḥammad-Reża Pahlavī und Kaiserin Faraḥ Dībā wurde 1967 die Tālār-e Rūdakī („Rudaki-Halle“, benannt nach dem gleichnamigen persischen Dichter des 10. Jahrhunderts) als prestigeträchtiger Ort für die darstellenden Künste eingeweiht. Hier arbeitete ab diesem Zeitpunkt die „Tehran Opera Company“ zum ersten Mal an einem festen Ort, die Tālār-e Rūdakī wurde bekannt als Opernhaus von Teheran. Zur Eröffnung spielte man die eigens dafür komponierte Oper „Delāvar-e-Sahand“ („Der Held von Sahand“) des iranischen Komponisten ­Ahmad Pejman, von der leider keine Aufnahmen erhalten sind.

In den folgenden Jahren gab es an der Teheraner Oper nicht nur Aufführungen von berühmten Werken wie „Il barbiere di Siviglia“ und „Il trovatore“ in Originalsprache, sondern – um eine engere Verbindung zum lokalen Publikum zu schaffen – erstmals auch übersetzte Versionen von „Le nozze di Figaro“. Star dieser Zeit: die Mezzosopranistin ­Evlin Baghcheban (1928-2010), eine der bekanntesten Opernsängerinnen im Iran mit internationaler Karriere und Schlüsselfigur des persischen Opernlebens. Sie stammte aus einer französisch-assyrischen Familie in der Türkei und heiratete den persischen Komponisten Samin Baghcheban. 1950 zog sie mit ihm nach Teheran, um Gesang am dortigen Konservatorium zu unterrichten. Als Gründungsmitglied des neuen Opernrates stand sie ab 1960 auch selbst auf der Bühne. Zwischen 1967 und 1972 war sie tragende Stütze des Opernhauses von ­Teheran, sang viele große Partien in hauseigenen Produktionen und leitete als ausgebildete Musikdozentin auch den Opernchor. Doch bereits 1972 folgte der Bruch – einigen ihrer Briefe aus dieser Zeit ist zu entnehmen, dass sie den Verantwortlichen Missmanagement und Vetternwirtschaft vorwarf. Sämtliche Soloauftritte bis 1978 absolvierte sie danach nur noch am Stadttheater Teheran.

Evlin Baghcheban mit Kaiserin Faraḥ Dībā im Anschluss an eine Vorstellung von Mozarts „Così fan tutte“ in der Tālār-e Rūdakī. Im Hintergrund Premierminister Amīr ‘Abbas Hoveyda und Kultur­minister Mehrdad Pahlbod (Foto Persian Dutch Network)

Kurze Blütezeit mit abruptem Ende

Das internationale Wirken Evlin Baghchebans – als Sängerin und Chorleiterin des „Farah Choirs“, benannt nach Kaiserin Faraḥ-e Pahlawī – trug entscheidend dazu bei, dass dem Opernleben im Iran während seiner kurzen Blütezeit auch internationale Aufmerksamkeit zuteilwurde. Die Frau, die schon anlässlich der Krönungszeremonie des Schahs 1967 für die Chormusik verantwortlich war, wurde noch 1978 – kurz vor Beginn der politischen Unruhen im Land – mit dem „Farah Choir“ zu Plattenaufnahmen nach Wien eingeladen. Im Gepäck: Kompositionen persischer Volkslieder und Kinderstücke ihres Mannes Samin. Nach ihrer Rückkehr war das Ende des Opern- und klassischen Musiklebens im Iran beinahe schon besiegelt: Die Monarchie und der Schah wurden von der neuen theokratischen Regierung gestürzt und sämtliche westliche musikalische Aktivitäten – darunter auch die Oper und der „Farah Choir“ – verboten.

Obwohl das Augenmerk der Sammlung „Als es in Teheran noch Oper gab: Ein Tribut an ­Evlin ­Baghcheban“ auf dem Leben und Wirken der Operndiva liegt, liefern die einzigartigen Dokumente und Fotos wertvolle Informationen zum Opernleben in Persien in den sechziger und siebziger Jahren. Das Material stammt von Evlins Sohn Kaveh Baghcheban, der es nach dem Tod der Mutter sorgsam bewahrte. Die jetzige Veröffentlichung – unterstützt von der Toos Foundation in London – beinhaltet auch eine CD mit 17 Musikstücken, die als Originalaufnahmen der Teheran Opera Company nach der Zerstörung des Archivs zu wertvollen Zeitdokumenten wurden. Kaveh Baghcheban erklärte dazu in einem Interview mit dem persischen Dienst der BBC: „Die Stücke wurden ursprünglich mit einem normalen Mikrofon für private Zwecke aufgenommen. Wir dachten niemals daran, dass sie später einmal so wertvoll sein würden. Nun sind sie wenigstens noch ein Beweis dafür, dass wir ein aktives Opernhaus in unserem Land hatten.“

Poster der Teheran Opera Company aus den frühen siebziger Jahren (Foto Teheran Opera Company)

Nach der Revolution von 1979 verbannte die neue Regierung westliche Kultur aus dem Alltagsleben. Das Teheraner Opernhaus war eines der ersten Opfer – viele Sänger und Musiker zogen nach Europa oder in die USA, kurz darauf verbot die islamische Regierung Frauen auch das Singen in der Öffentlichkeit und das Solosingen. Lediglich der Chor der Tālār-e Rūdakī konnte seine Zusammenarbeit mit dem Tehran Symphony Orchestra in eingeschränkter Form fortsetzen.

Dieser Artikel ist eine Leseprobe aus unserer Ausgabe Juli/August 2021

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