Dass Stephan Kimmigs Inszenierung vom Publikum kontrovers aufgenommen würde, war zu erwarten: Ein Zirkus als Wagner-Spielebene bietet per se Empörungspotenzial. Dabei ist das Zirzensische beim Bayreuther „Meister“ nicht von der Hand zu weisen – alleine der Blick an die Decke „seines“ Festspielhauses assoziiert die Anmutung eines Zirkuszelts. Und haben schließlich nicht auch Verwandlungen eines Menschen in einen Drachen oder eine Kröte etwas Zauberhaftes, Figuren wie Mime etwas Clowneskes, die Rheintöchter etwas Akrobatisches?

Kimmig nimmt diesen spielerischen Gedanken auf und führt zugleich eine Gesellschaft vor, deren Oberanführer sich aus der Verantwortung stiehlt und im Nibelheim-Bild demonstrativ seine Verachtung darüber zeigt, „dort unten“ eine kurze Zeit seines feudalen Lebens verbringen zu müssen, wo Freia ein vergnügungssüchtig-flippiges Flittchen ist und Göttergattin Fricka längst dominant den Laden zusammenhält. Der Regisseur profiliert scharf seine einzelnen Figuren, was bei einer hervorragenden Fricka-Darstellerin wie Rachael Wilson zu volumenreicher, intensiv deklamierter Bühnenpräsenz führt, wohingegen sich Leigh Melrose, der einen fulminanten Alberich spielt, in Sachen Tongenauigkeit ziemlich durch die Partie mogelt.

Die übrigen stimmlichen Leistungen bewegen sich auf gutem, teils sehr gutem Niveau, wobei die meisten Sängerinnen und Sänger in ihren Partien erfolgreich debütieren. Moritz Kallenberg verleiht dem Froh tenoralen Schmelz, Paweł Konik gibt einen starken Donner, David Steffens einen genauso kernigen wie lyrisch empfindsamen Fasolt und Adam Palka bassgesättigt den Fafner. Als Charaktertenor überzeugt Elmar Gilbertsson als Mime und brilliert Matthias Klink als Loge; die Herrenriege komplettiert mächtig und markant der Wotan von Goran Jurić. Stine Marie Fischer singt leuchtkräftig die Erda, Esther Dierkes mit rollentypisch mädchenhaftem Timbre die Freia, und im homogenen Rheintöchter-Terzett gefallen die großstimmige Woglinde (Tamara Banješević), die mit vollem Mezzo ausschwingende Wellgunde (Ida Ränzlöv) und die gehaltvolle Floßhilde (Aytaj Shikhalizade).

Am Pult bietet Cornelius Meister ein uneinheitliches Bild. Es sind starke Momente zu hören wie im akzentuierten Zwischenspiel zum dritten Bild, genauso feinnervige Farbschattierungen zur Arie von „Weibes Wonne und Werth“, daneben jedoch immer wieder eines Orchesters dieser Größenordnung unwürdige Trompeten- und Hörnerpatzer, ein sprödes Vorspiel fern von präimpressionistischem Klangweben und mit insgesamt 2’35 eine viel zu breite Anlage der Tempi. „Wenn ihr nicht alle so langweilige Kerle wärt, müßte das ‚Rheingold‘ in zwei Stunden fertig sein“, schimpfte Wagner persönlich bei seinen eigenen Bayreuther Proben 1876. Darüber könnte der Stuttgarter GMD einmal nachdenken.

Dr. Jörg Riedlbauer

„Das Rheingold“ (1869) // Oper von Richard Wagner