Intendant Uwe Eric Laufenberg ist ein streitbarer Mann, der kein Blatt vor den Mund nimmt. Man mag dazu stehen, wie man will, durch seine strikte Parteinahme für die künstlerische Berufsfreiheit trotz Pandemie nimmt er eine notwendige Position im Meinungsspektrum ein. Als Regisseur freilich sorgt Laufenberg nun für Ennui. Offenbar handelt es sich nicht einfach um ein Misslingen, wie es auch dem versiertesten Regisseur passieren kann. Vielmehr kommt die Produktion daher, als würden der Spielleiter und sein Bühnenbildner Rolf Glittenberg demonstrativ unter ihren Möglichkeiten bleiben. Wer also nach einem „Tristan“ wie nach Dienstvorschrift sucht, wird in der hessischen Landeshauptstadt fündig.

Handwerklich sauber inszeniert Laufenberg ziemlich genau am Text entlang. Als Schlagobers dienen ihm – in der Liebesnacht – eine Isolde mit prächtiger Theaterkrone, weniger Wagner’sche Titelfigur als Corona-Queen, zudem kopulationswillige Paare in hautengen Trikots, im Schlussakt dann ein alsbald im Krankenhausbett sein Leben aushauchender Tristan-Doppelgänger, während der Held selbst von Andrea Schmidt-Futterer in Stoffbinden versenkt über die Bühne geistert. Final darf der Verblichene mit Isolde wohin auch immer schreiten. Zuvor freilich muss eine Kompanie Statisten ohne sonderliche choreografische Präzision in die Gruft sinken.

Berührendes ergibt sich beinahe aus Versehen, so im großen Liebesduett des zweiten Aktes voll intensiver, vor Mikrospannungen beinahe berstender Statik. Die aber weitgehend neutralisiert wird, weil sich im Hintergrund allerlei Kintopp abspult. Identifizierbar ist Q’orianka Kilcher als Pocahontas in „The New World“. Rolf Glittenbergs Bühnenbild beschränkt sich im Wesentlichen auf den farblich immer stimmig ausgeleuchteten Rundhorizont.

Musikalisch präsentiert sich die Produktion durchwachsen. Albert Horne lässt den Chor des Hessischen Staatstheaters undifferenziert durch die Gegend brüllen. Michael Güttler entlockt den Streichern des Hessischen Staatsorchesters so einiges an Klangrausch, die Holzbläser bleiben unspezifisch, das Blech dröhnt mit dem Chor um die Wette. Barbara Havemans Isolde läuft im Mittelakt zur Hochform auf. Sie phrasiert sinnfällig, die Stimme glüht. Marco Jentzsch steht die Torturen der Titelpartie mit vokaler Akkuratesse und im Schlussakt ebenso gesteigerter wie perfekt kontrollierter Emphase durch. Für einen Tristan ist die Stimme außerordentlich schlank, Farbpalette und Schattierungsmöglichkeiten halten sich in Grenzen. Khatuna Mikaberidze ist eine tieftraurig-poetische Brangäne. Thomas de Vries gibt einen soliden Kurwenal. Young Doo Park verströmt sich ebenso monumental wie balsamisch als Marke. 

Michael Kaminski

„Tristan und Isolde“ (1865) // Oper von Richard Wagner

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