Sofias Wagner-Festival geht in diesem Jahr in die zweite Runde und Generaldirektor Plamen Kartaloff setzt auf eine Neuinszenierung von Wagners „Lohengrin“ – an zwei ausverkauften Abenden mit zwei Besetzungen jeweils ein großer Erfolg. Das Bühnenbild-Team, bestehend aus Hans Kudlich, Nela Stoyanova und Christian Stoyanov – und besonders die fantastisch-illuminierte „Gerichtseiche“ von Gudrun Geiblinger – sind nicht unerheblich „schuld“ an diesem Erfolg.

Regisseur Kartaloff legt einmal mehr besonderen Wert auf seine Vision Wagner’scher Lesart, die ein authentisches Erzählen der Geschichte in den Mittelpunkt stellt. Für das wenig Wagner-erfahrene, aber interessierte bulgarische Publikum ein wunderbarer Einstieg in sein Werk. Mit großem dramaturgischem Einfallsreichtum kommt die Geschichte des Schwanenritters als zeitloses, zauberhaft-mystisches Märchen daher – nicht ohne moderne technische Mittel der Theaterkunst, auf die Kartaloff ebenfalls zurückgreift.

Sein „Lohengrin“ beginnt während der Ouvertüre mit dem Schlussbild des „Parsifal“ – und der Artusrunde, aus der Parsifal langsam heraustritt: Er hat den Ruf Elsas gehört! Ab diesem Zeitpunkt ist das gesamte Geschehen der großen Eiche auf der Bühne zugeordnet, ihre Farben und die Einbindung in die Handlung bilden den Subtext der Erzählung. Der Chor mit über 80 Sängern ist gewaltig – bisweilen etwas zu sehr und auch etwas statisch im Hinblick auf das sonst bewegte Bühnengeschehen. Mario Dices Kostüme sind vielfältig, allerdings fragt man sich manchmal, ob sie wirklich thematisch passen, wie etwa beim in Kutten gewandeten Herrenchor.

Erwähnenswert ist eine durch die Bank spannende Solistenriege: So gibt Bariton Thomas Weinhappel – 2017 als erster Österreicher für seine künstlerische Leistung als Hamlet mit dem begehrten „Thalia Award“ ausgezeichnet – sein Haus- und Rollendebüt als Telramund. Stimmlich klangvoll und außergewöhnlich ausdrucksstark im Spiel, ist er sicher die Überraschung des Abends. Für ihn und seine adäquate bulgarische Partnerin Gabriela Georgieva, einer Ortrud auf fast Weltklasse-Niveau, gibt es mehrfachen Szenenapplaus im zweiten Akt.  Das „nächtliche Zwiegespräch“ wird dadurch zu einem Höhenpunkt des Abends.

Radostina Nikolaeva singt die Elsa mit ihrem klangschönen und den dramatischen Passagen voll gerecht werdenden Sopran. Ihr Spiel wirkt etwas verhalten, aber dem Rollenprofil durchaus angepasst. Bjarni Thor Kristinsson ist ein souveräner König Heinrich mit ausdrucksstarkem Bass, wenn auch nicht immer ganz intonationsrein. Simon O’Neill gibt einen Lohengrin von internationalem Format, mit kraftvollem und technisch gut geführtem hellem Tenor. Ab und an würde man sich eine etwas differenziertere Nuancierung wünschen. Unbedingt erwähnt werden sollte auch der von Atanas Mladenov ausgezeichnet gesungene Heerrufer.

Evan-Alexis Christ leitet den „Lohengrin“ mit engagiertem, in entsprechenden Momenten auch expressivem Dirigierstil und ständigem gestischen Feedback, was von den Musikern im Graben und auf der Bühne sichtbar goutiert wird. Dass das Orchester der Oper Sofia in mittlerweile 14 Jahren Arbeit Wagners Werk verinnerlicht hat, ist deutlich zu hören. Insgesamt also eine sehr interessante Aufführung, die szenisch und musikalisch aufhorchen lässt.

Dr. Klaus Billand

„Lohengrin“ (1850) // Romantische Oper von Richard Wagner