Spielerisch leicht werden an der Volksoper Wien die ganz großen Themen verhandelt: Generationenkonflikte, Verantwortung füreinander, Respekt vor der Obrigkeit, Liebe, Umweltschutz und letztlich die Frage, wie lebenswert unser Planet ist und ob es eine Alternative gibt. All das steckt in Jacques Offenbachs Märchenoper „Die Reise zum Mond“ – oder zumindest hat der französische Regisseur Laurent Pelly all das daraus gemacht. Seine Inszenierung, die bereits Anfang des Jahres an der Pariser Opéra Comique zur gefeierten Premiere kam, ist jetzt auch in Wien zu sehen: als deutsche Erstaufführung mit einem gelungenen deutschen Libretto (Übersetzung: Stephan Troßbach).

Pelly macht – wie bereits in Paris – den künstlerischen Nachwuchs zu den Stars der Produktion, indem er den Kinder- und Jugendchor sowie das Opernstudio der Volksoper einsetzt. Die Handlung basiert lose auf Erzählungen von Jules Vernes: Prinz Caprice soll von seinem Vater König Zack (im Original Roi Vlan) die Krone übernehmen, hat aber so gar keinen Bock. Stattdessen will er – wohin auch sonst – zum Mond. Einmal in den Kopf gesetzt, kann ihm das niemand mehr ausreden und der Hofgelehrte Mikroskop und sein Vater müssen per Kanone mitkommen – herrlich ironisch frohlockt das Volk: „Schießt den König auf den Mond.“ Dort verliebt Caprice sich in Prinzessin Fantasia, was ihrem Vater, König Kosmos, gar nicht gefällt, da die Liebe auf dem Mond eine Krankheit ist. Das ändert sich, als Fantasia einen von Caprice mitgebrachten Apfel probiert, durch den sie plötzlich Liebe spüren und verstehen kann. Danach explodiert noch ein Vulkan, was aber niemanden verletzt, und schließlich bestaunen alle ehrfürchtig die aufgehende Erde und fragen sich, ob dieser blaue „Stern“ nicht eine neue (alte) Heimat sein könnte.

Neben der Regie sorgt Laurent Pelly auch für fantasievolle Kostüme: zum Beispiel bei den Mondlingen mit individuellen planetaren Hüten und Reifröcken – König Kosmos herrlich witzig kugelrund. Apropos Optik: Das Bühnenbild (Barbara de Limburg) fasziniert ab der ersten Szene, in der eine amorphe Masse in dunkelgrauen Anzügen mit einheitlichen Designerbrillen und Smartphones sich ihren Weg durchs Plastikmüll-Gebirge bahnt. Die Welt scheint eindrucksvoll verloren.

Musikalisch kommen Offenbach-Fans voll auf ihre Kosten: Operetten-Flair mit Strauss’schen Walzer-Anklängen. Schauspiel und Sprechtext werden qualitativ sehr unterschiedlich dargeboten – von etwas zu aufgesetzt und teilweise unverständlich (Aaron Casey Gould) bis großartig komisch und überzeugend (Christoph Stocker). Gesanglich werden hingegen durchweg solide Leistungen abgeliefert. Der hervorragende Chor trägt die vielen schwungvollen Operettennummern, solistisch ist Alexandra Flood (Prinzessin Fantasia) mit ihrem klaren Gesang bis in die Höhen hervorzuheben, die auch beim Apfel-Duett gemeinsam mit Aaron Casey Gould (Prince Caprice) traumhaft schöne Harmonien entstehen lässt. Dirigent Alfred Eschwé hat hörbar Freude daran, Offenbach gemeinsam mit dem Orchester fein auszudifferenzieren und schon bei der Ouvertüre äußerst passende Akzente bei Tempo und Lautstärke zu setzen.

Der Zusatz „Oper für die ganze Familie“ sollte niemanden abschrecken, denn sowohl Musik als auch Inszenierung sind kindgerecht, aber auf keinen Fall kindisch. Sogar der frivole Offenbach scheint immer wieder durch. Politisch und dennoch leicht, beschwingt und nicht belehrend beschert uns Pelly einen unterhaltsamen Abend, der zum Nachdenken anregt.

Christoph Oscar Hofbauer

 „Die Reise zum Mond“ (im Original „Le voyage dans la lune“, Opéra-féerie, 1875) // Oper für die ganze Familie von Jacques Offenbach in einer Fassung von Laurent Pelly, Agathe Mélinand und Alexandra Cravero

Infos und Termine auf der Website der Volksoper Wien