Sie sind die Schatzgräber im Hamburger Opernleben: Zahlreiche der Produktionen, die seit bald drei Jahrzehnten auf dem Spielplan der Hamburger Kammeroper standen, haben nicht nur für fragende und staunende Mienen im Publikum des 215-Plätze-Hauses gesorgt, sondern die Raritäten und verschollen geglaubten Werke entpuppten sich auf der kleinen Bühne immer wieder aufs Neue als musikalische Entdeckungen. Und auch mit ihrem jüngsten Coup beweisen die Hanseaten mehr als nur ein glückliches Händchen: Bald 200 Jahre nach seiner Entstehung erlebt Saverio Mercadantes „I due Figaro“ nun an der Elbe seine deutsche Erstaufführung – und entpuppt sich als kleiner, großer Schatz!

Dichterisch, denn die Geschichte „Figaros Hochzeit zweiter Teil“ erzählt, wie es Jahre nach Mozarts „Le nozze di Figaro“ im Schloss des Grafen Almaviva weitergeht: Die Paare sind in die Jahre gekommen und haben sich eigentlich nicht mehr viel zu sagen, sondern wahren nur noch unterkühlt die Form. Dafür zieht Figaro weiter seine Strippen und plant des Grafen Tochter Inez mit einem Nichtsnutz zu verkuppeln, um sich dann mit diesem die Mitgift zu teilen. Doch er hat die Rechnung ohne den beim Militär zu Geld und Ehr gekommenen Cherubino gemacht, der längst das Herz der gräflichen Tochter erobert hat und nun als zweiter Figaro die Pläne durchkreuzt …

Musikalisch, denn mag Mercadante auch kein zweiter Mozart sein, so knüpfen nicht allein die Finali der beiden Akte an die Virtuosität eines Rossini an: Die Melodien sind eingängig, die Koloraturen geschmeidig und obendrein gibt es – passend zum Ort der Handlung – reichlich spanisches Lokalkolorit vom Bolero über Cachucha bis zur Tirana, was der Koketterie Susannas (mit leuchtendem Sopran: Natascha Dwulecki) ebenso zugutekommt wie ihrem emanzipierten Carmen-Auftritt. Doch auch die beiden anderen Damen des Abends haben trotz wunderhübscher historischer Kostüme (Marie-Theres Cramer) durchaus die Hosen an: Feline Knabe beweist als Gräfin die nötigen Spitzen, während Lilia-Fruz Bulhakova als Inez mit warmer, weicher Stimme nicht nur Cherubino (Edilson Silva Junior) betört. Amüsant, aber auch tiefsinnig kommt Marco Trespioli als im Zen-Buddhismus versunkener Graf daher, wenn der (nicht immer strahlende) Tenor über die Vergänglichkeit der glühenden Liebe sinniert. Und Titus Witt vermag die Bühne nicht nur mit Verschlagenheit zu erobern, sondern ebenso mit kräftigem Bariton zu punkten.

Dramaturgisch, denn Alfonso Romero Mora begeistert in seiner Regie gleichermaßen mit feiner Personenführung wie mit überraschenden Ideen und Humor. Letzteren offenbart auch Barbara Hass in ihrem schlagfertig-unterhaltsamen Libretto. Dazu verschlossene Türen, verschachtelte Wände, Kerzen und ein Sofa (Bühne: Kathrin Kegler) – und schon entbrennt auf wenigen Quadratmetern ein Feuerwerk an Spiel- und musikalischer Freude, da auch die fünf Musiker in den eingängigen kammermusikalischen Arrangements ihres Dirigenten Ettore Prandi Spannung, Witz und Sensibilität beweisen. Das kleine Hamburger Haus hat wahrlich eine große Goldader gefunden!

Christoph Forsthoff

„I due Figaro“ („Figaros Hochzeit zweiter Teil“) (1835) // Melodramma buffo von Saverio Mercadante in einer Bearbeitung von Barbara Hass, musikalisch arrangiert von Ettore Prandi

Infos und Termine auf der Website des Allee Theaters – Hamburger Kammeroper